Harburg. Die tägliche Fahrt über die Elbe ist für Pendler eine wahre Odyssee. Harburger Politiker fordern weitere Maßnahmen.
Die Rechnung ist einfach: Wenn die S-Bahn fährt, wie sie soll, befördert sie zwischen Harburg und Hamburg in der Hauptverkehrszeit 15.000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung – und zumindest zwischen Veddel und Hammerbrook, dem meistbelasteten S-Bahn-Abschnitt in ganz Deutschland, wird auch jeder Platz in der Bahn benötigt. Das gegenwärtige Ersatzangebot nach dem Brand an der Station Elbbrücken mit dem Pendelzug im 20-Minutentakt und einem Ersatzbus alle 10 Minuten bringt es auf eine maximale Fahrgastkapazität von 5250 pro Stunde und Richtung. 9750 Menschen müssen sich Alternativen suchen.
Fahren sie ab Harburg, dürfen sie auf die Restplätze in sieben Regional- und vier Fernzügen – das wäre im Bespielzeitraum 8 bis 9 Uhr – zugreifen. Fahren sie von anderen Stationen, haben sie diese Möglichkeit nicht.
Ab Montag soll sich das Angebot verbessern
Ab Montag soll sich das Angebot immerhin etwas verbessern: Die Zahl der Pendelbusse zwischen Wilhelmsburg und der U-Bahnstation Elbbrücken wird verdoppelt. So kommen 750 Plätze hinzu. Außerdem werden alle regulären Buslinien über die Elbbrücken verstärkt – um wie viel, sagt der HVV nicht. Die Metrobuslinie 13 von der S-Bahn Veddel zur U-Bahnstation Elbbrücken wird verlängert und die Regionalbahn 5 aus Cuxhaven hält zusätzlich in Neugraben. Harburger Politiker bezweifeln, dass dies ausreicht. Sie fordern weitere Verbesserungen und haben dafür auch konkrete Vorschläge.
„Es ist ein reines Chaos und die tägliche Fahrt über die Elbe ist für Pendlerinnen und Pendler eine Odyssee“, sagt die Harburger SPD-Kreisvorsitzende Okşan Karakus. „Derzeit muss für Strecken von eigentlich 30 Minuten eine Fahrtzeit von bis zu drei Stunden eingeplant werden. Verspätungen bei der Arbeit sind bereits eingeplant, es stellt sich die Frage, wie lange Arbeitgeber das noch mitmachen. Abmahnungen und Rügen sind daher schon vorprogrammiert!“
Karakus fordert die Einrichtung einer Expressbuslinie zwischen Harburg und dem Hauptbahnhof oder aber dem Bahnhof Berliner Tor. Diese sollte überall, wo es keine Busspur gibt, eine eigene Busspur eingeräumt bekommen.
Intelligente Busspuren schaffen, die im Bedarfsfall den Ersatzbussen vorbehalten sind
Ähnlich sieht eine Forderung des SPD-Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi aus: „Der Lkw-Brand ist jetzt zwar etwas Besonderes, weil die Sperrung so lange dauert, aber auch ansonsten ist die S-Bahn-Strecke ja sehr störungsanfällig“, sagt er. „Wir sollten also viel besser auf Schienenersatzverkehr vorbereitet sein und intelligente Busspuren schaffen, die im Bedarfsfall den Ersatzbussen vorbehalten sind. Dann kann man die Ersatzverkehre auch bis zum Hauptbahnhof durchfahren lassen, ohne, dass sie im Stau stehen bleiben.“ Der Grünen-Bezirkspolitiker Michael Sander gibt zerknirscht zu, dass er – obwohl er dies als Verfechter der Verkehrswende kaum einmal tut – seit einigen Tagen mit dem Auto zur Arbeit in Bramfeld pendelt, nachdem er einmal den Ersatzverkehr ausprobiert hatte. „Es dauerte jeweils Stunden“, beklagt er. „Auf dem Rückweg hatte meine U-Bahn am Bahnhof Elbbrücken keinen Anschluss mehr an den Schienenersatzverkehr und ich musste auf den Nachtbus warten!“
Sander, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses der Bezirksversammlung, hat einen Vorschlag, wie die Kapazität des Ersatzverkehrs erhöht werden kann: „Derzeit fallen im südlichen Umland viele Regionalzüge aus, weil in Niedersachsen Baustellen an den Strecken sind“, sagt er. „Die Züge sind ja aber vorhanden. Man könnte sie in Harburg einsetzen und zum Hauptbahnhof pendeln lassen.“
Diese Idee äußert unabhängig von Sander auch Frank Wiesner, Verkehrsexperte der SPD-Bezirksfraktion. Er hat noch einen weiteren Vorschlag: „Eine Expressbuslinie zwischen Neugraben und Altona ließe sich schnell umsetzen und würde Druck von der Strecke über die Elbbrücken nehmen“, sagt er. „Die Bezirksversammlung hat so eine Linie auch schon einmal gefordert, aber das hat der Verkehrssenator abgelehnt. Jetzt wäre es an der Zeit, die Bedenken zu überdenken.“
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Ersatzverkehre sehr schlecht kommuniziert
Wiesner und Sander kritisieren auch, dass die Ersatzverkehre sehr schlecht kommuniziert würden und die Fahrgäste die Haltestellen der Ersatzbusse nicht finden – ein klassisches Problem bei S-Bahn-Ersatzverkehr. Zumindest da soll sich etwas tun: „Reisendenlenker“ – Studenten und Wachleute mit Signalwesten – sollen den Pendlern den Weg zur Umstiegshaltestelle weisen.
„Viel mehr, als derzeit geboten wird, kann man nicht machen“, sagt der CDU-Bezirksabgeordnete Rainer Bliefernicht. „In Zukunft brauchen wir eine zweite schienengebundene Elbquerung, das sieht man jetzt einmal wieder. Leider wird das in Hamburg nicht angegangen.“
„Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner hatten wir bereits im Jahr 2020 beantragt, dass die Machbarkeitsstudie für die U4 eine Trasse bis nach Harburg beinhalten soll“, sagt Frank Richter, Bezirksfraktionsvorsitzender der SPD. „Die Verkehrsbehörde antwortete, dass nur der Abschnitt in Wilhelmsburg betrachtet werden soll und eine Fortsetzung nach Harburg nur eine langfristige Option darstellt. Das gegenwärtige Ereignis zeigt noch einmal, dass die Verlängerung der U4 keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist.“