Harburg. Hauptkommissar Jörn Hilgert arbeitet seit acht Jahren als Kontaktbeamter an der Harburger Waterkant. Und trifft immer mehr Einwohner.
Er ist Wasserschutzpolizist, aber selten auf Booten unterwegs. Jörn Hilgert nimmt das Fahrrad. Er radelt durch den Binnenhafen, spricht mit Anwohnern, Gewerbetreibenden, Unternehmern, Kunstschaffenden und anderen Mitgliedern der Hafenszene über das, was gerade anliegt. Anfang 2013 hat der heutige Hauptkommissar den Posten des Bürgernahen Beamten in Harburgs maritimem Viertel übernommen und nannte ihn seinen Traumjob. Vieles hat sich in den acht Jahren im Hafen verändert – der Traumjob ist geblieben.
Die Kontaktpflege, das Wissen, wer was gerade im Hafen plant, sei der wichtigste Teil seiner Arbeit, sagt der 57-Jährige. Der Binnenhafen gilt als Hafengebiet und fällt deshalb in die Zuständigkeit des Wasserschutzpolizeikommissariats 3 (WSPK3). Es hat seinen Sitz zwischen dem Harburger Hauptdeich und dem Überwinterungshafen in einem auffälligen, türkisfarbenen Dienstgebäude. Wenn im Binnenhafen Bauprojekte und andere große Projekte mit Transportaufwand geplant werden, spricht Hilgert mit den Unternehmen die Verkehrsführungen ab. Vor den Weihnachtstagen hat er Betriebe zum Thema Sicherheit beraten, „damit wir Anfang Januar keine Einbrüche aufnehmen müssen“. Auf Veranstaltungen wie Binnenhafenfest, Nacht der Lichter oder Nikolausmarkt ist er im Dienst und für jeden Besucher ansprechbar. Ebenso im Alltag. Dann steigt er von seinem Dienstfahrrad der Harburger Marke Trenga, gibt Auskünfte, hört sich Beschwerden an oder schnackt einfach nur kurz mit den Leuten.
Aus dem Bünabe wurde ein Künabe
Er mag seine Klientel: „Hier im Binnenhafen gibt es viele liebenswerte Menschen, auch skurrile Typen“, sagt der Kontaktbeamte. Es herrsche im Hafen ein „Mitmach-Geist: Wenn etwas zu organisieren ist, dann finden sich immer Freiwillige. Oder schauen Sie sich den Schellerdamm und die Schloßstraße an: Unter vielen Straßenbäumen sind kleine Gärtchen angelegt worden. Und am Kanalplatz gibt es eine Initiative, die am Wäldchen Sitzbänke und Blumenkästen aufgestellt hat. Die Leute bringen sich konstruktiv ein. Ihr Anteil ist deutlich größer als der Anteil derer, die nur meckern. Das ist nicht überall so.“ Die Binnenhafenszene hat ihm vor Jahren eine neue Bezeichnung verliehen: Aus dem Bünabe (Bürgernaher Beamter) wurde der Künabe (Küstennaher Beamter).
In den vergangenen acht Jahren seien viele Menschen in den Hafen gezogen. Hilgert: „Es passiert jetzt viel mehr an Land.“ Zu seinen Aufgaben gehört nun, Taschendieben bei Edeka nachzustellen, Senioren in einer Wohnanlage am Schellerdamm vor Enkeltricks zu warnen, mit den Schülern des Projekts Jugend in Arbeit auf der Schlossinsel über Mobbing via Smartphone zu sprechen oder Aufenthalte von nicht gemeldeten Personen zu ermitteln. Das alles habe dazu geführt, dass er heute noch weniger als früher auf dem oder am Wasser unterwegs sei.
