Harburg/Sammatz. Im Wendland will Michaelshof 106-Betten-Haus bauen. Projekt erregt Widerstand im Dorf, der von ungewöhnlicher Seite unterstützt wird.
Wenn Franziska Wedemann am Wochenende Zeit hat, fährt die Unternehmerin gern mit Deutsch-Drahthaar-Hündin Grille ins Wendland. Die Inhaberin der Harburger Großbäckerei Backhaus Wedemann hat dort gemeinsam mit ihrem Mann seit 2005 eine Jagd gepachtet. 180 Hektar Wald und Feld in unmittelbarer Nachbarschaft des kleinen Dorfes Sammatz. Eine Hasenidylle in den Elbtalauen.
Doch ausgerechnet diese Idylle bröckelt. Weil immer mehr Menschen an den Wochenenden nach Sammatz kommen. Sie kommen, um den Michaelshof zu besuchen, eine internationale Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die sich für nachhaltiges Wirtschaften und Naturschutz einsetzt und gern Gäste daran teilnehmen lässt. Unter dem Dach des Vereins gibt es ein Café, einen Hofladen, alte Haustierrassen, einen Waldsee und eine große Gartenanlage. Es gibt Seminare und eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung mit 34 Plätzen. Etwa 250 Menschen sind nach eigenen Angaben in der Einrichtung aktiv, darunter 110 Mitarbeiter aus 20 Nationen sowie 50 Volunteers, Freiwillige aus aller Welt, die über das Programm „Work and Travel“ nach Sammatz kommen.
Harburger Unternehmerin unterstützt Bürgerinitiative im Dorf
Bislang gab es ein friedliches Nebeneinander von Jagdpächtern, Dorfbewohnern und der „Sammatzer Arbeits- und Lebensgemeinschaft“ (SAL). Doch seitdem an den Wochenenden immer mehr Gäste nach Sammatz kommen, Dorfstraße zugeparkt ist und der Ort einem Rummelplatz gleicht, rumort es in dem kleinen Dorf. Das Fass zum Überlaufen brachten die Pläne für den Bau eines Hotels mit 106 Betten, einem kleinen Therapeutikum, Laden und Fitnessraum.
Gegen diese Pläne hat sich eine Bürgerinitiative formiert, die unter anderem Franziska Wedemann um Unterstützung bat. „Wir sind der Auffassung, dass Sammatz nicht mehr Tourismus verträgt“, sagt die Harburger Unternehmerin. „Schon jetzt ist das Dorf am Limit.“ Darüber hinaus sehen die Mitstreiter der Bürgerinitiative das Geschäftsgebaren der SAL überaus kritisch, monieren, dass sich die Michaelshof-Betreiber bei ihren Projekten nicht an Recht und Gesetz halten.
Vorwurf: Betreiber verstoßen gegen bestehende Auflagen
Bereits in der Vergangenheit hatten diese mehrfach gegen bestehende Auflagen verstoßen. So wandelten sie unter anderem eine ehemalige Kieskuhle zu einem Waldsee um, verstießen dabei jedoch gegen bau- und naturschutzrechtliche Genehmigungsauflagen. Sie pflanzten unerlaubt massenweise nichtheimische Blumen und bedienten im Hofcafé mehr als 300 Besucher zeitgleich, obwohl der Betrieb nur 48 Gäste zuließ.
Verstöße, die Franziska Wedemann auch in ihrer Rolle als Unternehmerin nicht akzeptieren kann. Die Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden beschäftigt in ihrer Großbäckerei am Großmoorbogen rund 100 Mitarbeiter. Es ist für sie selbstverständlich, sich an geltende Richtlinien zu halten. Umso mehr ärgert sie sich darüber, dass sich in Sammatz ein Unternehmen weiterentwickeln dürfe, dass vorsätzlich Vorgaben missachte, alle Genehmigungsspielräume überschreite und die Dorfbewohner immer wieder vor vollendete Tatsachen stelle.
