Hamburg. Erstmals Einzelhandel im Visier der Kontrolleure. Beamte stellen zahlreiche Verstöße fest. Im Einzelfall drohen 25.000 Euro Bußgeld

Dienstag, 10.30 Uhr, in der Harburger Innenstadt: Polizeibeamte ziehen gemeinsam mit einem Zug der Bereitschaftspolizei und Mitarbeitern des Bezirksamtes durch die City. Der Trupp ist auf dem Weg zu Geschäften in der Fußgängerzone im Bereich Lüneburger und Bremer Straße. Es geht um die Einhaltung der 2G-Regeln. Allerdings sind nicht erneut Clubs und Restaurants betroffen. Zum ersten Mal steht bei einer Razzia in Harburg der Einzelhandel im Fokus.

Bereits nach zwei Minuten der Großaktion ahnden die Beamten den ersten Verstoß. Ein Mann war in einem Gemüsegeschäft ohne Maske Würstchen und Eistee kaufen. Seine Maske trug er in der Tasche. Sowohl der Betreiber als auch der Maskenmuffel erhalten eine Anzeige.

Polizei setzt Lockvogel bei Corona-Kontrolle ein

Wenige Minuten später der nächste Verstoß: Die Verkäuferin eines Taschengeschäftes hatte bei einem polizeilichen Lockvogel weder Impfstatus noch Kontaktinformationen beim Betreten des Ladens verlangt, obwohl dies verbindlich festgeschrieben ist. Dass sie gerade Kunden bediente, als der Lockvogel den Laden betrat, spielt für die Gesetzeshüter keine Rolle. Wie sie gleichzeitig Kunden bedienen und Impfnachweise kontrollieren solle, fragt sie. Eine Antwort bekommt sie nicht.

Beamte des örtlichen Polizeireviers kontrollierten zusammen mit Mitarbeitern des Bezirksamtes und der Bereitschaftspolizei Geschäfte in der Harburger Innenstadt
Beamte des örtlichen Polizeireviers kontrollierten zusammen mit Mitarbeitern des Bezirksamtes und der Bereitschaftspolizei Geschäfte in der Harburger Innenstadt © Andre Lenthe Fotografie

In einem Gemüsegeschäft bedienen drei Männer. Sie tragen, wie vorgeschrieben, Masken – allerdings unterhalb der Nase. Einer kann türmen, bevor die Beamten seine Personalien feststellen können. Er entwischt wohl durch eine Hintertür. Ermittlungen der Bereitschaftspolizisten laufen ins Leere. Der festgestellte Verstoß gegen die Corona-Regeln im Einzelhandel wird für den Betreiber teuer werden, denn es war nicht der erste in diesem Laden. Im Erstfall kann ein Verstoß 5000, im Wiederholungsfall bis zu 25.000 Euro kosten, so teilt ein Beamter mit.

Corona-Kontrollen in Harburg sorgen für Diskussionen

Da kann es schon hitzig werden. So wie in einem Schuhgeschäft. Der Verkäufer ist allein im Laden und wirft dem Polizisten vor, sich regelrecht versteckt zu haben. So hätte er gar nicht die geforderten Angaben wie Impfnachweis und Personalausweis erfragen und überprüfen können. Doch alle Diskussionen nützen nichts, die Beamten lassen sich nicht erweichen.

Auch in einem fünften Laden, einem Bekleidungsgeschäft, stellen die Kontrolleure einen Verstoß fest und verhängen ein Bußgeld. Danach scheint sich die Kontrolle im Bereich herumgesprochen zu haben. Der Tross bewegt sich deshalb durch den Gloriatunnel in Richtung Seevepassage.

Als die Kunden eines an ein Lebensmittelgeschäft angeschlossenen Cafés die Polizisten in Uniform entdecken, wird es hektisch. Schnell loggen sich die Mitarbeitenden und Gäste per Luca-App ein. Gerade noch rechtzeitig. Hier gibt es keine Verstöße und Strafen. Am Nachmittag werden die Kontrollen in der Moorstraße und im Phoenixviertel fortgesetzt und weitere Läden kontrolliert. Eine Gesamtbilanz soll folgen.

Keine Beschwerden über Umsatzrückgänge bislang

Während die Einzelhandelsverbände bundesweit über – und teilweise gegen – die 2G-Regel klagen, hat das neue Harburger Stadtmarketing, das seit Jahresanfang Citymanagement und Channel Hamburg vereint, von seinen Mitgliedern noch keine Beschwerden über durch die Auflagen bedingte Umsatzrückgänge vernommen. Das sagte die Geschäftsführerin des Marketingvereins, Antonia Marmon, am Dienstag.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Auflagen keine Auswirkungen auf das Geschäft haben. Die Umsätze im Nonfood-Sektor liegen auch in Harburg weit hinter denen aus Vor-Corona-Zeiten. Was davon den Vorschriften und was der Vorsicht geschuldet ist, sei unklar. Sicher ist allerdings eines: Die Vorschriften einzuhalten, ist aufwendig, für die Betreiber der Geschäfte und für die Kunden.

Bändchen-Lösung im Phoenix-Center auf Prüfstand

„Wenn man mit drei Tüten in der Hand zum vierten Mal hintereinander das Smartphone und den Ausweis zücken – und vielleicht erst einmal suchen – muss, bessert das die Laune der Kunden nicht“, sagt Julika Hansen, Centermanagerin des Phoenix-Centers.

Unter anderem deshalb setzt sie in ihrem Center auf eine einmalige Kontrolle am Eingang. Kunden erhalten dort nach Prüfung der 2G-Nachweise ein Armband, das sie zum Betreten der Geschäfte berechtigt. Auch diese Zentralisierung ist kostenaufwendig und wird auf die Ladenmieter umgelegt, sagt Hansen: „Wir bezahlen qualifiziertes Sicherheitspersonal, wechseln jeden Tag Bändchenfarben und müssen alle Mieter über die tagesaktuelle Farbe informieren.“

Ob das Bändchenmodell für andere Einkaufszentren nachahmenswert wäre, mag Hansen nicht beurteilen: „Wer in seinem Center einen hohen Anteil an Lebensmittelhandel und Drogeriemärkten hat, die man ja weiterhin ungeimpft besuchen darf, hat von den Bändchen kaum Vorteile“, sagt sie. „Auch wir beurteilen Aufwand und Nutzen gerade neu.“ Das Center könnte von den Bändchen abrücken oder diese nur noch an den besonders besucherstarken Tagen ausgeben. Ohne Bändchen müsste jedes Geschäft im Center wieder selbst kontrollieren.