Neugraben/Bergedorf. Warum Thomas Fritsche, Ex-Chef des Gymnasiums in Neugraben, in Bergedorf weiterhin Schüler unterrichtet.
„Ich habe leidenschaftlich gerne unterrichtet, was als Schulleiter leider oft zu kurz gekommen ist“, sagt Thomas Fritsche. Auch im Alter von 66 Jahren denkt der ehemalige Schulleiter des Harburger Gymnasiums Süderelbe in Neugraben-Fischbek nicht ans Aufhören.
Für ihn sei es auch nach den vielen Jahren im Schulbetrieb nicht vorstellbar, von einem auf den anderen Tag in den Ruhestand zu gehen und dann nicht mehr zu lehren.
Zurück am Gymnasium Lohbrügge, wo er selbst einst Abi machte
Vor Kurzem hatte er, wie berichtet, seinen Posten am Gymnasium Süderelbe aus Altersgründen geräumt, war von Schülern und Kollegen feierlich und berührend verabschiedet worden. Am Gymnasium Süderelbe habe er sich die vergangenen 20 Jahre immer „wie zuhause gefühlt“, sagt Fritsche. Gerade die Wertschätzung, die er in seinen letzten Tagen an der Schule erfahren habe, das Wissen um einen kompetenten Nachfolger und eine neue Perspektive hätten ihn zufrieden gehen lassen.
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Seit etwas mehr als einer Woche ist Thomas Fritsche nun zurück am Gymnasium Lohbrügge in Bergedorf. Hier hat er nicht nur selbst schon zehn Jahre unterrichtet, sondern auch seine eigene Schullaufbahn bestritten und sein Abitur abgelegt. Es ist für ihn „ein neuer Weg mit Altbekannten“. In Hamburg gebe es zwar keinen generellen Lehrermangel an Schulen, erklärt Fritsche. „Ich hatte sogar das Glück, dass sich in meiner Zeit fünf Referendare auf eine Stelle beworben haben“, erinnert sich an seine Zeit als Schulleiter. Trotzdem gebe es immer Bedarf in bestimmten Fächern wie Mathe und Physik, die er beide am Gymnasium Lohbrügge jetzt unterrichtet. Dreizehn Stunden pro Woche arbeitet er, bringt den Kindern der fünften und achten Klasse den Lehrstoff näher.
414 pensionierte Lehrkräfte arbeiten derzeit in Hamburg laut Schulehörde
Insgesamt gibt es in der Stadt Hamburg laut Schulbehörde 414 pensionierte Lehrkräfte, die damit 2,3 Prozent aller Lehrer an allgemeinen Schulen ausmachen. An beruflichen Schulen sind es mit 119 Lehrern und 4,6 Prozent etwas mehr. „Die Motive dafür, warum Schulen auf pensionierte Lehrkräfte zurückgreifen, sind vielfältig. Von großem Vorteil ist natürlich, dass es sich um sehr erfahrene, hoch motivierte und mit der eigenen Schule bestens vertraute Lehrkräfte handelt“, teilt Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung, auf Abendblatt-Nachfrage mit. Die älteste befristet beschäftigte Lehrkraft an allgemeinen Schulen sei demnach Geburtsjahrgang 1943, an beruflichen Schulen ebenfalls 1943.
Auch mit 79 Jahren müsste dann noch nicht Schluss sein. Eine berufliche Altersbegrenzung gibt es nicht. Die Verträge von pensionierten Lehrern sind allerdings immer befristet und als Vertretungsstelle ausgeschrieben. Bei Bedarf der Schule und Wunsch des Lehrers können diese dann verlängert werden.
Wie lange Thomas Fritsche nun noch arbeiten beziehungsweise unterrichten möchte, wenn es nach ihm ginge? Einen Zeitpunkt für den endgültigen Berufsausstieg hat er sich nicht gesetzt. „Ich kann mir bis heute keinen besseren Beruf vorstellen“, schwärmt er. Gerade die Zeiten als Klassenlehrer oder Tutor der Oberstufe seien Momente, an die er sich gerne zurückerinnere. Für ihn gehört eine enge Beziehung zu seinen Schülern immer dazu. „Gerade wenn ein Kind Probleme in einem Fach hat, ist es wichtig, dass es sich trotzdem menschlich in der Schule gut aufgehoben und sich in seiner Lernumgebung wohl fühlt“, sagt Fritsche. Junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen etwas beizubringen, sind Dinge, die er nicht missen möchte. Zu wissen, dass man etwas Sinnhaftes macht, erfülle ihn.
Sogar in der Corona-Pandemie geschafft, Hoffnung nicht zu verlieren
„Es gibt nichts Großartigeres, als wenn man in die freudigen Augen der Kinder blickt, wenn sie etwas verstanden haben“, wirbt er für seinen Beruf und hat auch einen Tipp an junge Lehrer und Lehrerinnen: „Sie sollten sich nicht so sehr über Papierarbeit und Dokumentationspflichten aufregen, sondern ihren Blick immer auf das Freudige, auf die Beziehung mit den Kindern und ihren Kollegen und auf die Möglichkeit junge Menschen auf ihrem Weg begleiten zu können richten.“
Sogar über die Zeit der Pandemie, als Corona die Schularbeit durcheinanderwirbelte, Eltern und Kinder Sorgen und Ängste hatten, spricht er gelassen. Von Eltern erzogen, die im Krieg aufgewachsen sind, führt er sich mehr das Grundsätzliche vor Augen: Die Schule wird morgen noch stehen und niemand muss an Hunger oder Durst leiden. Dass wir trotz Problemen hier in Europa immer in einer komfortablen Situation sind, habe ihn beruhigt. Trotz Fernunterricht und eingeschränkten Sozialkontakten, habe er es geschafft, die Hoffnung nicht zu verlieren und wurde sogar von seinen Kollegen dafür gelobt, „dass er trotz der Pandemie auch noch lächeln konnte“.
Gern wäre er sogar noch länger Direktor in Süderelbe geblieben. Doch eine halbe Stelle hat Vorteile. So kann er nun seinen Interessen, im Chor zu singen und Chinesisch zu lernen, nachgehen.
Wenn der Beruf gleichzeitig Berufung ist, wird aus dem Alter eben nur eine Zahl.