Wilhelmsburg. Firmeninhaberin Susanna Fiebig und die Loki Schmidt Stiftung zeigen, dass Artenschutz kein Wirtschaftshemmnis sein muss

Wenn Susanna Fiebig über ihr Unternehmen Otto Meyer und Co. spricht, das schwerpunktmäßig Werkzeuge verkauft, dann strahlen ihre Augen. Sie liebt ihren Job und findet die Tatsache, als Frau in einer Männerwelt zu wirtschaften, spannend.

Mit derselben Begeisterung setzt sie sich für die Natur ein. Ginge es nach dem Wunsch der umtriebigen Unternehmerin, so könnten auf jedem Betriebsgelände vielfältige Pflanzenwelten erblühen. Wie das geht, das zeigt sich im Kleinen bei Otto Meyer in Wilhelmsburg und im Großen auf dem Areal des Unternehmens Dockweiler bei Neustadt-Glewe.

Am Mecklenburger Standort steht die Wiege des Projekts

„Als mein Vater für sein Unternehmen Dockweiler vor Jahrzehnten das fünf Hektar große Gelände in Mecklenburg kaufte, tat er dies, um Raum für eine zukünftige Expansion zu haben“, sagt Susanna Fiebig. Vor knapp 50 Jahren hatte ihr Vater Klaus-Dieter Fiebig den 1955 gegründeten Eisenwarenhandel von Bruno Dockweiler übernommen. Heute stellt das Unternehmen hochreine Edelstahlrohre her, hat 450 Mitarbeiter und Niederlassungen an sieben über die Welt verstreuten Standorten. Als Familienholding sind Susanna Fiebig und zwei Schwestern Gesellschafterinnen des Unternehmens.

Am Mecklenburger Standort steht die Wiege des Projekts Kooperation Natur unter Regie der Loki Schmidt Stiftung. „Wir hatten dort einen Gärtner, der es aus eigenem Antrieb mehr als 20 Jahre lang nach ökologischen Gesichtspunkten entwickelt hat“, sagt Fiebig. „Er hat eine Idylle geschaffen. 450 Pflanzenarten sind dort nachgewiesen, ohne Flechten und Moose. Als der Gärtner 2016 in Rente ging, habe ich dafür gekämpft, einen gleichwertigen Nachfolger zu finden. Das war nicht leicht. Denn es gibt leider nicht das Berufsbild des Naturschutzgärtners, also eines naturschutzfachlich ausgebildeten Gärtners. Ich suchte in Hamburg nach Mitstreitern. Und bin bei der Loki Schmidt Stiftung fündig geworden.“

Nicht alle Unternehmen sind begeistert, wenn sich auf ihrem Grundstück seltene Arten ansiedeln. Das gilt erst recht für Flächen, die potenzielles Bauland sind. Es besteht die Furcht, dass aufgrund des Naturschutzes dann strenge Auflagen gelten oder auf ökologisch wertvollen Flächen womöglich gar nicht mehr gebaut werden darf. So sei es auch innerhalb ihrer Familie gewesen, sagt Fiebig. Sie ist davon überzeugt, dass sich „der alte Konflikt zwischen Gewerbe und Artenschutz“ lösen lasse: durch frühzeitige Planung. „Wenn feststeht, wo irgendwann einmal gebaut werden soll, lassen sich die betroffenen Flächen von der Entwicklung ausnehmen. Drumherum kann sich der Artenreichtum entwickeln, ohne dass später ein Problem entsteht.“

Vielmehr profitiere das Unternehmen vom Naturschutz: „Menschen freuen sich, wenn sie rausgehen und eine blühende Wiese sehen. Es ist gut fürs Unternehmen, wenn sich seine Mitarbeiter wohlfühlen.“ Fiebig nennt die Initiative „Versöhnungsprojekt“ zwischen Naturschutz und Unternehmen. Es gelte, die vorhandenen Potenziale zu entdecken, die für beide Seiten wertvoll sind.

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or allem Handwerker und andere Profis kaufen beim Eisen-warenhandel Otto Meyer in Wilhelmsburg ein. © HA | Rolf Zamponi

In Mecklenburg wurde ein Nachfolger gefunden, der sich zwei Jahre lang von dem erfahrenen Öko-Gärtner einarbeiten ließ. Nun sollen auch in Hamburg und anderen Orten der Metropolregion Betriebsgrundstücke zu kleinen oder größeren Naturoasen werden. Da lag es nahe, mit dem eigenen Grundstück von Otto Meyer an der Neuhöfer Straße anzufangen. Viel Entfaltungsspielraum bietet es mit seinen 200 Quadratmeter Grünfläche am Hang des Veringkanals nicht. Dennoch entstand eine Wohlfühlecke für Pflanzen, Insekten und Mitarbeiter. „Hier wuchsen 2018 nur Brombeeren und Bambus“, so die Unternehmerin. „Inzwischen sind hier 75 Pflanzenarten gezählt worden.“ Die ziehen ihrerseits Blütenbesucher an, und die finden direkt neben der Nektar-Bar ein großes Insektenhotel. „Wir hatten im ersten Jahr den Bambus und die Brombeeren entfernt und einfach nur lokale Saatmischungen ausgesät. Dann haben wir nie wieder etwas auf der Fläche gemacht. Ab und zu nehme ich nach Feierabend ein paar Brombeertriebe heraus.“

Inzwischen wirken weitere Unternehmen im Projekt mit

Dank ihres Engagements in Zusammenarbeit mit der Loki Schmidt Stiftung wirken inzwischen weitere Unternehmen im Projekt Kooperation Natur mit. Weil nicht jeder Betrieb gleich einen fachlich versierten Naturschutzgärtner einstellen kann, erstellt die Stiftung spezifische Pflegekonzepte für die einzelnen Grundstücke. Darin stehen Hinweise, was zu tun und was zu lassen ist. Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt, wird das Unternehmen mit dem Kooperation-Natur-Siegel ausgezeichnet. Außer Dockweiler und Otto Meyer tragen die Covestro Deutschland AG in Brunsbüttel und seit gestern das Springer Bio-Back-Werk Hamburg das Siegel.

„Bislang haben wir ein Dutzend Firmen für unser Projekt gewonnen“, sagt Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung. „Mit drei oder vier anderen sind wir im Gespräch. Angesichts der Vielzahl von Unternehmen in Hamburg ist da noch viel Luft nach oben.“ Kurz nach dem Projektstart habe die Corona-Pandemie die persönliche Ansprache von Betrieben ausgebremst. In den kommenden Wochen sei jedoch mit einer Offensive zu rechnen, so Jahn. Seine Stiftung hat gerade Fördermittel erhalten für die Biologische Vielfalt im Stadtraum. Zu den Aktivitäten gehören auch Unternehmensberatungen in Sachen Naturschutz.

Susanna Fiebig wirbt ebenfalls, wo sie kann, für das Projekt. „Ich hatte gerade ein Gespräch mit der Nachhaltigkeitsbeauftragten vom E/D/E, dem Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler. Dort sind viele hundert Unternehmen Mitglied. Unser Projekt soll jetzt in der Mitgliederzeitung vorgestellt werden.“ Fiebig wohnt seit einigen Jahren auf der Schlossinsel im Harburger Binnenhafen und wünscht sich, dass auch dort die Grünflächen naturnäher werden – „das wäre ein wunderschönes Projekt für Kooperation Natur“.