Hamburg. Die Ankündigung von Vattenfall zur Abschaltung löst eine Diskussion über die Folgen aus. Ist das Kraftwerk systemrelevant?

Die Ankündigung von Vattenfall, das Kohlekraftwerk Moorburg stilllegen zu wollen, sorgt in Hamburg weiter für Diskussionen. Dabei ist längst nicht klar, dass Vattenfall bei der Auktion um hohe Prämien für die Abschaltung von Kohlekraftwerken überhaupt den Zuschlag bekommt.

Es wäre zudem auch denkbar, dass das vergleichsweise moderne Kraftwerk von der Bundesnetzagentur als systemrelevant für die Energieversorgung eingestuft wird. Dann würde es „zunächst nicht endgültig stillgelegt, sondern zur Gewährleistung der Netzsicherheit in die Netzreserve überführt“, wie die Agentur am Montag auf Nachfrage mitteilte. Sprich: Moorburg würde wohl als derzeit unverzichtbar gelten und weiterlaufen.

Kraftwerk Moorburg zuletzt nur unterhalb der Auslastung gelaufen

In der vom grünen Senator Jens Kerstan geführten Umwelt- und Energiebehörde sieht man offenbar so oder so keine Zukunft für das Kraftwerk. „Moorburg ist zuletzt weit unterhalb der maximalen Auslastung gelaufen“, sagte Kerstan-Sprecher Jan Dube dem Abendblatt.

„Angesichts der schwierigen Marktlage für Kohlestrom fährt das Kraftwerk nach unserer Einschätzung laufend Verluste ein. Das zeigt auch die Teilnahme an der Stilllege-Auktion mit einem so jungen Kraftwerk. Selbst wenn Moorburg bei der 2020er-Auktion keine Stilllegeprämie bekommt, wird der Konzern sich die Karten legen müssen, ob er betriebswirtschaftlich die Reißleine ziehen muss.“

Versorgungssicherheit auch ohne Moorburg nicht gefährdet

Das Kraftwerk Moorburg (hier vom Moorburger Elbdeich aus gesehen) könnte schon bald abgeschaltet werden.
Das Kraftwerk Moorburg (hier vom Moorburger Elbdeich aus gesehen) könnte schon bald abgeschaltet werden. © Andreas Laible | Andreas Laible

Während man sich in der Industrie und auch in der Wirtschaftsbehörde angesichts der jüngsten Entwicklung Gedanken über die Sicherheit der Energieversorgung macht, gibt man sich in der Umweltbehörde entspannt. „Moorburg speist seit jeher direkt ins bundesweite Übertragungsnetz ein, Strom aus Moorburg wird an der bundesweiten Strombörse gehandelt“, so Dube. „An der Börse gibt es ein Überangebot, deshalb ist die Versorgungssicherheit auch ohne Moorburg nicht gefährdet.“

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In der Industrie legt man derweil Wert auf Klarheit. „Die größte deutsche Industriestadt Hamburg, unter anderem mit Metallerzeugung, Petro- und chemischer Industrie, ist auf eine zuverlässige Energieversorgung dringend angewiesen“, betonte Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender Industrieverband Hamburg (IVH).

„Dies muss Richtschnur für die Energiepolitik an unserem Standort sein. Nur zu sagen, Moorburg kann abgeschaltet werden und der Strom kommt aus der Steckdose, reicht nicht. Da der Senat offenbar von der Ankündigung zur Zukunft des Kraftwerks Moorburg überrascht war, wird deutlich, dass ein belastbares Konzept für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung schnell auf den Tisch muss.“

Aurubis: Müssen zuverlässig mit Strom versorgt werden

Ähnlich sieht man es beim Kupferproduzenten Aurubis. „Als energieintensives Unternehmen ist es für uns wichtig und entscheidend, dass wir 365 Tage im Jahr zuverlässig mit Strom versorgt werden. Wir befürworten die Energiewende und möchten mehr grünen Strom beziehen – aber zu wettbewerbsfähigen Bedingungen. Denn wir sind ein Unternehmen, das im weltweiten Wettbewerb steht“, hieß es dort am Montag.

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Der Stahlkonzern ArcelorMittal Hamburg betonte, dass er Strom für die Stahlproduktion direkt am Markt beziehe und auch für ihn „Versorgungssicherheit oberste Priorität“ habe. „Darüber hinaus arbeiten wir an der Herstellung von grünem Stahl, für den wir dauerhaft grünen Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien benötigen.“

Kraftwerk Moorburg schreibt rote Zahlen

Beim Umweltverband BUND geht man ähnlich wie in der Umweltbehörde davon aus, dass das Kraftwerk so oder so nicht mehr lange laufen wird. „Wir rechnen damit, dass Vattenfall das Kraftwerk auch ohne Entschädigung abschaltet wird“, sagte BUND-Hamburg-Chef Manfred Braasch.

Das zeige sich auch an der öffentlichen und internen Kommunikation Vattenfalls zu dem Thema. Zudem schreibe das Kraftwerk rote Zahlen, so Braasch. Die Stromversorgung sei auch ohne Moorburg gesichert, schließlich habe Deutschland im vergangenen Jahr sogar 37 Terrawattstunden mehr Strom exportiert als importiert.

Vattenfall wartet nun die für Dezember erwartete Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Vergabe der Abschaltprämien ab – und betonte am Montag erneut: „Sollte Moorburg nicht zum Zuge kommen, werden wir fortfahren, sämtliche Zukunftsperspektiven für das Kraftwerk und seine Beschäftigten in Betracht zu ziehen und zu prüfen.“