Harburg. Der Verein hat seine Häuser an der Winsener Straße mit Illusionsmalerei aufhübschen lassen. Seit zehn Wochen laufen die Arbeiten.
Manche Häuser haben Fenster, wo in Wirklichkeit gar keine Fenster vorhanden sind. Oder es gibt Ziegelmauerwerk, das nicht die geringste Spur von gebranntem Ton enthält. Gleiches ließe sich von Mauerwerksvorsprüngen sagen, die scheinbar aus feinstem Sandstein gehauen sind und die Blicke der Passanten auf sich ziehen. Da sind aber auch noch schmiedeeiserne Rosetten an den Fassaden, die niemals Rost ansetzen werden. Das ist ganz einfach phantastisch und nichts anderes als optische Täuschung.
Harburgs 1920 gegründete Baugenossenschaft „Eisenbahnbauverein Harburg“ (ebv) ist jetzt mit Fassadengestaltung unter die Zauberkünstler gegangen. Sie spiegelt dem Betrachter vor, was es so gar nicht gibt. Und jeder Fußgänger oder Autofahrer, der derzeit an den Häusern Winsener Straße 45-55 vorbei kommt, kann nur staunen, was aus den einst tristen, gut 90 Jahre alten Häusern geworden ist: Sie sind mit Pinsel, Rolle und Farbe in echte Schmuckstücke verwandelt worden. „Die Entscheidung war gut, auf Fassadenmalerei zu setzen“, sagt Jörn Becker, Technischer Leiter des Eisenbahnbauvereins, „wir haben bislang nur positive Äußerungen von unseren Mietern und den Leuten auf der Straße gehört.“
EBV-Vorstand Joachim Bode sagt, dass es eine Entscheidung gibt, Häuser mit Putzfassaden in ihrer eigentlichen Form zu belassen. Bode: „Und daran hat sich in der Grundstruktur auch nichts geändert. Unsere Häuser an der Winsener Straße haben nach wie vor eine Putzfassade. Nur sehen sie nicht mehr danach aus. Sie sind durch die künstlerische Fassadenbemalung richtig hübst geworden. Das bekommen wir von allen Seiten bestätigt.“ Die Gebäude an der Winsener Straße gehören zum sogenannten „Rosentreppen-Ensemble und sind in den Jahren 1926 bis 1933 gebaut worden. Fünf Fassaden-Kunstmaler der Berliner Firma Graco sind seit zehn Wochen an den insgesamt sechs Häusern beschäftigt. Drei Fassaden im nördlichen Abschnitt sind bereits fertiggestellt. Drei Häuser im südlichen Abschnitt stehen noch hinter Gerüsten, die mit Schutzplanen verhängt sind. Ende diese Woche sollen auch hier die Arbeiten fertiggestellt sein.
Ende der 1990er Jahre hatte die Baugenossenschaft auf die Mehrfamilienhäuser mit Putzfassade eine Wärmedämmung aufbringen lassen, die wieder eine Putzschicht erhielt.. Becker: „Der Putz hatte einen Anstrich aus hellgelber Fassadenfarbe erhalten. Jetzt war es an der Zeit, den Anstrich erneuern zu lassen. Und da lag uns zum Glück das Angebot der Berliner Firma vor, die auf derart kunstvolle Fassadengestaltung spezialisiert ist.
Graco ist ein vor 20 Jahren gegründeter mittelständischer Betrieb aus Berlin-Prenzlauer Berg mit rund 24 Mitarbeitern. „Wir sind Spezialisten für Architektur Illusionsmalerei“ sagt Mitarbeiter Erik Mahnkopf, „die Entwürfe der grafischen Fassadengestaltung haben wird am Computer angefertigt. Für Schriften und Symbole werden Schablonen angefertigt. Und ganz wichtig ist es nachher, wenn man dann auf dem Gerüst direkt vor der Fassade steht, dass alles genau aus der Computergrafik Zentimeter für Zentimeter auf das Gebäude übertragen wird. Ohne Wasserwaage und Maßband geht da gar nichts.“
Sein Kollege Grigori Dor sagt: „Für uns ist ein Haus wie eine Leinwand. Wir arbeiten hier mit Acryl-Fassadenfarbe. Heute sind die Anstriche von sehr hoher Qualität und Haltbarkeit. Dieser Anstrich dürfte mehrere Jahrzehnte halten. Wir haben bei den Arbeiten hier in Harburg gut 200 verschiedene Farbtöne verarbeitet, um die plastische Wirkung von echtem Mauerwerk zu erzielen.“ Und wenn es ums Bezahlen geht, dann zeigt sich EBV-Vorstand Joachim Bode nicht erschreckt: „Ein schlichter Anstrich hätte uns gut 60.000 Euro gekostet. Diese künstlerisch gestalteten Fassaden bekommen wir für 100.000 Euro.“
Die Fassadenmalerei ist Teil der fortlaufenden Immobilieninstandhaltung. Der Eisenbahnbauverein zählt rund 500 Häuser mit 3207 Wohnungen. Die Genossenschaft hat 5.000 Mitglieder. Bereits seit Jahrzehnten investiert die Gemeinschaft in die Nutzung erneuerbarer Energie. Bode: „Weil wegen der Fassaden Gerüste an der Winsener Straße standen, haben wir die Gelegenheit genutzt und auf einigen Hausdächern weitere Solartechnik für Stromerzeugung installieren lassen. Zugleich ist alte Solartechnik von 1996, die nicht mehr die volle Leistung brachte ausgewechselt worden. Nun haben wir die Leistung von 4,6 auf 9,8 Kilowatt in der Spitze steigern können. Das zahlt sich aus.“