Sinstorf. Die Sinstorfer Kehrwieder-Brauerei expandiert und lädt am Wochenende zu Veranstaltungen ein. Einige Sorten sind besonders beliebt.

Mit Corona hat man in der Sinstorfer Kehrwieder Kreativ-Brauerei dreimal nichts am Hut: Erstens ist die Biersorte aus dem internationalen InBev-Konzern so gar nicht das, was sich die Craft-Beer-Brauer unter handwerklicher Braukunst vorstellen, zweitens möchte sich auch hier natürlich niemand mit der gleichnamigen Krankheit anstecken, und drittens hat die Pandemie dieser Krankheit das Geschäft der Kehrwieder-Brauerei zwar beeinflusst, aber nicht leiden lassen.

Kehrwieder expandiert. Man könnte lange darüber debattieren, ob trotz oder wegen Corona. In beidem steckt ein bisschen Wahrheit. Das Hauptgeschäft des Teams um Brauer Oliver Wesseloh ist immer noch das Erschaffen gehaltvoller Biere. Zum internationalen Verkaufsschlager entwickeln sich allerdings seine alkoholfreien Kreationen. Von Donnerstag bis Sonnabend laden die Kreativbrauer im Rahmen der „Hamburg Beer Week“ zu sich in die Brauerei ein.

„Natürlich hat sich die Pandemie auf das Geschäft ausgewirkt“, sagt Kehrwieder-Marketing-Chefin Julia Wesseloh, „aber nicht so, wie man jetzt denken würde. Es stimmt, dass uns während des Lockdowns die Gastronomie als Kunde weggebrochen ist und jetzt mit den Auflagen immer noch nicht so viel umsetzt, wie früher. Aber der Vertrieb über die Gastronomie ist nur ein Standbein. Alle anderen – unser Online-Shop, der Verkauf in regionalen Supermärkten und Getränkehandlungen, der freitägliche Brauereiverkauf und der Export haben angezogen.“

Craft Beer: Menschen haben sich im Lockdown mehr gegönnt

Die Brauer profitieren von einer Entwicklung, die auch andere Akteure in der Lebensmittelbranche beobachtet haben: Im Lockdown haben sich die Menschen zu Hause mehr gegönnt, nicht nur in der Menge, sondern auch in der Qualität. Und da kommen unter anderem die deutschen Craft-Beer-Brauer gut weg. „Viele haben sich wohl gesagt, dass sie Geld, das sie sonst in der Gastronomie ausgeben, zumindest zum Teil darin investieren, es sich zu Hause gut gehen zu lassen“; sagt Julia Wesseloh, „und dann kommen sie unter anderem auf uns. Dass der Online-Shop boomt, hat noch einen Nebeneffekt: Es werden mehr unser Spezialitätenbiere gekauft.“

14 verschiedene Sorten hat Kehrwieder derzeit im Angebot und noch viele mehr entwickelt, aber derzeit nicht auf Lager. Einige der Biere im Portfolio sind ständig erhältlich, andere saisonal, und wieder andere wechseln. Unter letzteren sind einige, die nicht jedermanns Sache sind, unter Kennern aber durchaus Fans haben. Man kann das mit Whisky oder Käse vergleichen: Auch dort kann man in der Herstellung bestimmte Geschmacksaspekte stark betonen, erreicht damit aber auch nur die Liebhaber dieser Aromen. In Supermärkten oder gängigen Online-Shops werden oft nur die drei bis fünf am besten laufenden Sorten angeboten. Auch da hat Kehrwieder einige Renner am Start.

Kehrwieder-Bier gibt es mittlerweile auch in Australien und Japan

Kehrwieder-Bier gibt es erst seit acht Jahren, aber mittlerweile auf der ganzen Welt. „Wir exportieren unter anderem nach Amerika, Australien und sogar Japan“, sagt Julia Wesseloh, „in Europa ist Großbritannien ein ganz starker Markt für uns.“

Besonders gut exportieren sich die alkoholfreien Craft-Biere aus Sinstorf. Oliver Wesseloh war mit seinem „Ü.NN“ Pionier des handwerklichen alkoholfrei-Brauens. Sie unterscheidet sich von der Herstellung alkoholfreier Biere in der Brauindustrie, wo entweder die Gärung vorzeitig gestoppt wird, was oft zu starkem Hefegeschmack führt oder dem fertigen Bier der Alkohol technisch entzogen wird, was viele solcher Biere wässrig schmecken lässt. Wesselohs Ansatz ist ein anderer: „Ich habe mich an mein Brautechnik-Studium erinnert. Als es um Hefen ging, wurde auch ein Stamm erwähnt, der beim Gären nur sehr wenig Alkohol erzeugt“, sagt er.

Die jüngsten Renner im Sortiment sind drei alkoholfreie Sorten

Mit dieser Hefe braut er das Bier ohne einschneidende technische Eingriffe. Nach einigen Experimenten kam Ü.NN heraus, das erste alkoholfreie India Pale Ale (IPA). IPAs sind unter Craft-Beer-Fans besonders beliebt. Das zweite alkoholfreie aus dem Hause Kehrwieder war der „Road Runner“. Das sehr malzige Stout, das mit Kaffee versetzt wird, ist nicht jedermanns Sache, aber für den Fahrer einer Trinkrunde gleichzeitig Durstlöscher und Wachmacher. Mit „Coconut Grove“ ist jetzt gerade das dritte alkoholfreie im Kehrwieder-Programm.

Alle drei alkoholfreien Kehrwieder-Biere gibt es am Sonntag in einer Sonderverkostung zur Matinee der trunksuchtkritischen Tragikomödie „Der Rausch“ im Zeise-Kino. Die anderen Kehrwieder-Veranstaltungen zur „Hamburg Beer Week“ finden in der Brauerei statt: Ein Bierkonzert am Donnerstag, der übliche verkaufsoffene Freitag und zwei Brauereiführungen mit Verkostung sowie ein besonderes Beer-Tasting am Sonnabend.

Craft Beer boomt: Brauerei zieht in größere Räume

Gerade ist Kehrwieder auf dem Sinstorfer Gewerbehof in der alten Molkerei mit seinem Lager in eine größere Halle gezogen. „Das ermöglicht es uns, die Produktion noch einmal zu steigern“, sagt Julia Wesseloh.“

Das Programm: Donnerstag ab 18 Uhr lädt Kehrwieder zum Konzert in der Brauerei ein. Die Singer-Songwriter Moni Atzl-Klingler aus Österreich und Jan Schröder aus Harburg spielen ebenso, wie die Gypsy-Swing-Formation Duke & Dukies.

Am Sonnabend gibt es zwei Brauereiführungen um 14 und 16 Uhr. Um 18 Uhr laden Gastgeber Oliver Wesseloh und Gastexperte Kolja Gigla von der Mashsee-Brauerei zur Verkostung von Craft-Bieren anderer Brauer ein. Die Brauerei befindet sich auf dem Gewerbehof Sinstorfer Kirchweg 74-92. Voranmeldung unter cheers@kehrwieder.beer ist erbeten.