Harburg. Die Genossenschaft zeichnet sich bis heute durch innovative Wohnprojekte aus – moderner Schwerpunkt liegt bei nachhaltiger Energienutzung.

4800 Mitglieder, 3200 Wohnungen: Der Eisenbahnbauverein Harburg (EBV) spielt im Orchester der Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften zwar eher eine kleine Stimme, aber für Harburg ist diese Genossenschaft nicht nur einer der wichtigsten Wohnungsgeber, sondern prägte auch ganze Quartiere. Vor 100 Jahren wurde die Genossenschaft gegründet, ganz in der Nähe der Stelle, wo einige Jahre später ihre ersten Häuser entstehen sollten.

160 Eisenbahnmitarbeiter waren im April 1921 im Lokal „Dittmers Tivoli“ am Reeseberg zusammengekommen. Sie hörten zu, wie Lokomotivführer Alfred Höhlein die Idee der Baugenossenschaft vorstellte. 85 traten ein. Sie verpflichteten sich, monatlich fünf Reichsmark in die gemeinsame Kasse zu zahlen, um damit Wohnungen zu bauen. Mit seinen Bahnhöfen, einem Gleisbauhof und dem Ausbesserungswerk war Harburg eine wichtige Eisenbahnerstadt. Mehr als 1000 Menschen arbeiteten hier für die Reichsbahn. Wohnraum war für sie knapp. An Werkswohnungen dachte die Bahn erst später. Dafür aber unterstützte sie die Idee der Genossenschaften, und zwar auch mit Geld. Im September 1921 wurde der Eisenbahnbauverein amtlich ins Genossenschaftsregister eingetragen.

Erstes Bauprojekt entstand vor 100 Jahren an der Zimmermannstraße

Dank der Unterstützung durch die Reichsbahn konnte der EBV noch im Gründungsjahr ein Grundstück an der Zimmermannstraße – mit Blick auf die Gleise – erwerben und losbauen. 1922 wurden die ersten 20 Wohnungen verlost. Sie erregten auch außerhalb der Eisenbahnergemeinde Aufmerksamkeit: Die Dreizimmerwohnungen, die sich auf fünf zweigeschossige Häuser verteilten, boten mit 78 Quadratmetern nicht nur viel Platz, sie waren auch intelligent geschnitten und hatten – damals noch ein Luxus – jede eine eigene Toilette. Es gab einen Trockenboden, einen Waschkeller, die Möglichkeit im Keller Werkstätten einzurichten und Selbstversorgergärten, in denen man in einem kleinen Stall sogar Hühner halten oder Schweine mästen konnte. Schweine gibt es hier nicht mehr, die Stallgebäude schon. Sie stehen unter Denkmalschutz. Noch heute sind die Häuser Zimmermannstraße 12 – 20 unter den begehrtesten Mietobjekten des EBV.

Das neue Projekt des Eisenbahnbauvereins an der Bremer Straße schafft ein innovatives Quartier.-
Das neue Projekt des Eisenbahnbauvereins an der Bremer Straße schafft ein innovatives Quartier.- © EBV Harburg | Gerber Architekten/EBV

Nur kurz ausgebremst durch die Hyperinflation von 1923 wuchs das Baugebiet an der Zimmermannstraße schnell, und weitere kamen hinzu. Das neue, urbane, Wilstorf wurde geprägt vom Eisenbahnbauverein, vor allem an Reeseberg und Rosentreppe. Die große Uhr in der Mitte der Rosentreppe gab zum Schichtwechsel im Eisenbahnwerk ein kurzes Sirenensignal.

Heute leben Menschen aller Berufsgruppen und Generationen in EBV-Wohnungen

Waren es zu Anfang tatsächlich nur Eisenbahner, die EBV-Genossen waren, änderte sich dies in den 1930er-Jahren. Die Nazis ordneten die Fusion kleinerer Baugenossenschaften unter dem Dach von größeren an. Der EBV „schluckte“ so die „Gemeinnützige Wohnungsbau AG“, und die Genossenschaften „Eigenheim“, „Selbsthilfe“, „Elbestrand“ und „Beamten-Wohnungsverein“ und übernahm deren, meist branchenfremden, Mitglieder. „Was ich am Eisenbahnbauverein ganz wichtig finde, ist, dass er immer innovativ gebaut hat und dies bis heute tut“, sagt der Baudezernent im Harburger Bezirksamt, Christian Lied, „die Eisspeicherheizung an der Friedrich-List-Straße ist ein Beispiel dafür!“

Heute wohnen beim Eisenbahnbauverein Menschen aller Berufsgruppen und aller Generationen. Der Wohnungsbestand findet sich überwiegend in Harburg, aber auch in Seevetal auf der Uhlenhorst ist der EBV vertreten. „In unseren Wohnanlagen leben viele Mitglieder schon seit Jahrzehnten“, sagt Vorständin Alexandra Chrobok. „Wir versorgen sie nicht nur mit Wohnraum, sondern bieten auch Unterstützung in sozialen Fragen sowie kulturelle Veranstaltungen. Der EBV wird als Gemeinschaft wahrgenommen.“

Umweltgerechtes Bauen hat sich zum neuen Schwerpunkt der Genossenschaft entwickelt

„Ein anderer Schwerpunkt ist umweltgerechtes Bauen“, sagt Vorstand Joachim Bode, „von der Brauchwassernutzung bis zur Eisspeicherheizung denken wir dabei nicht nur ökologisch, sondern haben dabei auch die Betriebskosten der Mitglieder im Blick. Unsere Firmenfahrzeuge sind mit verschiedenen alternativen Antrieben motorisiert.“

Auch heute noch baut der EBV neue Wohnungen. Das nächste große Projekt liegt entlang der Bremer Straße an. Hier wird nachverdichtet, 145 neue Wohnungen entstehen, wo bislang nur 69 waren. Gebaut wird in zwei Stufen: Wenn die erste fertig ist, ziehen dort die letzten Mieter aus den Altbauten ein, welche dann für die zweite Stufe weichen. „Das macht den EBV aus: Bauen mit sozialem Bewusstsein“, lobt Frank Richter (SPD), Vorsitzender des Harburger Stadtentwicklungsausschusses, „so schafft die Genossenschaft seit 100 Jahren guten und bezahlbaren Wohnraum.“