Harburg. Bezirk eröffnet zwei neue Unterkünfte. Landkreis vermutet, dass schon mehr als 1000 Ukrainer in der Region angekommen sind.

Englischlehrerin Anastasia, die mit ihrer Mutter Olga aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew geflüchtet ist, steht vor der Massenunterkunft an der Schlachthofstraße. Der Harburger Kreisverband vom Deutschen Roten Kreuz und die Freiwillige Feuerwehr hatten quasi über Nacht die ehemalige Fe­gro-Halle mit 600 Feldbetten bestückt.

Sie habe zwar nicht erwartet, dass es „hier so aussieht“, sagt Anastasia. „Aber die freiwilligen Helfer haben uns versichert, dass es bald besser wird. Sie sagten, dass sie nicht mit so vielen Leuten gerechnet hatten. Wir glauben ihnen.“

Kalte Atmosphäre der Massenunterkunft gibt keine Geborgenheit

Die kalte Atmosphäre der Massenunterkunft kann den Schutzsuchenden keine Geborgenheit geben, weiß auch die Stadt. „Die Fegro-Halle ist für eine kurzzeitige Unterbringung bis zur ausländerrechtlichen

Englischlehrerin Anastasia (28) und ihre Mutter Olga (61), eine Ärztin, wohnen in der Unterkunft. Beide kommen aus Kiew..
Englischlehrerin Anastasia (28) und ihre Mutter Olga (61), eine Ärztin, wohnen in der Unterkunft. Beide kommen aus Kiew.. © Andre Lenthe Fotografie

Registrierung im Ankunftszentrum und der anschließenden Zuweisung auf andere Unterkünfte gedacht“, erklärt Florian Abbenseth, Sprecher der Hamburger Innenbehörde. „Schutzsuchende werden dort bestenfalls also nur für wenige Tage untergebracht.“ Anastasia ist trotzdem sehr froh, hier zu sein. Es sei für sie ungewohnt, nicht bei jedem lauten Geräusch Angst haben zu müssen, dass Bomben fallen.

Das Harburger Rote Kreuz betreut die Unterkunft an der Schlachthofstraße und engagiert sich auch in der neu eingerichteten Unterkunft im Seniorenheim Eichenhöhe, betrieben vom DRK-Landesverband. Ein Gebäudeflügel stand dort bis vor Kurzem leer, weil er zu Seniorenwohnungen umgebaut werden soll. Es war geplant, ihn übergangsweise als Erstunterkunft für Geflüchtete zu nutzen. Ab heute ziehen dort Vertriebene aus der Ukraine ein. Ein Bauzaun soll die Unterkunft räumlich vom Alten- und Pflegeheim trennen. Der Gebäudetrakt verfügt über 38 Zimmer, in denen bis zu 108 Menschen untergebracht werden könnten. Doch angesichts der Pandemie werden zwei Räume als Quarantänezimmer frei gehalten, so dass höchstens 100 Menschen dort einziehen werden.

Morgen wird die Unterkunft auf der Eichenhöhe in Betrieb gehen. Dort werden vornehmlich Frauen und Familien untergebracht.
Morgen wird die Unterkunft auf der Eichenhöhe in Betrieb gehen. Dort werden vornehmlich Frauen und Familien untergebracht. © André Lenthe Fotografie

Der Gebäudeflügel verfügt über zwei Stockwerke. Jedes ist mit einer Küche und einem Aufenthaltsraum ausgestattet. Gestern wurde noch die Küche eingebaut, Techniker stellten Wasserspender und Tische auf. Sollte es in einem Stockwerk zu einem Corona-Ausbruch kommen, seien beide Etagen getrennt zu bewirtschaften, sagt Bianca Stoelzel vom DRK-Landesverband. Sie koordiniert den Aufbau der Erstaufnahme in Eißendorf. Verpflegt werden die Flüchtlinge durch den Caterer AlsterFood.

Ob kurzfristig weitere Unterkünfte im Bezirk Harburg entstehen werden, konnte Behördensprecher Abbenseth am Montag nicht sagen. Der Hamburger Krisenstab koordiniere stetig den Ausbau der Plätze. Dies sei ein sehr dynamischer Prozess. Immer wieder rücken potenzielle Standorte in den Fokus, die dann aber möglicherweise genauso schnell wieder ausscheiden.

