Harburg . Neue Straße könnte – wie die Denickestraße – vorrangig dem Rad- und Anliegerverkehr gewidmet werden. Sorge um Parksituation am Markt.
Erst im August 2021 wurde Harburgs erste Fahrradstraße in der Denickestraße für den Radverkehr freigegeben. Umfangreiche Bauarbeiten sorgten dafür, dass zwischen Technischer Universität und Weusthoffstraße der Kraftwagenverkehr weitgehend aus dem Spiel genommen wurde. Auch wenn bei den Planungen offenbar einmal mehr die Parkplatzprobleme der Anwohnenden außer Acht gelassen wurden, hat zumindest im Teilbereich zwischen TU Harburg und Gazertstraße der Fahrradverkehr spürbar zugenommen.
Ende Januar hat die rot-grüne Bezirkskoalition einen Prüfantrag für eine weitere Fahrradstraße in den Hauptausschuss eingebracht und dort auch gleich gegen die Stimmen von CDU und AfD beschließen lassen.
Neue Fahrradstraße in Harburg? Bezirkspolitiker stellen Pläne vor
„Die Neue Straße stellt aktuell die Fuß- und Radverkehrsverbindung in den Binnenhafen dar. Um diese Straße für den Radverkehr attraktiver zu machen sind die geplanten Maßnahmen zur Auswechslung des Pflasters auf dem nördlichen Teil der Straße und der Umbau des Tunnels für eine konfliktfreie und sichere Unterquerung der B 73 und der Bahnlinie zügig umzusetzen“, heißt es in dem Antrag der Fraktionen.
„Nach Abschluss dieser Arbeiten und der Beendigung der Bauarbeiten rund um den Sand wäre es möglich, diese Straße gegebenenfalls als Fahrradstraße vorrangig dem Rad- und Anliegerverkehr zu widmen“, führen die Bezirkspolitiker ihre Pläne weiter aus.
Zeitschiene für den Umbau soll entwickelt werden
Daher werde die Bezirksverwaltung um Prüfung der Voraussetzungen und der Aufwände für die geplante Umwidmung der Straße gebeten und zugleich solle eine mögliche Zeitschiene für den Umbau entwickelt werden. Die vorhandenen Parkstände sollten, wenn möglichst erhalten werden.
„Mit der Widmung als Fahrradstraße würde die Radwegeverbindung über die Neue Straße in den Binnenhafen noch weiter gestärkt, da die Herausnahme des Durchgangsverkehrs die Sicherheit der Fahrradfahrer aber auch für die Fußgänger noch einmal deutlich verbessert würde“, ist sich SPD-Verkehrsexperte Frank Richter sicher. Und auch der Fachsprecher der SPD, Michael Dose, frohlockt. „Es ist eine gute Nachricht, dass der Umbau des nördlichen Teils der Neuen Straße jetzt zeitnah erfolgen soll. Dadurch wird die Attraktivität der Neuen Straße als Radwegeverbindung in den Binnenhafen deutlich gesteigert“, so Dose. Das historische denkmalgeschütze Kopfsteinpflaster in der Straße darf nicht entfernt werden. Daher wurden auf rund 50 Metern bereits im Oktober 2020 ein Teil der Steine gegen geschliffene ausgetauscht. Durch die rund 55.000 Euro teure Maßnahme habe sich eine deutliche Verbesserung des Fahrkomforts der Radfahrenden eingestellt, berichteten Politik und Bezirk übereinstimmend.
Radler werden kräftig durchgeschüttelt
Auf den nördlichen rund 100 Metern, werden die Zweiradfahrenden auf dem Weg von oder in den Binnenhafen allerdings weiter kräftig durchgeschüttelt. Der Austausch des Pflasters liegt im Interesse aller Verkehrsteilnehmenden, denn auch die Stoßdämpfer der Autos würden geschont. „Ich befahre die Neue Straße regelmäßig mit dem Fahrrad, solange Kopfsteinpflaster auf der Straße liegt, werde ich mit meinem Urban-Bike weiter den gepflasterten Fußweg nehmen“, zeigt sich Jochen Kalbitz aus Eißendorf wenig überzeugt von den Plänen der Bezirksversammlung, „geschliffen oder nicht, Kopfsteinpflaster ist für Fahrräder immer schwierig.“ Er habe einen anderen Vorschlag. „Der Fußweg sei im unteren Bereich der Neuen Straße besonders breit, man kann ihn begradigen und einen Zwei-Richtungs-Radweg wie in der Eißendorfer Straße vor der Goethe-Schule einrichten“, schlägt der passionierte Radfahrer und Straßenbauer vor.
In die gleiche Kerbe schlägt der ADFC. „Kopfsteinpflaster auf einer Veloroute, die ja besonders hohe Radwegstandards besitzen muss, ist immer kritisch“, sagt ADFC-Sprecher Dirk Lau. Die technischen Möglichkeiten hätten sich aber in der Vergangenheit erheblich verbessert. „Inzwischen gibt es technische Lösungen auch auf Velorouten, die Fahrkomfort und Denkmalschutz vereinbaren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Veloroute 2 am Weidenstieg in Eimsbüttel, der mit geschliffenem sanftem Pflaster umgebaut wurde. Nun lässt es sich dort auch mit schmalen Reifen bequem auf der Fahrbahn fahren.“ Wenn ähnliches in der Neuen Straße geplant ist, sei das zu begrüßen, so Lau.
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Fahrradstraße in Harburg: „Verkehr wird unnötig katastrophiert“
„Eine Fahrradstraße in der Neuen Straße würde den Innenstadtverkehr völlig unnötig katastrophisieren“, sagt hingegen der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Rainer Bliefernicht. Bereits jetzt erlebten viele Marktbeschicker schwere Zeiten, Parkplätze für Kunden seien in Marktnähe nur schwer zu finden und die Anfahrt mit dem Pkw zum Sand sei oft problembelastet. „Wer kommt denn schon auf den Wochenmarkt, um dann den Einkauf samt fünf Kilo Kartoffelsack im Bus oder auf dem Fahrrad nach Hause zu hieven?“, fragt Bliefernicht. Die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler rund um Harburgs Marktplatz hätten es schon schwer genug, viele Betreiber in diesem Bereich mussten in den letzten Jahren ihre Läden aufgegeben. Da sei es wenig zielführend, auch noch den Pkw-Verkehr aus dem Quartier zu nehmen. „Eine Fahrradstraße ist nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen attraktiv“, sagt der Verkehrspolitiker der CDU, beispielsweise ältere Menschen seien ausgeschlossen, wenn sie schlicht kein Fahrrad mehr fahren könnten.
„Wir sehen Fahrradstraßen sehr differenziert und halten sie als Mittel zur Verkehrsreduzierung nicht für ein geeignetes Mittel“, ergänzt Uwe Schneider, Kreisvorsitzender der CDU Harburg. Bliefernicht und Schneider zeigen sich aber offen für eine Debatte. „Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, die Neue Straße im nördlichen Bereich zur Einbahnstraße zu machen. Damit würde man eine Spur gewinnen und dann könnten sich Autos und Radfahrer die Straße teilen“, so Rainer Bliefernicht. „Wir müssen innerstädtisch immer flexibel sein. Es gibt in den Städten nur den Platz zwischen den Hauswänden.“