Hamburg. Craft-Beer-Spezialisten können die Einbußen durch die Gastronomie-Schließungen mit originellen Ideen ausgleichen.

Erst vor wenigen Tagen hat der Deutsche Brauer-Bund mit einem Hilferuf aufgeschreckt: Die Situation der Branche sei nach den massiven Einbußen des Jahres 2020 durch die Corona-Pandemie „dramatisch und in der Nachkriegszeit ohne Beispiel“, vielen Betrieben drohe ohne schnelle staatliche Unterstützung die Insolvenz, hieß es.

Doch zumindest im Hinblick auf die Absatzmenge kommen mehrere kleine Hamburger Craft-Beer-Brauer bisher vergleichsweise gut durch die Branchenkrise. Zwar sei der Gastronomieumsatz „völlig weggebrochen“, sagt Sascha Bruns, Geschäftsführer der Landgang Brauerei aus Altona. Unter dem Strich habe man 2020 aber sogar etwas mehr Bier verkauft als im Vorjahr. „Die Menschen hören ja nicht auf zu trinken, sie verlagern das nur nach Hause“, so Bruns.

Landgang hat einen Lieferdienst eingerichtet

Zudem seien die Verbraucher seit dem ersten Lockdown bereit, im Supermarkt mehr Geld für Flaschenbier auszugeben als zuvor – was besonders den Anbietern von handwerklich produziertem Craft Beer zugutekommt. Landgang hat daneben nicht nur einen eigenen Onlineshop eröffnet, sondern schon im Frühjahr 2020 auch einen Lieferdienst eingerichtet. Freitags konnten Kunden außerdem auf Vorbestellung Fünf-Liter-Fässer im Werksverkauf abholen.

„Das lief sehr gut“, sagt Bruns. Feierstimmung kommt dennoch nicht auf. „Wir hatten, bis das Coronavirus kam, enge Kontakte zu manchen Gastronomen, die nicht wieder aufmachen werden“, so Bruns. Und geschlossen sei natürlich auch der eigene Ausschank, der für die Identität der Marke wichtig sei und in dem sonst Veranstaltungen wie etwa Hochzeiten abgehalten werden können.

Exportgeschäft ausgebaut

„Wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, wäre es ein fantastisches Jahr für uns gewesen“, sagt Julia Wesseloh, die bei der Kehrwieder Kreativbrauerei in Sinstorf unter anderem für das Marketing zuständig ist. Auch Kehrwieder musste keinen Absatzrückgang hinnehmen. „Unser Vorteil ist, dass wir klein und wendig sind“, sagt Wesseloh.

So hat man das Exportgeschäft mit Lieferungen nach England, nach Skandinavien und seit 2020 auch nach Frankreich ausgebaut. Kehrwieder konnte aber auch davon profitieren, dass schon vor dem Beginn der Pandemie ein Onlineshop bestand. „Kunden von kleinen, individuellen Brauern sind sehr loyal, sie haben es sich dann eben zu Hause mit unserem Bier gut gehen lassen“, so Wesseloh.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Wildwuchs Brauwerk aus Wilhelmsburg konnte nach Angaben von Friedrich „Fiete“ Matthies den Absatz zumindest annähernd auf dem Niveau des Jahres 2019 halten, auch wenn sich das Betriebsergebnis des Bio-Brauers deutlich verschlechtert habe: „Wir können Flaschenbier nicht mit dem gleichen Ertrag verkaufen wie Fassbier.“ Um die Einbrüche im Gastronomiegeschäft wenigstens weitgehend ausgleichen zu können, habe man unter anderem Online-Tastings für Firmen oder Gruppen veranstaltet oder kästenweise Bierflaschen mit personalisierten Etiketten angeboten.

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Die nebenberuflich von Jens Hinrichs betriebene Bunthaus Brauerei aus Moorwerder erreichte im Jahr 2020 sogar ein Absatzplus. Auch Hinrichs hat Online-Tastings angeboten und kann sich vorstellen, das auch nach der Pandemie fortzusetzen. Außerdem verkaufte er „Stammgast-Gläser“ für 25 Euro, die den Käufern einen Rabatt von zehn Prozent im Bunthaus-Schankraum gewähren – wenn er wieder geöffnet hat.