Hamburg. Der BUND erklärt in Wilhelmsburg, wie die Wiederentdeckung der Sense Natur und Tiere schützt.

Auf einem Spaziergang durch die grünen Parkanlagen im Wilhelmsburger Inselpark kann es an manchen Tagen im Jahr dazu kommen, dass in der Ferne das leise, rhythmische Schlagen eines Hammers auf einen Amboss zu hören ist. Der mögliche Ersteindruck, sich in das falsche Jahrhundert verirrt zu haben, trügt jedoch. Wenn man dann durch das von hohen Hecken umgebene Eingangstor des Naturerlebnisgartens vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) schreitet, kann man nämlich Christian Heinisch entdecken, der auf seinem selbstgebauten Dengel-Bock sitzt und mit gekonnten Hammerschlägen das Blatt einer Sense bearbeitet.

Das sogenannte Dengeln – das Ausdünnen, Verdichten und Schärfen des Sensen-Blattes durch präzise Hammerschläge – ist nur einer der vielen Arbeitsschritte, die Heinisch an diesem Nachmittag den Teilnehmern seines dreistündigen Sensen-Kurses mit viel Hingabe und Fachwissen erläutert. Er selbst ist professioneller Landschafts- und Obstgehölzpfleger und vermittelt in Seminaren regelmäßig sein Wissen über nachhaltige und langfristige Pflege von artenreichen Wiesen: „Es ist eine schöne Sache, mit Menschen zusammenzukommen und mein Wissen über die Wiesenpflege weiterzugeben. Ich mache das aus Überzeugung“, sagt er.

Die Kurse, die vom BUND im Verlauf des Jahres organisiert werden, sollen den Menschen Wissen über Umwelt- und Naturschutz vermitteln.

Kurs in Wilhelmsburg über das Sensen

In der anfänglichen Gesprächsrunde verteilt Bernhard Vogt, Projektleiter des Naturerlebnisgartens, garteneigene Äpfel an die Teilnehmer und erinnert sich an seine ersten Berührungen mit dem traditionellen Handwerk: „Das Sensen lernt man beim Sensen. Mit einer guten, scharfen Sense an einem schönen Morgen.“ Schnell ist zu merken, dass das alte Werkzeug auch eine romantische und geschichtsträchtige Seite hat. Viele Leute könnten sich noch daran erinnern, dass ihr Opa damals auch mit einer Sense gearbeitet habe, erklärt Heinisch.

Christian Heinisch erklärt Kursteilnehmern, was zu tun ist.
Christian Heinisch erklärt Kursteilnehmern, was zu tun ist. © HA | Timo Strohschnieder

Im ersten Teil des Kurses erläutert Landschaftspfleger Heinisch – der auch schon für die Stiftung Deutscher Wald und den NABU tätig war – aus welchen Teilen die Sense im Einzelnen besteht und was es bei der Vorbereitung fürs Mähen zu beachten gilt. Zwischen Sicherheitshinweisen und Anekdoten wird schnell klar, dass Heinisch sich auskennt: Welches Blatt bei welcher Art von Wiese am besten funktioniert, wie sich die Jahreszeit auf die Beschaffenheit der Wiese auswirkt und wie oft der Wetzstein gezückt werden sollte, um die Klinge stets scharf zu halten.

„Die Technik an sich ist sehr alt"

Zu dieser Jahreszeit, kurz nach dem astronomischen Herbstbeginn, ist die Wiese trocken. Der Sommer war heiß und es ragt viel Gehölz aus dem Boden. Unter fachmännischer Aufsicht werden die Sensenblätter am Baum – gemeint ist der Metall- oder Holzstamm der Sense – befestigt. Dann geht es für die Kursteilnehmer an die Arbeit. Im Gänsemarsch – jeder mit einer Sense in der Hand – gibt das schon ein skurriles Bild ab. Während munter drauf losgemäht wird, läuft Heinisch von Teilnehmer zu Teilnehmer und gibt praktische Tipps und technische Hilfestellung.

