Hamburg. Genehmigung zur Entnahme von Kühlwasser aus der Elbe ist rechtswidrig. Es geht um Schutz von Fischarten. Vattenfall will neuen Anlauf nehmen.

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat vor Gericht erneut eine empfindliche Niederlage beim Streit über den Betrieb des Kohlekraftwerks Moorburg kassiert. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg entschied jetzt, dass die von der Stadt erteilte Erlaubnis zur Nutzung von Elbwasser für die Kühlung des Kohlemeilers „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ ist.

Damit darf Vattenfall auch künftig kein Elbwasser für die Durchlaufkühlung nutzen, sondern muss weiterhin einen für den Betrieb deutlich teureren Kühlturm verwenden. Allerdings hat Vattenfall nun zwei Möglichkeiten: Das Unternehmen kann gegen das Urteil in Revision gehen – oder die nun „ festgestellten Mängel in einem ergänzenden Verfahren heilen“, sprich: nachbessern, um die Erlaubnis unter für die Natur verbesserten Bedingungen doch zu erhalten.

BUND klagte bereits 2010 gegen Kraftwerk Moorburg

Das jetzige Urteil ist ein weiterer Akt in einem schier endlosen Streit, der das Kraftwerk Moorburg von seiner Planung an begleitet. Das Thema spielte schon bei der Genehmigung durch die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk im Jahr 2008 eine Rolle. Die Idee, die wasserrechtliche Erlaubnis zu versagen und das Kraftwerk wie seinerzeit im Wahlkampf versprochen zu verhindern, hatten die Grünen nach einem gerichtlichen Hinweisbeschluss verworfen. Sie sahen sich verpflichtet, das Megakohlekraftwerk gegen ihren Willen zu genehmigen.

2010 klagte der Umweltverband BUND gegen die wasserrechtliche Erlaubnis. Das OVG gab der Klage 2013 teilweise statt und die „Gewässerbenutzung zum Zweck der Durchlaufkühlung“ wurde untersagt. Weil Stadt und Vattenfall zusammen in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zogen, blieb die Entscheidung zunächst folgenlos und Vattenfall konnte weiter Elbwasser nutzen.

Deswegen erwirkte der BUND parallel ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der 2017 die Durchlaufkühlung mit Blick auf Schäden für den Fischbestand und die Erwärmung des Flusses als Verstoß gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) wertete und feststellte: Die wasserrechtliche Erlaubnis für das Kraftwerk hätte so niemals erteilt werden dürfen. Seither darf Vattenfall kein Elbwasser zur Durchlaufkühlung mehr nutzen, sondern muss den Umweg über den teuren Betrieb eines Kühlturms nehmen.

Weil das Bundesverwaltungsgericht das Thema nach dem EuGH-Urteil 2018 an das OVG Hamburg zurückverwiesen hat, wurde nun in der Hansestadt neu verhandelt – und Vattenfall unterlag abermals. Einigermaßen skurril wirkte es bei dem aktuellen Verfahren, dass die Stadt auf der Seite Vattenfalls stand, obwohl der seit 2015 zuständige grüne Umweltsenator Jens Kerstan gar kein Interesse daran hat, das Vattenfall wieder Elbwasser nutzt - im Gegenteil.

BUND: Vattenfall-Kraftwerk schädigt die Fischfauna der Elbe

Mittlerweile hat Rot-Grün ja sogar beschlossen, dass mit der Kohleverfeuerung in Moorburg bis 2025 Schluss sein soll. Der Grund dafür, dass die Stadt dennoch formal zusammen mit Vattenfall vor Gericht gegen den BUND kämpfte, liegt in alten Absprachen und der Angst vor Entschädigungsforderungen des Konzerns.

Am Mittwoch „begrüßte“ die Kerstan-Behörde die nun geschaffenen „Klarheit“, wie Sprecher Jan Dube sagte. „Die wasserrechtliche Erlaubnis für das Kraftwerk muss nachgebessert werden.“ Für eine genaue Beurteilung müsse nun die für Oktober erwartete Urteilsbegründung abgewartet werden. „Wenn die Wiederaufnahme der Durchlaufkühlung beantragt wird, müssen die Auswirkungen für das Ökosystem der Elbe genau betrachtet und geprüft werden“, so der Kerstan-Sprecher. „Die Bundesregierung hat den Kohleausstieg beschlossen, deshalb hat die Kohleverstromung in Moorburg so oder so eine begrenzte Restlaufzeit. Bis auf Weiteres wird am Kraftwerk Moorburg der Kühlturm laufen.“


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BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch sprach nach der Bekanntgabe des Urteils am Mittwoch von einem „wirklich guten Tag für die Tideelbe“. Das Vattenfall-Kraftwerk sei „nicht nur ein gigantischer Klimakiller, sondern schädigt massiv die Fischfauna der Elbe, wenn es mit Elbwasser gekühlt wird“,so Braasch. „Dies hat nicht zuletzt dazu beigetragen, dass z.B. die Bestände des Stints, der noch vor einigen Jahren als Massenfisch in der Elbe galt, dramatisch zurückgegangen sind.“

Das OVG sei der Auffassung des BUND gleich in mehreren wichtigen Punkten gefolgt, sagte der BUND-Chef. Insbesondere für wandernde Fischarten und die den Aalen ähnlichen Neunaugen fehlten Untersuchungen zu schädigenden Auswirkungen des Kraftwerksbetriebs. „In der Summe haben die Behörde und der Energiekonzern Vattenfall erneut eine Klatsche kassiert“, so Braasch. „Wir hoffen sehr, dass sie das Urteil zum Wohl der Elbe nach nunmehr zwölf Jahren Prozessdauer akzeptieren und nicht erneut in Revision gehen. Allein vor dem Hintergrund der Klimakrise muss das defizitäre Kohlekraftwerk schnellstmöglich abgeschaltet werden."

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Vattenfall-Sprecherin Sandra Kühberger machte am Mittwoch deutlich, dass der Energiekonzern nun einen weiteren Versuch unternehmen will, eine Erlaubnis für die Elbwasser-Nutzung zu bekommen. „Die gerügten Fehler sind heilbar und werden Gegenstand eines Erlaubnisergänzungsverfahren sein, in dessen Ergebnis eine rechtsfehlerfreie wasserrechtliche Erlaubnis stehen soll“, sagte sie auf Abendblatt-Anfrage.