Harburg. Immer wieder fragten die Kleinen im Morgenkreis etwas über Wohnungslosigkeit. Kita-Leiterin beschließt Besuch einer Unterkunft.
Es gibt Fragen, die auch schon die Kleinsten beschäftigen: Warum haben einige Menschen keine Wohnung? Wie fühlt es sich an, auf der Straße zu schlafen? Und: Feiern Obdachlose eigentlich Weihnachten?
Diese Fragen stellten die Kinder der Sinstorfer Kita Janusz-Korczak-Haus ihren Erzieherinnen, als sie vor einigen Tagen im Morgenkreis gemeinsam ein Foto eines obdachlosen Menschen betrachteten. Die Antworten können am besten die Betroffenen selbst geben, entschied Kita-Leiterin Susan Spangenberg – und stellte Kontakt zum Harburg-Huus, der Obdachloseneinrichtung am Außenmühlenweg her.
Kita-Kinder besuchen Obdachlose im Harburg-Huus
Sowohl die Kindertagesstätte als auch das Harburg-Huus werden vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), Kreisverband Hamburg-Harburg betrieben. So machten sich nun neun Kinder auf den Weg zum Besuch.
„Zunächst wollten wir einen obdachlosen Gast zu uns in die Kita einladen, doch aufgrund der Corona-Vorgaben ist das nicht möglich“, schildert Susan Spangenberg. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thorben Goebel-Hansen, Einrichtungsleiter im Harburg-Huus, organisierte sie den Ausflug.
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Das Harburg-Huus bietet Übernachtungsplätze für bis zu 15 Besucher und ist die einzige Obdachlosenübernachtungsstätte in Harburg – außerdem die einzige in ganz Hamburg, in die Besucher ihren Hund mitbringen dürfen.
Die Übernachtung ist aber nur eines der Angebote des Hauses. Der viel größere Teil der Arbeit wird tagsüber geleistet: Sozialberatung, Tagesaufenthalt, Kleiderausgabe, Dusch- und Waschgelegenheiten, Essen sowie eine wöchentliche Wundsprechstunde. Die wechselnden Corona-Bedingungen schränken das Angebot zwar häufig ein, aber grundsätzlich versuchen die Mitarbeiter des Hauses, so viel wie möglich für so viele Bedürftige wie möglich durchführen zu können.
Mit selbst gebackenen Keksen zum Harburg-Huus
Mit Tüten voll selbst gebackener Kekse und gemalten Bildern kamen die neun Kita-Kinder in Begleitung ihrer Erzieherinnen am Harburg-Huus an. Das DRK-Team um Einrichtungsleiter Thorben Goebel-Hansen sowie zwei Gäste, die aktuell in der Unterkunft übernachten, erklärten der Gruppe direkt vor Ort, warum Menschen ihr Zuhause verlieren können und wie ein Tagesablauf im Harburg-Huus aussieht. „Wohnen hier auch Kinder?", wollten die Kleinen zum Beispiel wissen.
Dass es gelingen kann, das Thema Obdachlosigkeit auch Kita-Kindern näher zu bringen, hat Kita-Leiterin Susan Spangenberg nie in Frage gestellt. „Wir arbeiten in unserer Kindertagesstätte aus der jeweiligen Situation heraus, das heißt, die Kinder signalisieren uns ihre Interessen und wir gehen mit unseren Angeboten darauf ein“, sagt sie. „Es war uns wichtig, den Kindern auch zu vermitteln, dass es für Menschen ohne Wohnung Hilfsangebote wie dieses Haus gibt.“
Baustein für die Akzeptanzim gesamten Stadtteil
Für Thorben Goebel-Hansen sind solche Besuche ein Baustein für die Akzeptanz des Harburg-Huus im gesamten Stadtteil. „Mit Aktionen wie dieser wollen wir Berührungsängste abbauen und dafür sorgen, dass Vorurteile gar nicht erst entstehen. Unser Ziel ist es, generationenübergreifend Verständnis für obdachlose Menschen zu wecken, natürlich altersgemäß auch bei Kindern.“
Wie lange das Harburg-Huus noch in dem ehemaligen Fabrikgebäude am Außenmühlenweg bleiben kann, ist derzeit unklar: Das gesamte alte Fabrikgelände wird derzeit neu überplant. Fast alle Altgebäude, auch das, in dem das Harburg-Huus eine Heimat gefunden hat, sollen abgerissen werden. Geplant ist, dort Wohnungen zu bauen. Nur ein Gebäude bleibt erhalten. Das DRK und der Investor des Neubauprojekts verhandeln darüber, ob die Obdachloseneinrichtung in dieses Gebäude umziehen kann. Grundsätzlich scheint es möglich. Die Verhandlungen ziehen sich allerdings schon seit Jahren hin und erfahren häufig neue Wendungen. „Parallel suchen wir auch nach Alternativen“, sagt Thorben Goebel-Hansen.
Harburg-Huus einzige Obdachloseneinrichtung im Bezirk
Weil das Harburg-Huus die einzige Obdachloseneinrichtung im Bezirk ist, setzen sich auch Bezirkspolitiker aller Parteien für das Haus ein. Sie wissen aber auch, dass noch mehr für Harburger Obdachlose getan werden müsste, als es das Harburg-Huus allein kann. Wenigstens im Winter sollte es mehr geschützte Übernachtungsmöglichkeiten geben, befand die Bezirksversammlung kürzlich und forderte die Sozialbehörde auf, in Harburg Schlafplätze des Winternotprogramms einzurichten.
Mit vielen neuen Eindrücken und einigen Antworten im Kopf machte sich die Kinderdelegation auf den Rückweg nach Sinstorf. Die Kleinen werden im nächsten Morgenkreis einiges zu erzählen haben. Und die nächsten Fragen reifen bestimmt auch schon in ihnen.