Harburg. Am Standort des stillgelegten Kohlekraftwerks wird viel Abwärme anfallen. Sie könnte zum Heizen von Wohnungen genutzt werden.

Der Standort des gerade stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg soll zur Produktionsstätte für grünen (regenerativ erzeugten) Wasserstoff werden, und der Bezirk Harburg könnte davon profitieren. Das wünscht sich Stephan Rutschewski, Leiter der neu gegründeten Abteilung Klima und Energie im Bezirksamt Harburg.

In Moorburg soll in einigen Jahren ein großer Elektrolyseur arbeiten, der mit Hilfe von Ökostrom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Dabei entsteht Abwärme, die Wohnquartiere oder größere Wärmekunden wie Krankenhäuser, Schwimmbäder oder Senioren-Wohnanlagen versorgen könnte, so Rutschewski.

Moorburger Abwärme könnte Harburger Haushalte beheizen

„Es ist damit zu rechnen, dass bei der Wasserstoffproduktion jährlich rund 50.000 Megawattstunden (MWh) Abwärme entstehen“, sagt Rutschewski, der sich seit 2016 im Bezirksamt um die energetischen Standards von Wohnquartieren kümmert. Unter seiner Regie entstanden die ersten Energiekonzepte für Viertel in Wilstorf und Neugraben. Die Moorburger Abwärme könnte der Herausforderung, möglichst viele Harburger Haushalte klimaschonend zu beheizen, einen großen Schub verleihen, hoffen die Klimastrategen im Bezirksamt. Je nach Bauart und -standard der Gebäude könnten rechnerisch rund 2500 Haushalte mit der überschüssigen Wärme beheizt werden.

Noch steckt das Wasserstoff-Projekt von Shell, Mitsubishi Heavy Industries, Vattenfall und Wärme Hamburg GmbH in den Kinderschuhen. Es fehlt die endgültige Zusage aus Brüssel, das Projekt im Rahmen der europäischen Wasserstoff-Allianz mit 520 Millionen Euro zu fördern. Dennoch geben die Investoren an, nach dem Rückbau des Kraftwerks schon 2025 in Moorburg Wasserstoff erzeugen zu können.

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Die neue Wärmequelle passt zu dem im Bezirk Harburg gesetzten Schwerpunkt, das Heizen in bestehenden Wohngebieten ökologischer zu gestalten. „Die Bestandsquartiere sind die große Herausforderung“, sagt Heiko Stolzenburg, Leiter des Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung, in dem die neue Klimaabteilung angesiedelt ist. „Es gibt hier unheimlich viele Haushalte mit veralteten Heizungen, gerade auch in verdichteten Stadtteilen mit Mehrfamilienhäusern.“

Dabei gehe es weniger darum, einzelne Heizungen auszutauschen. Die Planer setzen auf Nahwärmenetze, die komplette Straßenzüge oder Wohnviertel bedienen. Rutschewski: „Eine gemeinsame Wärmeversorgung lässt sich viel leichter Schritt für Schritt ökologischer machen. Natürlich müssen die Gebäude zudem besser gedämmt werden, um den Heizenergiebedarf zu senken. Je geringer er wird, desto eher lässt er sich klimaschonend decken.“

Klimaschutz? Mangelndes Interesse bei Investoren

Generell sei es nicht einfach, den Klimaschutz in die Stadtentwicklung zu integrieren, sagt Stolzenburg. Er stellt mangelndes Interesse bei Investoren fest: Sie interessierten sich vor allem für die Rendite und wollten dies über möglichst viel Baumasse erreichen. Es gelte, energetisch gute Wohnungen zu bauen, die dennoch nicht zu teuer sind, ergänzt Kollege Rutschewski. „Hier fehlt es zum Teil noch an zusätzlichen Qualifikationen bei Planern und Architekten.“

Stolzenburg sieht auch politische Defizite: „Es ist eine Herausforderung, Senatsziele wie den forcierten Wohnungsbau und Klimaziele miteinander in Einklang zu bringen. Das gilt auch im Bereich der Anpassung an Klimafolgen. Wie viel Versiegelung können wir uns angesichts drohender Starkregenereignisse noch leisten? Wir brauchen mehr Straßenbäume, allgemein Grün in der Stadt, um der absehbar steigenden Hitzebelastung entgegen zu wirken.“

