Hamburg. Henriette Raden unterrichtet seit 52 Jahren an der Fritz-Köhne-Schule. Angefangen hat sie als Referendarin. Was sich seitdem verändert hat.

„Guuuten Morgeen, Frau Raden“ – es liegt eine einzigartige Melodie in der Weise, wie Schulkinder täglich ihre Lehrerin grüßen. Henriette Raden begleitet dieser Klang nun bereits seit 52 Jahren. Seit 1970 unterrichtet sie an der Fritz-Köhne-Schule in Rothenburgsort – erst als Referendarin, dann als Lehrerin und schließlich als Honorarkraft. Im Februar nun geht die Lehrerin, die bald 78 Jahre alt wird, endgültig in den Ruhestand. Damit verabschiedet sich Hamburgs wohl älteste Lehrerin. Sie hat erlebt, wie die Schulwelt und auch die Kinder sich über die Jahrzehnte verändert haben. Und an der Fritz-Köhne-Schule geht mit ihrem Ruhestand eine Ära zu Ende

Henriette Raden hat Deutsch und Geschichte studiert. Ihre Leidenschaft für den Lehrerberuf erwachte bereits, als sie zehn Jahre alt war. „Ich mochte die Schule so gern, dass ich mir zu Hause auf meinen Schreibtisch einen Atlas gestellt und so getan habe, als würde ich unterrichten“, erzählt sie. „In meinem kleinen Zimmerchen habe ich Lehrerin gespielt.“

Schule: Hamburgs wohl älteste Lehrerin hört auf

Mit 25 erfüllte sie sich ihren Traum und begann im Jahr 1970 ihr Referendariat an der Fritz-Köhne-Schule. Damals ahnte sie wohl noch nicht, dass sie an ebendieser Schule für den Rest ihrer beruflichen Laufbahn bleiben würde. Die erste Möglichkeit, die sich ihr zu einem Schnellstart in den Lehrerinberuf bot, griff sie beim Schopf: „Damals wurden die Referendare dann gefragt, wer das Fach Englisch übernehmen wolle – das wollte aber keiner. Also habe ich mir gedacht: Ja gut, dann fuchs ich mich da rein.“

Nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Referendariat unterrichtete sie quer durch alle Klassen – die Fritz-Köhne-Schule ging damals noch bis zur 10. Klasse: „Ich habe alle möglichen Schülerjahrgänge gehabt. Hauptsächlich hatte ich früher viele Hauptschülerinnen und -schüler, dann später auch Realschüler.“ Seit 2007/2008 ist die Fritz-Köhne-Schule eine reine Grundschule mit Ganztagsbetreuung. Nun unterrichtete Henriette Raden nicht mehr nur ihre Lieblingsfächer Deutsch, Englisch und Geschichte, sondern auch alle anderen Fächer, außer einem: „Sport war nicht mein Ding, auch privat nicht. Das machte ich wirklich nur, wenn es vertretungsmäßig mal sein musste.“

In Pension gehen? Das war für Henriette Raden keine Option

Als sie im Jahr 2009 schließlich in Pension gehen sollte, wurde ihr schnell klar, dass etwas fehlte in ihrem Leben: „Och, das war nicht so lustig, zu Hause zu bleiben. Das hat mich nicht erfüllt.“ Die damalige stellvertretende Schulleitung hat ihr dann angeboten, für ein paar Stunden weiterhin zu unterrichten. „Da habe ich sofort Ja gesagt.“ Seitdem unterrichtet sie im Rahmen eines Lehrauftrags für zwei Stunden täglich. Der läuft nun aus.

Viele Dinge haben sich in der Schulpolitik geändert, seitdem Henriette Raden als Lehrerin tätig ist – auch die Schüler, die heute weniger Respekt vor den Lehrkräften hätten als früher. So habe sich der Ton gewandelt. Und die Lehrerinnen und Lehrer stünden vor neuen Herausforderungen und Aufgaben: „Mittlerweile ist es in erster Linie Erziehung und erst an zweiter Stelle Wissens-vermittlung.“ So bewundert sie die Lehrer, die Vollzeit unterrichten. „Dass die mit ihren Nerven noch nicht am Ende sind …“ Ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen gibt Henriette Raden einen Rat mit auf den Weg: „Ihr müsst darauf achten, dass ihr euch wieder mehr Respekt verschafft.“

Fritz-Köhne-Schule: Dem Kollegium wird Henriette Raden fehlen

Ob sie unter den heutigen Umständen nochmals Lehrerin werden würde? Bei der Frage ist sie sich vorerst unsicher: „Also, das müsste ich wirklich überdenken.“ Doch im Endeffekt kommt sie zu dem Entschluss: „Eigentlich finde ich den Beruf weiterhin schön, ja. Ich mag es einfach gerne, anderen was beizubringen.“ An eine Sache erinnert sie sich besonders gerne zurück: „Wir sind früher immer in ein Haus an der Ostsee gefahren, ins Schullandheim Stein. Da sind wir mit drei Klassen hingefahren – das machte mir immer sehr viel Spaß.“

Den Kolleginnen und Kollegen an der Fritz-Köhne-Schule wird Henriette Raden künftig sehr fehlen. Auch wenn sie in den vergangenen Jahren nur zwei Stunden täglich unterrichtet hat, war sie ein fester Teil des Kollegiums und unglaublich hilfsbereit. „Sie ist immer da, um andere zu unterstützen“, sagt eine Kollegin.

Dem Ende ihres Lehrerseins blickt Henriette Raden selbst mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits hat sie so mehr Zeit für ihren Mann – den sie (wo sonst?) an der Fritz-Köhne-Schule kennengelernt hat. Andererseits werden sie ihr fehlen: die Schule, die Schülerinnen und Schüler. Und das Unterrichten. „Das war echt mein zweites Zuhause. Wenn ich in Rothenburgsort über den Marktplatz gehe, schreit irgendjemand Hallo, Frau Raden, sind Sie immer noch hier? Das ist schön.“