Harburg. Hamburgs Technische Universität startet Präsenzbetrieb. Für einige Studierende ist es der erste “normale“ Unterricht.

Aufstehen, Frühstücken, Anziehen. Den Laptop hochfahren. Na? Erstes Stimmungsbarometer des Tages: Die Internetverbindung ist stabil. Bis jetzt. Rebecca Gorny hockt auf ihrem Sofa und startet die Vorlesung, es geht um die Grundlagen der Mathematik.

Gorny hat im vergangenen Jahr an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) ein Orientierungsstudium absolviert. Und das sei auch gut so gewesen: „Ich hab gemerkt, dass das doch nicht so meins ist“, sagt die 23-jährige Hamburgerin, die in Altona aufgewachsen ist, im Hinblick auf den ursprünglichen Plan, Verfahrenstechnik zu studieren. Während der vergangenen beiden Semester konnte sie dort, wie auch in anderen Bereichen einen ersten Einblick bekommen. Als das Semester im Oktober 2020 losging, hatte Gorny immerhin drei Veranstaltungen vor Ort: „Ich war überrascht, dass überhaupt so viel möglich war“.

TU in Harburg: Bereits nach sechs Wochen war Corona-Lockdown

Anfangs war das eine willkommene Abwechslung zu den übrigen digitalen Formaten, aber nach sechs Wochen war auch das nicht mehr möglich. Lockdown, zuhause bleiben war angesagt. Daran sollte sich bis heute nichts mehr ändern. Das im April 2021 beginnende Sommersemester wurde von vornherein digital angesetzt. „Gnadenlos alles“, das war Gornys Motto bei der Kurswahl im Frühjahr. Hatte sie sich im ersten Semester noch vergleichsweise zurückgehalten, so testete sie nun die ganze Bandbreite an Möglichkeiten aus.

Christian Wendt in seinem Büro. Nach Möglichkeit hat er die beratenden Telefonate auch in Pandemiezeiten von dort geführt.
Christian Wendt in seinem Büro. Nach Möglichkeit hat er die beratenden Telefonate auch in Pandemiezeiten von dort geführt. © HA | Sven Bleilefens

Für die technikaffine Hamburgerin war es ein Vorteil, dass die Wegstrecke auf dem Campus entfiel: „So konnte ich Kurse wählen, die direkt nacheinander stattfinden oder gar zur selben Zeit angesetzt waren!“ Dabei denkt sie an asynchrone Vorlesungen, die als Video aufgenommen werden und jederzeit zur Verfügung stehen. Gorny sagt dazu: „Man bekommt viel mehr mit. Ich hoffe, dass viele das so beibehalten.“

Zudem habe sie die Zeit zwischen den Sitzungen von zuhause aus gut nutzen können. Etwa beim Kochen oder Einkaufen. Kein Pendeln aus Altona vonnöten. Gorny gibt aber auch zu, dass sie nicht alle Kurse bis zum Ende mitmachen konnte. Sie suchte nach Balance. Wenn Arbeitsplatz und zuhause räumlich ineinander übergehen, sei die Versuchung groß, hier und dort noch einmal etwas zu tun. Die Hamburgerin versuchte es mit festen Pausenzeiten.

TU in Harburg:Studienberatung meldet vereinsamte Studenten

Insgesamt ist die 23-Jährige nach eigener Aussage gut mit der digitalen Lehre zurechtgekommen. Mit Blick auf die Schulen und Kitas sagt sie: „Wenn es jemand verkraften kann, dann wir Studenten.“ Gorny hat selbst einmal als Aushilfslehrerin an einer Schule in Wilhelmsburg gearbeitet. Schulbildung ist für sie von elementarer Bedeutung. Überhaupt hat die sie schon so einiges mitgemacht. Zwei Semester Chemie an der Universität Hamburg, ein Jahr als Au-pair in Australien, dazwischen unterschiedliche Minijobs. Gorny ist froh um diese Erfahrungen. Im Hinblick auf die Mathematik-Vorkenntnisse aus Schulzeiten heißt das aber auch: „Man rostet halt ein.“

Doch es gibt auch andere, denen das Studieren auf Distanz große Probleme bereitet hat. Zu der Studienberatung der TUHH kommen Studierende mit ganz verschiedenen Anliegen. Wechsel des Studienganges, Bewerbungen, aber auch Prüfungsängste oder Depressionen. Laut Studienberater Christian Wendt haben in Pandemiezeiten viele Studierende mit Einsamkeit, Motivationsproblemen oder der Selbstorganisation zu kämpfen. Besonders hart habe es dabei die Studienbeginner („Erstis“) und internationale Austauschstudierende getroffen. „Können wir einfach mal zusammen spazieren gehen?“, haben ihn zwei vereinsamte Personen irgendwann gefragt. Vielen habe schon ein Telefonanruf oder Videocall helfen können.

Harburger Studentin: Fast seltsam, die Menschen vor Ort zu sehen

Der 42-jährige Diplom-Psychologe Wendt sieht sich als ersten Ansprechpartner, oft komme es auch zu einer Prozessberatung, also einer Begleitung über einen längeren Zeitraum hinweg. Er stellt aber auch klar: „Wir haben hier kein Therapie-Angebot.“ Im Einzelfall müsse man Personen auch an andere Stellen weitervermitteln.

„Digital war nicht so belastend“, lautet Gornys Fazit. Trotzdem freue sie sich auf das am elften Oktober beginnende Präsenz-Semester, insbesondere auf den direkten Austausch mit den Mitstudierenden. Nach so langer Zeit erscheint es ihr schon etwas „seltsam, die Menschen vor Ort zu sehen“, aber das gehöre wohl dazu. Auch die Orientierung auf dem Campus sei noch so eine Sache. Wo muss Gorny denn da in Zukunft überhaupt hin? Sie hat sich für Engineering Science, die allgemeinen Ingenieurwissenschaften, entschieden.

2020 besuchten 7700 Studierende die Technische Universität Hamburg

Die Technische Universität Hamburg (TUHH) ist eine staatliche Universität, die im Jahr 1978 gegründet worden ist. Sie liegt im Bezirk Harburg. 2020 zählte sie etwa 7700 Studierende, ein Viertel waren internationale Austauschstudierende. An der TUHH soll in aktuell 44 Bachelor- und Master-Programmen, darunter Maschinenbau, Technomathematik oder Schiffbau, gelernt werden, Technik für die Menschen zu entwickeln. Rund 1100 Menschen schrieben sich im vergangenen Jahr als Studienanfänger ein.

Diese Regeln gelten an der TU in Harburg:

  • Das kommende Wintersemester 2021/22 ist überwiegend in Präsenz geplant. Für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen ist dabei die 3G-Regelung einzuhalten.
  • Sollten die Studierenden auf dem Campus keine Möglichkeit haben, den Mindestabstand von 1,5 Meter einzuhalten, ist auch hier ein Mund-Nasen-Schutz erforderlich.
  • In geschlossenen Räumen ist die Maske ohnehin Pflicht, dort kann sie in Ausnahmefällen, zum Beispiel während eines Vortrags, abgenommen werden.
  • Im Audimax, dem größten Hörsaal, werden Sitzplätze gesperrt, um den Abstand zu gewährleisten. Die Konzepte sollen laufend überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.