Hamburg. Zuvor hatte das angeschlagene Krankenhaus bereits die Notaufnahme zeitweise abgemeldet. Leitung spricht von Vorsichtsmaßnahme.
Seit dem vergangenen Sonnabend lässt das Hamburger Krankenhaus Groß-Sand keine Krankenbesuche bei seinen Patienten mehr zu. Schnell machte das Gerücht die Runde, dies habe mit den geplanten Sparmaßnahmen der Klinik zu tun. Das hat es keineswegs, heißt es aus dem Krankenhaus. Vielmehr habe man sich zu dem Schritt entschlossen, weil in Wilhelmsburg besonders viele besonders anfällige Patienten behandelt werden.
Aus der Hamburger Sozialbehörde kommt dazu die Information, dass es in der Klinik Corona-Infektionen gegeben habe – am Wochenende war wegen des Verdachts auf Infektionen bereits die Notaufnahme zeitweise abgemeldet worden.
Klinikleitung: Besucherstopp ist Vorsichtsmaßnahme
Währenddessen wächst in Wilhelmsburg die Bewegung zum Erhalt der finanziell angeschlagenen Klinik, denn was Bistum und Klinikleitung als Umstrukturierung bezeichnen, ist in den Augen vieler Wilhelmsburger ein Schritt zur Abwicklung des katholisch getragenen Stadtteil-Krankenhauses. Vergangene Woche gab es eine Demonstration gegen die Sparpläne. 500 Teilnehmer zogen durch das Reiherstiegviertel. In den Tagen zuvor hatten sie fast 10.000 Unterschriften für den Erhalt der Klinik gesammelt.
Kliniksprecherin Sarah Siewecke betont noch einmal, dass die Besucher-Sperre nichts mit der Umstrukturierung des Krankenhauses zu tun hat: „Wir haben hier einen geriatrischen Schwerpunkt und deshalb besonders viele besonders alte Patienten in der Klinik“, sagt sie, „diese wären bei einer Infektion mit dem Corona-Virus sehr viel anfälliger für fatale Verläufe. Um sie zu schützen, haben wir uns angesichts allgemein steigender Infektionszahlen zu dieser Maßnahme entschlossen.“
Besuchsverbot in Groß-Sand wurde nicht öffentlich bekannt gegeben
Nach anfänglicher Verwirrung – das Besuchsverbot wurde nicht öffentlich bekannt gegeben – waren die meisten Wilhelmsburger einsichtig. „Wenn wir ihnen an der Tür erklärt hatten, warum sie ihre Lieben nicht besuchen können, haben sie es meistens eingesehen, immerhin geht es ja auch um den Schutz derer, die sie besuchen wollen“, sagt eine Krankenschwester.
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Lutz Cassell, Bürgervertreter im Stadtteilbeirat Wilhelmsburg, findet die Entscheidung sogar gut: „Wenn es wirklich nur dem Schutz dient, ist das eine verantwortungsvolle Entscheidung“, sagt er, „aber es hätte kommuniziert werden können. So ist das jetzt gelaufen, wie die Ankündigung der Sparpläne, völlig intransparent.“
Eine reine Präventivmaßnahme war die Besuchersperre aber wohl eben doch nicht, denn im Corona-Briefing der Sozialbehörde vom Dienstagnachmittag heißt es: „Mehrere bestätigte Fälle gab es auch im Krankenhaus Groß-Sand, das sich bereits bei Auftreten des Infektionsverdachts vorsichtshalber zeitweise von der Teilnahme an der Notfallversorgung abgemeldet hatte.“ Die Corona-Patienten seien mittlerweile zur Versorgung an ein anderes Krankenhaus verlegt worden, heißt es weiter.
Inhalt des Sanierungskonzepts ist weiter unbekannt
Wie es mit der finanziell angeschlagenen Klinik weitergeht, ist unklar. Eine Lenkungsgruppe aus Sozialbehörde, Bistum, Bürgerschaft und kassenärztlicher Vereinigung will ein Konzept erarbeiten, wie die medizinische Versorgung Wilhelmsburgs bestmöglich erhalten werden kann. Das Bistum hat dort ein Sanierungskonzept vorgelegt.
Wie dies aussieht, kommuniziert die Kirche allerdings weder nach außen, noch nach innen. In einem Schreiben an die Mitarbeiter beteuert die Klinikleitung lediglich, das Krankenhaus erhalten zu wollen: „Die in der Presse aufgegriffene Idee eines Stadtteilgesundheitszentrums führte zu Spekulationen, dass in Wilhelmsburg der Fokus künftig nur noch auf der ambulanten Versorgung liegen soll. Das ist falsch“, heißt es in den Rundbrief. „Richtig ist aus unserer Sicht eine engere Anbindung beziehungsweise Kooperation mit dem Marienkrankenhaus.“
Zukunft der Klinik bleibt offen – was wird aus der Chirurgie?
Die Wilhelmsburger befürchten, dass dabei ausgerechnet die Chirurgie-Betten komplett über die Elbbrücken wandern sollen. „Dabei hat der vorletzte Groß-Sand-Geschäftsführer noch betont, dass die Chirurgie das Herzstück jeder Klinik sei“, wundert sich der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich (SPD). „Deshalb wurden ihm Millionen Euro bereitgestellt, um die Chirurgie in Groß Sand zu modernisieren und auszubauen. Dann wurde er abgelöst, die Pläne nicht umgesetzt und das Geld verfiel.“
Mittlerweile gilt der OP der Groß-Sand-Chirurgie als Sanierungsfall und Teil des Investitionsstaus, der die Klinikfinanzen mindestens so belastet, wie die Pensionsverpflichtungen. Gesundheitspolitiker beklagen, dass für Groß Sand bereit stehende Investitionsmittel regelmäßig nicht abgerufen würden. Dafür würden die Geschäftsführer zu häufig wechseln. Endgültig geschlossen ist seit Donnerstag die Pflegeschule. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht mehr ausgebildet wird: „Lediglich der Theorie-Unterricht findet jetzt an einer anderen Schule statt“, sagt Sarah Siewecke. „Dass wir nicht mehr ausbilden ist ein Missverständnis!“