„Die Technik an sich ist sehr alt und aus handwerklicher Sicht nicht mehr verbesserbar“, so Heinisch. Nur der richtige Umgang müsse erlernt werden. Auch das Schärfen des Blattes mit dem Wetzstein wird geübt – neben dem Dengeln ein wichtiger Bestandteil der Gerätepflege.

Vor dem Sensen kommt das Dengeln. Auch diese alte Technik zeigt Heinisch im Inselpark.
Vor dem Sensen kommt das Dengeln. Auch diese alte Technik zeigt Heinisch im Inselpark. © HA | BUND Hamburg

Nach getaner Arbeit wird es dann noch mal besonders interessant, denn gerade in Sachen Natur- und Artenschutz bleibt das Mähen mit der Sense die umweltfreundlichste Art der Bewirtschaftung: Bei kommerziell für die Tierfuttererzeugung genutzten Wiesen würden durch das Mähen mit dem Kreiselmäher 60 Prozent der Insekten getötet, bei zusätzlicher Nutzung eines Aufbereiters sogar 80 Prozent, so Heinisch. Das zusätzliche Düngen der Wiesen mit Gülle und Silage sorgt dafür, dass das Verhältnis von Gräsern zu Kräutern immer stärker in Schieflage gerät.

Auch Privatleute entdecken die Sense für sich

„Auf modernen Wiesen gibt es fast nur noch Gräser. Die Insekten brauchen aber diese Kräuter, weil sie Nektar und Pollen enthalten“, erklärt der Experte. Beim Mähen mit der Sense werden demnach nur 10 Prozent der Insekten getötet. Zusätzlich können sich die Kräuter und Pflanzen auf der Wiese schneller erholen, da sie nicht wie beim Kreiseldrescher in lauter kleine Teile zerfetzt werden. Wer also artenreiche Wiesen erhalten möchte, sollte öfter zur Sense greifen.

Ein solcher Trend zeige sich auf behördlich gepflegten Wiesen. Heinisch: „Die Bereitschaft, Wiesen mit der Sense zu mähen wird immer größer.“ Aber auch Privatleute können das alte Handwerk für sich nutzen: „Für Blütenwiesen reicht schon eine Fläche von 100 Quadratmetern. Die kann man dann zweimal jährlich sensen, um eine artenreiche Wiese zu erhalten.“

Kurs in Wilhelmsburg: Fokus liegt auf Naturbildung

Wenn Verbraucher sich durch ihre Kaufkraft für den Erhalt dieser Wiesen einsetzen wollen, könnten sie dies durch den Erwerb von Rohmilchprodukten anstelle von normalen Milchprodukten erreichen, da das Futter dieser Tiere hauptsächlich mithilfe nachhaltiger Methoden wie dem Sensen hergestellt wird.

Mit Sensen in der Hand warten die Kursteilnehmer auf ihre ersten Schwünge.Timo Strohschnieder.
Mit Sensen in der Hand warten die Kursteilnehmer auf ihre ersten Schwünge.Timo Strohschnieder. © HA | Timo Strohschnieder

Heinisch gibt seine Sensen-Kurse im Naturerlebnisgarten seit fünf Jahren. Auch wenn der heutige Workshop für diese Saison den Abschluss beim Thema „Sensen, Mähen, Dengeln“ bildet, bleibt der Garten noch bis in den Oktober hinein für Besucher geöffnet. „Dienstags ist Gartentag, da kann jeder vorbeikommen und sich unterhalten sowie mithelfen“, so Vogt. Im Frühling geht es weiter: Ab März finden wieder Kurse statt, beispielsweise Kräuterführungen und andere umweltpädagogische Projekte.

Der Fokus des Projekts liegt auf der Naturbildung in jeglicher Hinsicht. Während es auch immer wieder Kurse für Erwachsene gibt, haben die speziellen pädagogischen Programme für Kinder und Jugendliche einen besonderen Stellenwert.