Hamburg. Die „Digi-Heroes“ sind die IT-Feuerwehr ihrer Grundschule. Das Projekt gewinnt den Bundeswettbewerb „Award Schule Digital“.

Herr Haller hat ein Problem: Wenn der Grundschullehrer seinen Tablet-Computer mit dem Super-Smart-Board „C-Touch“ verbindet, benutzt er dafür ein Kabel zwischen seinem elektronischen Täfelchen und der großen digitalen Schultafel. „Das finde ich aber unbequem. Geht das nicht anders?“ fragt er bei den Experten seiner Schule.

Jeder normale IT-Experte würde jetzt mit den Augen rollen, eine knappe sarkastische Antwort geben und mit wenigen Handgriffen den Wlan-Zugang einrichten. Diese Experten hier können gar nicht sichtbar mit den Augen rollen, denn die stecken hinter einer Superheldenmaske. Dafür beeilen sich die „Digi-Heroes“ aber um die Wette, um dem Lehrer zu helfen. Die IT-Experten der Schule Kapellenweg sind Viertklässler - und sie sind Gewinner des Bundeswettbewerbs „Award Schule Digital.“

Projektbasiertes Lernen: Selbststeuerung und Medienkompetenz

Während der Corona-Lockdowns stellten die Schulen in Hamburg und anderswo ihren Unterricht auf digitale Kenntnisvermittlung um: Fernunterricht, Tablet-Computer, Hybridunterricht – all dies wurde ausprobiert. Nicht jeder Lehrer und nicht jeder Schüler kamen dabei mit. „Wir haben aber beobachtet, dass die Kinder viel souveräner und viel intuitiver mit den Geräten umgehen, als die Erwachsenen“, sagt Lehrerin Anna Diedrich, „das wollten wir uns zunutze machen.“ Erwachsene, vor allem die älteren, die noch gelernt haben, Computern Befehle einzutippen, denken mit moderner Elektronik oft zu kompliziert. Andere haben Angst, etwas falsch und somit kaputt zu machen.

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  • Auch davor muss man heute kaum noch Angst haben: Wenn man ein modernes IT-Gerät falsch bedient, funktioniert es nur so lange nicht, bis man es richtig macht. „Kinder probieren einfach so lange, bis es funktioniert“, sagt Anna Diedrich. Das wollte sie sich zunutze machen. „Projektbasiertes Lernen: Selbststeuerung und Medienkompetenz“ heißt ihr preisgekröntes Projekt auf Behördendeutsch.

    Gemeinsam mit der stellvertretenden Schulleiterin Anne Wacker und einigen Kollegen überlegte Anna Diedrich, wie man diese Erkenntnis im Unterricht einbauen könnte. Das Ergebnis ist ein einstündiger Wahlpflichtkurs am Nachmittag: Je zwei Kinder aus den fünf vierten Klassen der Schule Kapellenweg treffen sich montagnachmittags und erarbeiten sich spielerisch die Tricks und Kniffe der interaktiven Tafel und der Tablets. Taucht irgendwo im Unterricht ein Problem mit den neuen Lernmedien auf, sind die „Digi-Heroes“ die freiwillige Feuerwehr: Mit Maske und Heldencape sausen sie durch die Schule und helfen den Hilflosen. Der Kurs läuft jeweils sechs bis acht Wochen, dann kommen andere Kinder an die Reihe. So werden es immer mehr Digi-Heroes, die gerufen werden können. „Die Jury findet besonders lobenswert, dass die Kinder durch ihre Rolle nicht nur Mitschüler und Lehrkräfte entlasten, sondern ihr eigenes Selbstwertgefühl durch das Projekt enorm gesteigert wird“, begründet das Preiskomitee des Bundesverbands digitale Bildung die Auszeichnung für die „Digi-Heroes“.

    „Das C-Touch ist doch sein eigener Hotspot!“

    Helene und Lennox haben sich aufgeteilt: Lennox erklärt Herrn Haller, welche Einstellungen er am Tablet vornehmen muss, Helene erklärt die wenigen Handgriffe an der C-Touch-Tafel „Und damit überlaste ich jetzt nicht das Schul-Wlan?“, fragt der Lehrer. „Quaaaaatsch!“, sagt Lennox, „Das C-Touch ist doch sein eigener Hotspot!“ Das wäre also auch geklärt.

    Das Preisgeld wird in weitere Geräte sowie Zubehör – und vielleicht auch noch einige Umhänge – investiert. Ganz generell hätte die Schule auch noch mehr Mittel für die Digitalisierung: Noch liegt längst nicht alles Unterrichtsmaterial auch Tablet-tauglich vor. Wenn es das Material in digitaler form gibt, kostet es Lizenzgebühren. Das kann eine Schule nur nach und nach aufbringen. Und so wird für die Lennoxe und Helenes und alle anderen Digi-Heroes auch weiterhin dieses eine Standardaufgabe sein: Den Lehrern zu erklären, wie sie Arbeitsblätter vom Papier abfotografieren und an die elektronische Tafel bringen können – und zwar ohne Experten-Augenrollen!