Harburg. Wird in Harburg genügend für die Obdachlosen getan? Vor allem im Winter stellt sich die Frage regelmäßig. Bezirkspolitik nimmt sich dem an.

Wird in Harburg genügend für die Obdachlosen getan? Vor allem im Winter stellt sich diese Frage immer wieder. Wirklich konkret lässt sich die Frage nicht beantworten. Schon die geschätzten Zahlen über Obdachlosigkeit in Harburg gehen weit auseinander. Aber auch ohne konkrete Daten haben viele Harburgerinnen und Harburger den Eindruck, dass mehr getan werden könnte. Die Bezirkspolitik nimmt sich des Problems an. Obdachlosen-Angebote, die es nördlich der Elbe gibt, speziell der Mitternachtsbus und das Winternotprogramm, sollen demnach nach Harburg ausgeweitet werden.

Hilfsangebote gibt es bereits. Ganzjährig beispielsweise im Harburg-Huus des DRK. Und das Habibi-Atelier hat jetzt gerade seine Aktion „Kunsttausch für Obdachlose“ gestartet, um Schlafsäcke und Hygienepakete zu sammeln.

Sozialbehörde soll weitere Übernachtungsplätze bereitstellen

Der Antrag kam von den Grünen und der SPD, angenommen wurde er einstimmig: Die Sozialbehörde wird aufgefordert, auch in Harburg Übernachtungsplätze des Winternotprogramms bereit zu stellen. Außerdem soll mit dem Diakonischen Werk Hamburg gesprochen werden, damit Harburg in die regelmäßigen Runden des „Mitternachtsbus“ aufgenommen wird. Beides sind keine neuen Forderungen und beide wurden in der Vergangenheit bereits abschlägig beschieden. „Das ist aber kein Grund, nicht darauf zu beharren“, sagt Bianca Blomenkamp, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksversammlung, „wir haben den Eindruck, dass die Hilfseinrichtungen beim Thema Obdachlosigkeit Harburg nicht auf dem Schirm haben!“

Schätzungen der Obdachlosen in Harburg gegen von 20 bis 200

Wie viele Obdachlose in Harburg tatsächlich „Platte machen“, also im Freien übernachten, wird sehr unterschiedlich eingeschätzt. In einem Statement aus dem Jahr 2019 spricht das Bezirksamt von 20 Menschen, aktuell hat die Straßensozialarbeit Kontakt zu 10. Allerdings gilt die Straßensozialarbeit im Harburger Kerngebiet auch als stark unterbesetzt. Der Künstler Sly, der mit Kunstaktionen des „Habibi-Atelier“ regelmäßig Spenden für Obdachlose sammelt, hat andere Zahlen. „Ich schätze, dass es mindestens 100 sind, bis zu 200“, sagt er. „Aber das schwankt auch sehr und viele suchen sich abgelegene, versteckte Orte.“

Auf die Suche geht er jeden Winter. In der Vorweihnachtszeit spenden die Künstler, die im Habibi-Atelier malen – Talente und Profis – Bilder und Skulpturen, die Harburgerinnen und Harburger für eine Spende erwerben können. Angenommen werden Sachspenden: wintertaugliche Schlafsäcke sowie Hygienepakete, die es im Drogeriemarkt in den Arcaden gibt. Die diesjährige Aktion läuft noch bis Sonnabend. Danach ist „Bescherung“: Der Künstler und seine Helfer verteilen die Dinge an Obdachlose.

Nur 15 offizielle Schlafplätze für Obdachlose in Harburg

„Vor Mitternacht fangen wir nicht an, denn da sind viele Obdachlose, die in Harburg nächtigen, noch in Hamburg unterwegs“, sagt Sly. „Vielleicht gehen die Zahlen auch deshalb so weit auseinander. Nachts zählt das Amt nicht.“

Offizielle Schlafplätze für Obdachlose gibt es in Harburg lediglich 15, im Harburg-Huus des DRK am Außenmühlenweg. Diese sind regelmäßig belegt. Tagsüber können sich mehr Obdachlose in der Einrichtung aufhalten. „Neben Übernachtung ist Tagesaufenthalt ein sehr wichtiger Aspekt der Obdachlosenarbeit“, sagt Harburg-Huus-Geschäftsführer Thorben Göbel-Hansen, „denn viele Obdachlose können gelegentlich oder über längere Zeiträume bei Bekannten übernachten, müssen deren Wohnungen aber tagsüber verlassen.“

5000 Wohnungslose bei Pflegen und Wohnen

5000 Wohnungslose sind längerfristig in Unterkünften des Trägers „Fördern und Wohnen“ untergebracht. Neun dieser Unterkünfte befinden sich im Bezirk Harburg. Für die, die Platte machen, gibt es in Hamburg bis zu 1050 Plätze. Derzeit sind es 750, eine Unterkunft wird in Reserve gehalten. Menschen, die draußen bleiben, werden unter anderem vom Mitternachtsbus des Diakonischen Werks mit Heißgetränken, Decken und Bedarfsartikeln versorgt.

Der Bus dreht seine Runde an Schlafplätzen in Hamburg-Mitte und Altona und ist ausgelastet. Eine Erweiterung des Angebots nach Harburg wurde deshalb schon früher abgelehnt. Beim DRK überlegt man, für Harburg einen solchen Dienst selbst einzuführen, ist laut Sprecher Steffen Wolff jedoch noch in einem sehr frühen Stadium.

Der „Kältebus“ fährt Harburg unregelmäßig an

Ein Obdachlosenbus fährt Harburg dennoch an – wenn auch nicht regelmäßig: Der Kältebus, ein Angebot, das die Obdachloseneinrichtung „CaFée mit Herz“ gerade vom Träger „Alimaus“ übernommen hat. Den Bus können Obdachlose anrufen. Auch Passanten, sie Obdachlose treffen, können dem Kältebus Bescheid geben. „Wir bedienen das ganze Stadtgebiet“, sagt Geschäftsführerin Maike Oberschelp, „und fahren bei Bedarf auch nach Harburg und Wilhelmsburg. Manchmal bringen wir auch Gäste ins Harburg-Huus. Wenn wir niemanden fahren, bringen wir ähnlich wie der Mitternachtsbus, Dinge an die Schlafplätze.“

Harburger Bezirkspolitiker finden, dass die vorhandenen Angebote nicht ausreichen: „Es ist dabei so, wie in vielen anderen Fragen auch“, sagt Bianca Blomenkamp. „Harburger Bedürftige finden den Weg über die Elbe nicht und die Angebote aus Hamburg den umgekehrten Weg ebenso wenig. Wahrscheinlich müssen wir mehr eigene Angebote schaffen!“

Informationen gibt es hier: Kältebus: 0151/65 68 33 68 (19-24 Uhr). Städtische Obdachlosenhilfe-Hotline tagsüber: 040/42 828 5000