Harburg. Hätten die Tumulte in der Silvesternacht am Harburger Ring und in Hausbruch verhindert werden können? Die Debatte darüber beginnt.
Was geschah in der Silvesternacht am Harburger Ring und in Hausbruch? Hätten die Tumulte, die von Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte begleitet waren, verhindert werden können? Und wenn ja, wie? Diese Fragen werden die Debatte in der Harburger Bezirksversammlung am Dienstagabend bestimmen. Zweieinhalb Parteien – die Fraktionen der SPD und der CDU sowie die aus ihrer Fraktion ausgeschlossenen AfD-Abgeordneten Arft und Bischoff – wollen Aufklärung. Zumindest den Volksparteien SPD und CDU ist dabei klar: Einfache Antworten wird es nicht geben.
„Trotzdem oder gerade deswegen müssen wir die Debatte zügig führen“, sagt Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD, „denn schon jetzt bekommt sie einen falschen Zungenschlag, indem hauptsächlich darüber diskutiert wird, ob die Täter einen Migrationshintergrund haben, oder nicht.“
Silvesterkrawalle an sich seien kein neues Phänomen, sagt Frank Richter
Richter, Jurist und Kriminologe, sieht die Ursachen nicht primär in der Herkunft der Täter: „Solche Phänomene haben wir hauptsächlich dort, wo junge Männer zwischen 17 und 21 Jahren in Gruppen zusammenkommen. Ob in der Hooligan-Szene, bei politischen Extremisten oder eben in der Silvesternacht: Unabhängig von der ethnischen Herkunft sind es die jungen Männer mit Testosteronüberschuss, die in der Sicherheit der großen Gruppen und im Drang, sich in der Gruppe zu profilieren, so ein Verhalten an den Tag legen. Das ist kein neues Phänomen. Deshalb muss man sich auch fragen, ob man darauf nicht hätte vorbereitet sein können, zumal es in diesem und im vorigen Jahr bereits zu Halloween am Harburger Ring ähnliche Szenen gegeben hat.“
Neu und sehr bedenklich seien die Angriffe auf Feuerwehrleute und Rettungskräfte, wie am Stubbenhof in Hausbruch. „So eine Verrohung hat es zuvor nicht gegeben“, sagt Richter, „aber auch diese ist quer durch die Republik und die Gesellschaftsschichten zu beobachten, und sie ist nicht hinzunehmen. Wichtig ist dabei eine schnelle Reaktion, sonst haben Strafen bei jungen Männern keinen erzieherischen Effekt, weil sie später den Bezug der Bestrafung zur Tat gar nicht mehr herstellen.“
Erst unter Polizeischutz konnte der Löschtrupp die Brände bekämpfen
In Hausbruch wurde die Feuerwehr in der Silversternacht daran gehindert, brennende Müllcontainer zu löschen. Erst unter Polizeischutz konnte der Löschtrupp die Brände bekämpfen, und selbst dabei wurden die Feuerwehrleute noch mit Feuerwerkskörpern beworfen und beschossen.
„Es handelt sich hier um freiwillige Feuerwehrleute“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU, „die jetzt überlegen, ob sie in bestimmte Straßen überhaupt noch ausrücken können. Sie leben alle selbst im Stadtteil, sie tragen Namensschilder an der Einsatzkleidung und fürchten Angriffe auf sich und ihre Familien, wenn solche Konflikte erneut auftreten.“
Zur Bereitschaft, dieses Ehrenamt zu wählen, trügen solche Ereignisse nicht bei
Zwar können – und wollen – auch freiwillige Feuerwehrleute sich nicht aussuchen, wohin sie ausrücken, sondern höchstens vor Ort den Eigenschutz vor der Hilfeleistung priorisieren. Aber zur Bereitschaft, dieses Ehrenamt zu wählen, trügen solche Ereignisse nicht bei, so Fischer.
Im Umgang mit den Ereignissen seien nicht allein schnelle Reaktionen wichtig, so Frank Richter: „Wir brauchen sinnvolle Lösungsansätze, um zukünftig derartige Vorfälle zu verhindern. Deshalb wollen wir erfahren, mit welchen Maßnahmen zum einen die Polizei präventiv und repressiv derartige Vorfälle verhindern kann und welche präventiven Möglichkeiten der Bezirk im Rahmen der sozialen Arbeit vor Ort sieht.“
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Silvesterkrawalle: Die CDU möchte die Berichte in einer Sondersitzung hören
Bezirk, Feuerwehr und Polizei, so die jeweiligen Anträge von SPD und CDU, sollen im Hauptausschuss der Bezirksversammlung berichten. Die SPD möchte die Berichte in einer regulären, die CDU in einer Sondersitzung des Hauptausschusses hören. „Das Thema ist so umfangreich, dass es eine normale Sitzung sprengen würde“, begründet Ralf-Dieter Fischer den Wunsch nach einer Sondersitzung.
Mit dem Wegfall der Corona-Beschränkungen ab Februar ist die Bezirksversammlung am Dienstag um 17.30 Uhr wohl die letzte, die im Bürgerzentrum Feuervogel an der Baererstraße stattfindet. Danach soll wieder im Rathaus getagt werden.