Neue Klima-Abteilung in Harburg ist unterbesetzt

Die Probleme tauchen vor Ort auf, hier müsse konsequenter als bisher gehandelt werden. Doch fehle der Verwaltung dafür häufig das erforderliche Personal, so Stolzenburg: „Für unsere neue Klima-Abteilung hatten wir bei der Umweltbehörde elf Stellen beantragt. Bislang konnten jedoch nur drei Stellen bewilligt werden.“

Für das südöstliche Eißendorf hat der Bezirk beispielhaft untersucht, wie verletzlich ein eng besiedeltes Wohnquartier gegenüber Klimafolgen wie Hitze und Starkregen ist und wie darauf zu reagieren ist. Stolzenburg: „Das Rathausumfeld und Teile Eißendorfs sind hoch verdichtet. Mit dem Bezirksamt und einer großen Wohnungsbaugesellschaft haben wir hier zwei maßgebliche Player, wenn es darum geht, den Klimaschutz voranzubringen und sich gegen Wetterextreme zu wappnen. Dadurch sind hier Maßnahmen leichter umzusetzen, als wenn sehr viele Eigentümer ins Boot zu holen sind.“

Moorburger Wärmequelle soll vor allem Harburg versorgen

Die Verwaltung setzt deshalb auch bei der Schaffung neuer Wärmenetze vorrangig auf institutionelle Gebäudeeigentümer. Derzeit sei sie mit dem Technologiekonzern Continental im Gespräch, um zu ergründen, ob sich Wilstorfer (Neubau-)Wohnungen zukünftig mit Abwärme aus dem alten Phoenix-Produktionsstandort heizen lassen. Und im Westen des Bezirks laufen Gespräche mit dem Unternehmen HanseWerk Natur über die Versorgung eines Wohnquartiers in Neugraben.

In Harburg gibt es bereits einige Nahwärmenetze. Das unterscheidet den Bezirk von den nördlichen Stadtteilen, die hauptsächlich an ein großes Fernwärmenetz angeschlossen sind. Sechs Unternehmen engagieren sich in Harburg, darunter innogy, Hamburg Energie und HanseWerk Natur. Letzteres leitet bereits Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm nach Neuwiedenthal. Generell werde die industrielle Abwärme aus dem Süden Hamburgs aber eher „nach Norden ausgekoppelt“, bedauert Stephan Rutschewski. Und er wünscht sich, dass bei der entstehenden Moorburger Wärmequelle vorzugsweise Harburg bedacht wird.

Zu den Hintergründen:

  • 2009 wurde in Hamburg das Projekt RISA (RegenInfra StrukturAnpassung) gestartet, um eine „wassersensible Stadtentwicklung“ zu fördern. Die Neubaugebiete Fischbeker Heidbrook und Vogelkamp Neugraben gelten als vorbildhaft. Regenwasser versickert und verdunstet auf privaten und öffentlichen Grünflächen oder in Gewässern. Es wird in Mulden und Gräben zurückgehalten oder offen abgeleitet, anstatt im Kanal zu landen. Dadurch fließt das Wasser verzögert ab oder bleibt am Ort, ohne Überschwemmungen anzurichten.
  • Offiziell wurde RISA 2015 abgeschlossen, doch schuf das Projekt die Basis für alle weiteren Planungen. Darunter ist auch eine „Starkregengefahrenkarte“. Ihr ist zu entnehmen, welche Gebiete in Harburg und in anderen Bezirken besonders leicht überschwemmt werden. Sie steht im Geo-Portal Hamburg oder ist auf der Seite risa-hamburg.de zu finden.
  • Die Anpassung an Folgen des Klimawandels ist ein Harburger Schwerpunkt. Eine von drei Stellen der neuen Abteilung Klima und Energie ist ihr gewidmet. Hier sollen beispielhaft Wohnquartiere nach ihrer Empfindlichkeit gegenüber Hitze und Starkregen untersucht und Maßnahmen entwickelt werden, um die Bewohner zu schützen.