Zum Schutz vor Diebstahl werden Bootsmotoren gekennzeichnet
Wasserschutz findet vor allem in den Seehäfen statt, die zum Revier des WSPK3 gehören. Immerhin gibt es auch im Binnenhafen maritime Betriebe wie die Jöhnk-Werft oder das Wasserbau-Unternehmen Hirdes. Dessen imposanter Eimerkettenbagger ist fast schon ein Wahrzeichen des Quartiers. Auch mit den ansässigen Wassersportvereinen pflegt Hilgert Kontakt. Und mit der am Ufer der Süderelbe gelegenen Knief-Werft. „Jahrelang haben wir auf dem Werftgelände zur Saisoneröffnung einen Stand mit Info-Material aufgebaut und bei Motoren oder in anderes Zubehör Nummern eingraviert, um sie vor Diebstahl zu schützen“, sagt der Künabe. „Inzwischen ist hier alles graviert, und wir werden nur noch auf Zuruf aktiv.“
Höchstens ein Viertel seiner Dienstzeit habe noch mit Wasserschutz zu tun, schätzt der Polizist mit maritimen Wurzeln. Aufgewachsen ist der gelernte Binnen- und Hochseefischer auf der Insel Rügen. Im August 1990, wenige Monate vor der Wiedervereinigung, wechselte er den Beruf und begann bereits im Westen seine Polizeiausbildung. „Ich wollte immer nach Hamburg“ sagt er. Vom Binnenhafen wusste er, längst bevor sich die Grenzen öffneten: „Mein Großvater war Friseurmeister auf Wanderschaft und hat in den 1930er Jahren im Harburger Hafen den Seemännern die Haare geschnitten.“ Er selbst machte im Rahmen seiner Ausbildung 1991/92 ein halbjähriges Praktikum im Harburger Hafen.
Die Fischhalle Harburg ist wie ein Dorfgemeinschaftshaus
Längst hat der zweifache Vater südlich der Elbe Wurzeln geschlagen. Mit seiner Frau und dem zwölfjährigen Sohn wohnt er in Jork. Seine Tochter (22) studiere in Maastricht europäisches Recht, sagt er mit väterlichem Stolz. Natürlich kennt auch seine Familie den Binnenhafen. Nach Dienstschluss sieht man sie bei Hafenveranstaltungen ab und zu in der Fischhalle. Dass die alte, vom Abriss bedrohten Halle am Kanalplatz erhalten werden konnte, sei „mindestens eine Bronzemedaille wert“, lobt Hilgert. Investor und Betreiber Werner Pfeifer habe sie mit der Bistro-Betreiberin Lavinia Nagel und ihrem Team zum Treffpunkt gemacht, zum „Dorfgemeinschaftshaus des Binnenhafens“.
Als Bünabe hat Hilgert immer ein offenes Ohr dafür, was die Menschen bewegt – „viele sind mitteilungsbedürftig, wenn sie mich ins Herz geschlossen haben“. Der Beachclub am Veritaskai werde noch immer vermisst. Und die vielen Baustellen gehen den Anwohnern auf die Nerven: „Die Arbeiten werden nicht generell abgelehnt, aber der Zeitplan und die mangelnde Kommunikation kritisiert“, sagt Hilgert und nennt ein Beispiel aus der Harburger Schloßstraße: „In einem der Fachwerkhäuser wohnt ein Mitarbeiter der HHLA und hatte dort auch sein Homeoffice. Er sagte mir, dass er aufgrund des Schwerlastverkehrs überhaupt nicht arbeiten könne und statt dessen in sein Büro am Burchardkai geflüchtet sei. Dort, mitten zwischen den Containerbrücken im Hafenbetrieb, sei es ruhiger.“
Maritime Betriebe müssen bleiben können
Er selbst sorgt sich darum, dass der Binnenhafen einige seiner Aushängeschilder zu verlieren droht. „Nehmen Sie die unendliche Geschichte um die Gebäude der NYH (New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie, die Red.). Die Fabrikgebäude waren schon Ruinen, als ich Anfang der 1990er Jahre hier als Praktikant arbeitete.“ Der Hafen sei wie eine unvollendete Sinfonie, es komme dauernd etwas hinzu. Dabei sollten die maritimen Klänge nicht übertönt werden: „Alteingesessene Firmen wie Segel-Raap, Hirdes, Peter Knief und andere müssen bleiben können. Wir haben schon die Firma SeaTerra verloren, die Kampfmittelräumung auf höchstem technischen Niveau macht. Für sie fand sich im Binnenhafen kein Platz mehr; sie ist nach Seevetal gegangen, wäre aber gern hier geblieben.“
Zu den schönen Erlebnisse zählt Hilgert Grundsteinlegungen, etwa für Arne Webers Hamburg Innovation Port. Für 2022 wünscht sich der Harburger Wasserschutzpolizist der Herzen „dass wir endlich mal rauskommen aus der Krise“. Es sei unklar, wie sich der Bedarf an Büroräumen entwickele, das lähme manche Projekte im Binnenhafen. Die Gastronomen haben „viel einstecken müssen“; sie sollten endlich durchatmen können. Und ein „Binnenhafenfest wie vor der Krise“ wäre schön. Die Krise habe viele Menschen gebeutelt, sagt Hilgert. „Ich kann nichts dagegen tun. Ich kann nur alle gefühlt in die Arme nehmen.“