Moorburg. Anwohner und Aktivisten sondieren Möglichkeiten, das Milliardenprojekt noch zu stoppen. Skurriler Vorschlag: Lurche importieren!
Rund um den Veranstaltungsort, die ehemalige Moorburger Schule, war am Dienstagabend kein Parkplatz mehr zu finden. Als das „Bündnis Verkehrswende“ zur Bürgerversammlung eingeladen hatte, standen vor der Halle 18 Fahrräder, auf dem Hof und am Straßenrand davor zirka viermal so viele Autos. Drinnen diskutierten 150 Einwohnerinnen von Moorburg und Wilhelmsburg sowie zwei Dutzend Funktionäre von Umweltverbänden und Parteien aus Hamburg, mit welchen Argumenten und Methoden man jetzt noch die Hafenautobahn A26 Ost verhindern könnte.
Gerade für die Moorburger wird das Thema jetzt heiß: Kurz vor Weihnachten ist der Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt der A26 Ost ergangen. Dieser Abschnitt verläuft nicht nur direkt vor ihrer Hintertür, sondern bringt den Moorburgern auch sofort nach seiner Fertigstellung Verkehr in den Norden des Stadtteils. Insofern war die Teilnehmerzahl gemessen daran, dass Moorburg über 700 Einwohner hat und viele der Teilnehmer auch Wilhelmsburger waren, erstaunlich gering.
Neubau: Spatenstich an der A26-West
Argument der Autobahn-Gegner: Die A26 Ost wird überhaupt nicht gebraucht
Vielleicht halten viele Moorburger den Zug auch für abgefahren. Die
A26 West,
von der Hamburger Landesgrenze bis zur A7, wird im „Unterburg“ genannten Teil Moorburgs, jenseits der Waltershofer Straße, bereits unwiderruflich gebaut. Hier gab es nur geringe Widerstände organisierter Umweltschützer. Dabei wären alle Naturschutz-Argumente, die sie nun gegen die A26 Ost ins Feld führen, auf die A26 West viel eher zutreffend gewesen und greifen bei der überwiegend über Spülfelder und Industriebrachen geplanten Hafenautobahn nur bedingt.
Die Moorburgerinnen und Moorburger, die gekommen waren, sind hingegen entschlossen, sich bis zuletzt gegen den Autobahnbau zu stemmen. Bestärkt wurden sie darin unter anderem vom Wilhelmsburger Antiautobahnaktivisten Michael Rothschuh. Er argumentierte unter anderem, dass die A26 Ost überhaupt nicht gebraucht würde, und zwar, weil der Containerumsatz im Hamburger Hafen nicht gewachsen sei, sondern im Gegenteil eher stagniere, wenn nicht sogar schrumpfe.
Von schrumpfenden Hafenumsätzen hört man in Moorburg gern
Von schrumpfenden Hafenumsätzen hört man in Moorburg gern. Die meisten jetzigen Moorburger sind hierhergezogen, nachdem die Alteingesessenen das Dorf vor vier Jahrzehnten verlassen hatten, weil die Stadt plante, auch hier den Hafen zu erweitern und attraktive Entschädigungen zahlte. Ganz vom Tisch sind die Erweiterungspläne immer noch nicht.
„Als man die A26 Ost plante, ging man noch von steigenden Containerumsätzen aus“, sagte Rothschuh. „Das ist aber nicht eingetreten. Außerdem sind mit der neuen Kattwykbrücke, der neuen Rethe-Klappbrücke und durch veränderte Straßenführungen die Verkehrsflüsse im Hafen optimiert worden. Der Druck, eine Autobahn zu bauen, ist also geringer geworden. Gleichzeitig ist die A26 Ost mit ihren Brücken und Tunneln eins der teuersten Autobahnprojekte überhaupt und dem Steuerzahler nicht mehr zu vermitteln.“
Noch haben die beiden großen Umweltverbände NABU und BUND keine Klage eingereicht
Rothschuh schlug vor, sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Autobahn zunutze zu machen. „Der Bundesrechnungshof könnte unser stärkster Verbündeter werden“, sagte er.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss. Die Frist dafür läuft in wenigen Tagen ab. Noch haben die beiden großen Umweltverbände NABU und BUND keine Klage eingereicht. „Wir sind noch dabei zu prüfen, ob die Planer unsere Einwände ausreichend berücksichtigt haben“, erklärte die Hamburger BUND-Vorsitzende Sabine Sommer, „denn nur, wenn sie nicht berücksichtigt wurden, hat eine Klage Aussicht auf Erfolg.“
„Das Problem ist, dass wir als Naturschutzverbände lediglich anhand konkreter Naturschutzbelange klagen können und nicht etwa, weil wir Autobahnen generell für umweltschädlich halten“, ergänzte Sommers Pendant, der Hamburger NABU-Vorsitzende Malte Siegert. „Und da müssen unsere Juristen immer noch prüfen, ob uns der Planfeststellungsbeschluss eine rechtliche Angriffsfläche bietet und ob wir gute Erfolgsaussichten haben.“ Zuversichtlich klang Siegert nicht.
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Die Eimsbütteler Verkehrswende-Podcasterin Katja Diehl versuchte, den Moorburgern wieder Mut zu machen. „Der Protest muss auf der politischen Ebene stattfinden und dafür muss man auch Zeit gewinnen“, sagte sie. „Seid kreativ! Importiert Lurche und Kröten und siedelt sie an der Strecke an!“
Eine Aktionsform fiel den Anwesenden schon ein: In diesen Tagen informiert die Autobahn-Planungsgesellschaft DEGES mit einer „Info-Tournee“ über die geplante A26 Ost durch den Hamburger Süden. Die Autobahngegner wollen möglichst viele dieser Veranstaltungen besuchen und ihre Argumente vorbringen.