Harburg. Gebäude des Fraunhofer-Center am Lotsekanal feierlich eingeweiht. Rund 100 Mitarbeiter ziehen hier ein.
Lob von oberster Stelle: Der Neubau sei „ein Leuchtturm für den Innovationsstandort Harburger Binnenhafen, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) anlässlich der Einweihung des Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) an der Blohmstraße 32 und am Lotsekanal. Das Center leiste Pionierarbeit für Seeschifffahrt, Hafenwirtschaft und maritime Industrie.
„Die wasserseitige Testumgebung ist ein Traum“, sagte Prof. Carlos Jahn, der das Center seit dessen Gründung im Jahr 2010 leitet. Bislang war es auf dem Schwarzenberg-Campus der Technischen Universität Hamburg beheimatet, getestet wurde in einem See bei Hemmoor (Landkreis Cuxhaven) oder im Hamburger Hafen. Jetzt sind es nur wenige Schritte bis zu den maritimen Praxistests. Der See kommt nur noch zum Zuge, wenn gute Sicht in kristallklarem Wasser erforderlich ist.
Binnenhafen: Grundstein für das Forschungsgebäude vor gut drei Jahren gelegt
Vor gut drei Jahren wurde der Grundstein für das Forschungsgebäude gelegt, jetzt kehrt Leben in das neungeschossige Backsteingebäude ein. 2400 Quadratmeter (m2) Büro-, Labor- und Werkstattflächen bieten rund 100 Arbeitsplätze. Dazu Veranstaltungsräume und Technikhalle mit Zugang zum Forschungsponton auf dem Kaufhauskanal. Die Wasserlage bietet Möglichkeiten von Praxistests etwa im Rahmen der Entwicklungsarbeiten von autonom fahrenden Schiffen oder zum Einsatz von Unterwasserdrohnen. In den Laborbereichen geht es unter anderem um Hafentechnik, Wasserstofflogistik, Schiffsführung von Land aus mit Hilfe von simulierten Schiffsbrücken und allgemein die Kommunikation zwischen Schiffen und Landstationen.
Bereits im Einsatz ist die von CML-Informatikern entwickelte Software SCEDAS, die die Personalplanung bei Reedereien in Bezug auf Effizienz und Genauigkeit unterstützt. Die mathematische Optimierung ermöglicht es Crewplanern, hochdetaillierte Zeitpläne für die Seeleute aufzusetzen. Ein weiteres Produkt der CML-Forscher ist die MESU-Box. Hier geht es um Messtechnik für die bei der Schifffahrt entstehenden Emissionen. Die hochsensible Sensorik misst Stickstoff- und Schwefelemissionen eines bestimmten Schiffes und kann gleichzeitig die Emissionen von anderen, in der Nähe befindlichen Schiffen erfassen. Beide Produkte stellen die Fraunhofer-Forscher kommende Woche auf der Hamburger Schifffahrtsmesse SMM vor.
Forschungsboot „SeaLion“ wird dort zu sehen sein
Auch das Forschungsboot „SeaLion“ wird dort zu sehen sein. Der kleine Katamaran hatte gestern bei der Einweihung seinen großen Auftritt, setzte ein autonomes Unterwasserfahrzeug ins Wasser. Auf allen neun Stockwerken präsentierten sich die unterschiedlichen Forschungsgruppen. Alle arbeiten an technischen Lösungen im Bereich der Hafenprozesse und -planung, der digitalen Schiffsführung und der dazu gehörigen Kommunikationskanäle. Ein wichtiger Punkt ist die Vorbereitung von Anwendungssoftware auf den nächsten großen digitalen Entwicklungsschritt, den Quantencomputer. Er ist weit leistungsfähiger als die besten heutigen Hochleistungscomputer und Voraussetzung dafür, die riesigen Datenmengen eines digitalisierten Hafens und Schiffsverkehrs bewältigen zu können.
Bislang haben die Forscher auf dem Schwarzenberg-Campus der Technischen Universität Hamburg (TUHH) gearbeitet. In beiden wachsenden Institutionen wurde die Raumnot immer größer – zumindest beim CML ist sie nun behoben. „Es ist für uns eine große Freude, dieses neue Gebäude im Binnenhafen zu sehen“, sagte Prof. Andreas Timm-Giel, Präsident der TUHH. Und wendete sich direkt an den CML-Chef Jahn: „Ihr seid nicht weg von uns, lieber Carlos, wir sind schon hier und kommen verstärkt hinterher.“ Dabei spielt Timm-Giel auf die Absicht der TUHH an, ihre weiteres Wachstum in neuen Räumlichkeiten im Binnenhafen zu realisieren.
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Binnenhafen: Optisch erinnert der Backsteinbau an ein steinernes Schiff
Auch die wissenschaftliche Partnerschaft werde weitergehen: „Die CML-Themen passen sehr gut zu uns.“ Technische Universitäten und Fraunhofer Forschungseinrichtungen seien das Bindeglied zwischen gesellschaftlichen Herausforderungen und die Anwendung von neuen Lösungen, so Timm-Giel.
Optisch erinnert der Backsteinbau an ein steinernes Schiff – ein Ozeanriese im Binnenhafen. Das Gebäude durfte etwas größer werden, als zunächst vorgesehen war. Denn bis 2016 sollte die heutige Fischhalle Harburg abgerissen und Teil der Baufläche werden. Dank des Engagements vom Investor Werner Pfeifer wurde die Halle statt dessen zu einem kleinen Kulturzentrum. Als Ausgleich für das kleinere Grundstück (11.500 m2) durfte das CML höher gebaut werden.