Harburg. Eine interkulturelle Tragikomödie bildet den Auftakt der regulären Spielzeit 2022/23. Bewährte Besetzung und Inszenierung.
Nach dem furiosen Auftakt mit der Aufführung des Musicals „Hair“ Anfang Oktober startet das Harburger Theater am Donnerstag, 27. Oktober, endgültig in die reguläre Spielzeit. „Der koschere Himmel“ hat Harburg-Premiere. Der Dreiakter von Lothar Schöne basiert auf seinem Roman „Das jüdische Begräbnis“, der es 1998 in die Bestsellerlisten schaffte.
Die Titel von Stück und Vorlage und die Tatsache, dass hier ein Dreiakter gegeben wird, verraten schon viel. Dreiakter sind in der Regel tempobetonte Komödien in der Abfolge „Komplexe Lage – komplettes Chaos – komische Auflösung“. Die Titel verraten, dass jemand gestorben ist, der dem jüdischen Kulturkreis angehört und nun erst unter die Erde und dann in den Himmel kommen soll.
Bernhard muss ungewöhnliche Wünsche seiner verstorbenen Mutter erfüllen
In diesem Fall ist es eine sie namens Rosa, die verstorben ist. Ihr Sohn Bernhard (Markus Majowski) muss sie bestatten lassen. Das ist in Deutschland schon kompliziert genug, aber als Jüdin hat Rosa den Wunsch gehabt, nach jüdischem Ritus begraben zu werden. Auch dafür gibt es hierzulande bewährte Abläufe und Prozeduren, doch es gibt ein weiteres Aber: Rosas Wille ist, neben ihrem schon länger von dieser Welt gegangenen Mann begraben zu werden.
Der war Christ und liegt auf dem Kirchhof. Natürlich möchte der Sohn seiner Mutter diesen Wunsch erfüllen – doch das ist gar nicht so einfach. Denn einem Rabbiner ist es verboten, auf einem christlichen Friedhof zu bestatten, und einem Pfarrer ist es untersagt, einen jüdischen Ritus vorzunehmen.
Was also tun? Bernhard weiß keinen Rat. Der aus Tel Aviv angereiste Bruder Fred (Franz-Joseph Dieken) und seine Frau Tova (Helen Schneider) tragen auch nicht zur Lösung bei. Und Bernhards Verlobte Jutta (Antje Otterson) fühlt sich von der orthodoxen Tova schnell überfordert.
Das jüdische Begräbnis wird zum Wettlauf gegen die Zeit
Das Begräbnis wird zum Wettlauf gegen die Zeit, denn nach jüdischer Auffassung muss ein Verstorbener unverzüglich unter die Erde. Eher gegen- als miteinander versuchen Bernhard, Fred und ihre Frauen, das Problem zu lösen. Ein mischt sich auch noch ein palästinensischer Kioskbesitzer, der die Sache nicht einfacher macht – jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
Nach vier turbulenten Tagen, in denen sich Rosa persönlich als Stimme aus dem Off (auf Band gesprochen von Corinna Harfouch) einbringt; die Vergangenheit – Rosas Mann versteckte sie einst vor den Nazis – aufblitzt und die Protagonisten sich mitunter mit Paradoxien, wie „Ein Jude macht aus einem Problem einen Witz, der Deutsche aus einem Witz ein Problem“ retten, in denen bizarre und hintersinnige Treffen in Begräbnisinstituten, auf Friedhöfen, mit Rabbis, Priestern und dem Palästinenser stattfinden, lösen sie schließlich den absurden Konflikt.
Ensemble spielte das Stück vergangenen Saison in den Hamburger Kammerspielen
Kann so ein Stück funktionieren? Ja. Das bewies das Ensemble in der vergangenen Saison bereits in den Hamburger Kammerspielen. Schon die Hauptrollen sind mit Schneider, Otterson, Majowski und Dieken hochrangig besetzt und alle anderen Rollen – stolze 14 – werden von zwei Nachwuchstalenten verkörpert, von denen Regisseur Sewan Latchinian begeistert ist: „Es ist eine Freude, Raika Nicolai und Riccardo Ferreira anzusehen. Die beiden beenden derzeit ihr Schauspielstudium an der Hochschule für bildende Künste und schreiben bereits Bewerbungen – hoffentlich auch an uns.“
Interkulturelle Verwicklungen und Fettnäpfchen sollten Harburgern nicht fremd sein. Und wer im Vorweg Fragen zum Stück hat, kann sie am morgigen Sonntag loswerden: Regisseur Latchinian lädt zu einer Matineeveranstaltung ins Theater. Von 11.30 Uhr an erzählt er in lockerer Atmosphäre Wissenswertes über die Tragikomödie und lässt sich gern löchern. Kaffee gibt es auch, der Eintritt ist frei.
„Der koschere Himmel“; 27. bis 30. Oktober und 2. bis 5. November; Harburger Theater. Karten von 20 bis 38 Euro