Auch Lüneburger Unternehmer unterstützt den Widerstand
„Es ist immer das gleiche Schema in Sammatz. Erst werden Tatsachen geschaffen, die gegen die Auflagen verstoßen. Anschließend werden diese von der Verwaltung im Nachhinein genehmigt.“ Die SAL spricht von „Versehen“. Franziska Wedemann schüttelt den Kopf: „Ordnungswidrigkeiten und Rechtsverstöße aus Versehen kommen ein- oder zweimal vor. Danach weiß man, wie es geht oder man bricht das Recht mit Vorsatz.“
Unterstützung bekommt Wedemann vom Lüneburger Unternehmer Detlef Mennerich, der in Sammatz Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Flächen ist. Auch er bezeichnet das Verhalten der SAL als „problematisch“. „Man hält sich hier nicht an die üblichen rechtlichen Regeln“, sagt Detlef Mennerich. Er habe das mehrfach erlebt. „Als die Michaelshofbetreiber ihre neue Solaranlage und das Blockheizkrafwerk mit dem Stromnetz verbinden wollten, haben sie Kabel einfach auf meinem Acker eingebuddelt, ohne mich vorher zu informieren.“ Nach dem Vorfall hatte der Michaelshof eine bußgeldbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben. Dennoch: „Gut ein Jahr später stand plötzlich ein großes Hinweisschild für Parkplätze auf meinem Feld“, so Mennerich. „Auch darüber hat keiner mit mir gesprochen.“
Jägerin befürchtet massive Eingriffe in ihr Revier
Für Franziska Wedemann hat ihr Einsatz gegen die Hotelpläne des Michaelshofs aber auch einen persönlichen Hintergrund. Als Jägerin befürchtet sie massive Eingriffe in ihr Revier. „Die Menschen, die hier Urlaub machen werden, wollen etwas erleben“, sagt sie. „Es gibt hier aber keine Freizeitattraktionen, nicht einmal einen offiziellen Rundwanderweg. Alles, was es gibt, ist der Wald.“ Der B-Plan sehe für das Dorf kein Hotel, das Raumordnungsprogramm für Sammatz keine touristische Entwicklung vor. „Das wird seinen Grund haben“, so Wedemann.
Für die Betreiber des Michaelshofes ist die Unternehmerin aus Hamburg inzwischen zum Feindbild geworden. „Wir bezweifeln, dass Frau Wedemann an einer sachlichen Lösung interessiert ist“, sagt Johann-Michael Ginther, Mitglied der SAL. „Sie drohte uns mit einer Schmutzkampagne, wenn wir nicht schriftlich versichern, nicht weiter zu wachsen.“ Beweisen kann er das nicht.
Betreiber des Michaelshofes sprechen von Schmutzkampagne
Allerdings erschienen im Zuge des Streits in der regionalen Tageszeitung mehrere sehr einseitige Berichte, die das Hotelprojekt gefährdeten. Gegen die Berichterstattung und die aus Sicht der SAL „unwahren Behauptungen“ setzte sich diese zur Wehr. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg untersagte daraufhin die Verbreitung. Umgekehrt nutze die SAL eine Wahlpublikation ihrer eigenen Wählergemeinschaft „Kali Eco“, um Franziska Wedemann und Detlef Mennerich, unter Verstoß gegen das niedersächsische Presserecht, heftig zu diskreditieren.
„Es muss doch möglich sein, in dem Dorf ein kleines Hotel zu bauen, zumal die Nachfrage da ist“, findet Ginther. „Wir haben 50.000 Tagesgäste pro Jahr. Sie kommen aus Hamburg Hannover, Berlin. Viele würden gern länger als nur einen Tag bleiben.“ Franziska Wedemann hat nachgerechnet. „50.000 Besucher pro Jahr bedeuten 1000 Besucher pro Wochenende. Und das in einem Rundlingsdorf mit vormals genau vier Hofstellen.“ Auch das Hotel sei kein „kleines“. „Mit 106 Betten wäre es das bettenstärkste Haus zwischen Reinstorf und Hitzacker“, so die Unternehmerin.
Hamburger Wochenendhausbesitzer und Hobbyjäger gegen Entwicklung?
Ginther kann das Verhalten der Hamburger Wochenendhausbesitzer und Hobbyjäger nicht verstehen. „Wir setzen uns für ökologische Landwirtschaft und behinderte Kinder ein und tun etwas für die strukturschwache Region Wendland“, sagt er. Verstöße gegen das Baurecht habe es nicht gegeben. „Wir haben lediglich bei der Landschaftsgestaltung des Waldsees und eines weiteren Gartenbereichs einige Natursteinmauern gebaut, die im Landschaftsschutzgebiet nicht erlaubt sind.“ In Übereinkunft mit den Behörden solle die Flächennutzung für diese Bereiche nun angepasst werden. Auch beim Café habe man gehandelt. „Weil der Andrang so groß gewesen ist, hatte wir zunächst ein paar Tische mehr aufgestellt“, sagt Johann-Michael Ginther. Inzwischen seien jedoch 200 Plätze behördlich geduldet. Die Parkplatzsituation habe sich insofern entspannt, als dass ein Parkplatz für 80 PKW geschaffen worden sei.
Wie es in Sammatz weitergehen wird, entscheidet nun die Politik. Dort haben sich im Zuge der jüngsten Kommunalwahlen die Mehrheitsverhältnisse verschoben. Franziska Wedemann und die Bürgerinitiative hoffen, dass damit der stillschweigende Konsens zwischen Politik und Michaelshof ein Ende haben und das Hotelprojekt sachlich und faktenbasiert untersucht wird. Johann Michael Ginther hingegen ist optimistisch, dass die SAL ihre Hotelpläne trotz des Widerstandes zeitnah umsetzen kann. „Wir haben in der Region viel Zuspruch“, sagt er. „Sollten wir unsere Pläne nicht umsetzen dürfen, weil fast ausnahmslos nicht im Dorf wohnhafte Menschen das nicht wollen, wäre das schon ein starkes Stück.“