Von weiteren Unterkünften wisse sie nichts, sagt auch Solveigh Krause vom DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg: „Wir konzentrieren uns derzeit darauf, unser Beratungsangebot auszuweiten, helfen bei Behördengängen, organisieren Dolmetscher, bieten Deutschkurse an.“ Das DRK freut sich über weitere ehrenamtliche Helfer. Nähere Informationen finden sich unter www.drk-harburg.hamburg/soziale-dienste.html.

Viele Freiwillige engagierten sich in den Hamburger Unterkünften

„Es gibt bereits viele freiwillig Engagierte in den Unterkünften, am Hauptbahnhof, rund um das Ankunftszentrum sowie in zahlreichen kleinen und großen Projekten, die es den Schutzsuchenden erleichtern, anzukommen“, sagt Florian Abbenseth. Auch die private Unterbringung sei „eine sehr große Hilfe für die gesamte Stadt“. Wer helfen will, kann sich unter www.hamburg.de/ukraine schlau machen. Der Bezirk leistet ebenfalls Unterstützung, etwa bei der Betreuung der Geflüchteten: „Die Zahlstelle des Bezirksamts hatte am Wochenende geöffnet, um die bereits registrierten ukrainischen Vertriebenen mit Bargeld auszustatten“, berichtet Bezirksamtssprecherin Wrenda Kapoor. „Ebenso helfen wir bei der Koordinierung von freiwillig Engagierten – wie bereits seit 2015.“

Der Landkreis Harburg hatte am Freitag seine erste Notunterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine eingerichtet. 30 Frauen und Kinder fanden in der Buchholzer Schützenhalle zunächst Platz, am Montag sollten laut Landkreissprecher Andres Wulfes weitere 30 ankommen. Sie sind die ersten, die über die neu eingerichtete Verteilstelle in Hannover in den Landkreis gesendet wurden. In der Notunterkunft sollen sie möglichst nur bis zu 48 Stunden bleiben, danach in privaten Wohnraum weitervermittelt werden. Viele weitere Menschen sind bei Freunden oder Verwandten untergekommen, längst nicht alle sind offiziell registriert.

Im Landkreis soll in Meckelfeld weitere Notunterkunft entstehen

Bis Montagmittag hatten sich rund 600 Ukrainer über die Internetseite des Landkreises einen Termin für die Registrierung geholt. Insgesamt gehe man von mehr als 1000 Menschen aus, die aus dem Kriegsgebiet in den Landkreis Harburg gekommen sind, so Wulfes. Die genaue Zahl sei schwer zu erfassen, da die Registrierung zwar Zugang zu Hilfsangeboten ermöglicht, aber in den ersten drei Monaten nicht verpflichtend ist. Zudem kämen stetig weitere Menschen an.

Beim DRK wurden bisher rund 600 freie Betten im Landkreis gemeldet, zum Beispiel in ungenutzten Wohnräumen, Ferien- und Einliegerwohnungen. Im Meckelfelder Helbach-Haus wird zudem eine zweite Notunterkunft eingerichtet. Um zu klären, wo darüber hinaus Menschen untergebracht werden können, ist der Landkreis im Gespräch mit Kommunen und Hilfsorganisationen. Sowohl Ukrainer als auch Helfer finden auf www.landkreis-harburg.de/ukraine weitere Informationen.

Appell vom DRK:

  • Der DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg bittet darum, keine Sachspenden im Ankunftszentrum in der ehemaligen Fegro-Halle vorbeizubringen und verbreitet diese Bitte in den sozialen Medien: „Wir wissen, dass ihr helfen möchtet! Das wissen wir sehr zu schätzen und bedanken uns herzlich für eure Unterstützung“, heißt es in dem Facebook-Eintrag. „Trotzdem bitten wir euch, zum aktuellen Zeitpunkt keine Spenden zur Unterkunft zu bringen!“
  • Die gesamte Kapazität der Helfer fließe derzeit in die Versorgung und Betreuung der Menschen vor Ort. Sobald es ginge, würde man wohl wieder Sachspenden annehmen und darüber informieren – ebenfalls wieder über Facebook und Co.
  • Auch an der Unterkunft Eichenhöhe sollten derzeit keine Sachspenden abgegeben werden.