Finkenwerder. „Land unter“: Wie die Geschichtswerkstatt in einer multimedialen Ausstellung an die Sturmflut in Hamburg vor 60 Jahren erinnert.

Das Bild strahlt auf den ersten Blick eine himmlische Ruhe aus: Das Wasser ist spiegelglatt, die Sonne scheint darauf. Auf der Oberfläche spiegeln sich die Klosterkirche der Finkenwerder Karmeliterinnenzelle und die von Fritz Schumacher entworfene Kapelle des alten Finkenwerder Friedhofs. Nur, dass aus dem Wasser die Grabsteine herausgucken, irritiert.

Es ist der Tag nach der Sturmflut von 1962. Finkenwerder steht unter Wasser. Das Bild ist eines von 40 in der Ausstellung „Land unter“ der Finkenwerder Geschichtswerkstatt in eben jener Friedhofskapelle, die sich auf dem Bild im Wasser spiegelt.

Ausstellung Hamburg: 40 Bilder zur Sturmflut aus großem Privatbestand ausgewählt

Peter Kaufner hat die 40 Bilder aus einem sehr viel größeren Privatbestand ausgewählt, welcher der Geschichtswerkstatt des Elb-Stadtteils zur Verfügung gestellt wurde. „Ich hätte gerne auch noch mehr genommen“, sagt er. „Aber der Platz ist begrenzt.“

Der Finkenwerder Filmemacher Peter Kaufner engagiert sich in der Geschichtswerkstatt. 
Der Finkenwerder Filmemacher Peter Kaufner engagiert sich in der Geschichtswerkstatt.  © xl | Lars Hansen

Dazu haben andere Mitglieder der Geschichtswerkstatt Schautafeln gefertigt und Zeitzeugen kommen zu Wort. Damit diese nicht ständig in der Kapelle auftauchen müssen, wurden ihre Berichte auf Video aufgezeichnet – wie gut, dass der ehrenamtliche Ausstellungsmacher Kaufner hauptberuflich Dokumentarfilmer ist.

Sturmflut 1962: Zeitzeugen berichten, wie sie die Nacht erlebten

Die Zeitzeugen erzählen, wie sie in der Nacht das Vieh aus dem Stall auf den Deich brachten und dann die Sturmnacht dort mit den Tieren verbrachten, oder wie sie aus dem ersten Stock ins Treppenhaus blickten und das Wasser bis zur letzten Stufe stieg, oder wie ihre Mutter sie am Morgen nach der Flut schlicht zum Spielen nach draußen schickte, weil die Schule ausfiel und sie zu tun hatte.

An 14 Stellen waren allein in Finkenwerder die Deiche gebrochen, hauptsächlich an der Süderelbe. Die Elbinsel war vollgelaufen. Das erste Wasser kam schon vor den Deichbrüchen. Es hatte sich einfach aus dem Boden an die Oberfläche gedrückt. Obwohl der Schaden immens war, gab es in Finkenwerder aber vergleichsweise wenig Todesopfer. Wenige Kilometer entfernt war das anders: Die Nachkriegs-Behelfsheime von Waltershof waren in einer Vertiefung gebaut, die vor dem Krieg ein Hafenbecken hatte werden sollen. Sie versanken fast völlig.

Ein Zeitzeuge erinnert sich, wie sein Vater dort half, die Leichen Ertrunkener auf einer Lieferwagen-Ladefläche zu stapeln. Doch wie mehrere andere von der Flut betroffene Gebiete, blieb auch Finkenwerder tagelang abgeschnitten. Die notleidenden Bewohner wurden per Bundeswehr-Hubschrauber aus der Luft mit Lebensmitteln und allem anderen Notwendigen versorgt. Später baten die Finkenwerder die Hubschraubercrews noch einmal auf ihre Insel: Um sich zu bedanken.

Was haben wir aus der Flutkatastrophe von damals gelernt?

„Die Ausstellung soll angesichts von Klimawandel und höheren Wasserständen auch der Frage dienen, was wir in 60 Jahren aus der Katastrophe von damals gelernt haben“, sagt Peter Kaufner. Eine Antwort gibt eine Zeitzeugin: „Ich kann heute noch sehr schnell Koffer packen“, sagt sie.

Rund um die Sturmflut vom 16. Und 17. Februar 1962 gibt es im Hamburger Süden zahlreiche weitere Ausstellungen, vor allem in den Bücherhallen. Viele werden erst kurz vor dem eigentlichen Flutdatum eröffnet. Zwei sind allerdings schon zu besichtigen: In der Bücherhalle Wilhelmsburg am Vogelhüttendeich und in der Bücherhalle Neugraben am Neugrabener Markt.

Die Ausstellung ist dienstags von 16 bis 19 Uhr, donnerstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Der alte Finkenwerder Friedhof befindet sich am Finkenwerder Landscheideweg, Ecke Norderkirchenweg