Hamburg. Auch die Schüler aus dem Umland sind zurück aus den Sommerferien: Wie gut können Schulen die Corona-Regeln durchsetzen?

Eingeschränkter Regelbetrieb. Für viele Schulen dürften diese zwei Wörter zum Ende der diesjährigen Sommerferien besonders viel Stress bedeutet haben. Alle Schülerinnen und Schüler sind zurück in der Schule, durch eine strikte Kohorten-Aufteilung sollen größere Corona-Ausbrüche an Schulen verhindert werden.

Das sehen zumindest die Konzepte der Hamburger Schulbehörde und des niedersächsischen Kultusministeriums vor. Große Klassen in kleinen Räumen, schmale Gänge in den Gebäuden, fehlende Ein- und Ausgänge und unzureichend Platz auf den Pausenhöfen machen es den Schulen allerdings schwer, die politisch angeordneten Vorschriften einzuhalten. Das Abendblatt hat sich bei den Schulen in der Region umgehört. Was sind die Probleme, welche Lösungen gibt es?

Buxtehude: Halepaghen-Schule

Es wirkt bizarr, was sich gegen halb zehn Uhr morgens vor dem Buxtehuder Gymnasium „Halepaghen-Schule“ (HPS) abspielt. Weitestgehend ohne Abstand stehen mehr als 100 Schülerinnen und Schüler dicht gedrängt vor dem Haupteingang. Weil auf dem eigentlichen Schulhof unter Corona-Auflagen nicht ausreichend Platz ist, muss die Oberstufe der Jahrgänge elf bis dreizehn ihre Pause vor dem Eingang verbringen. Das sieht das schuleigene Konzept vor.

Abstand halten? Maske tragen? Kleine und vereinzelte Gruppen? Dreimal nein. Im niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan heißt es: „Um einen weitgehend normalen Unterrichtsbetrieb zu gewährleisten, wird das Abstandsgebot unter den Schülerinnen und Schülern zugunsten eines Kohorten-Prinzips aufgehoben. Unter Kohorten werden festgelegte Gruppen verstanden, die aus mehreren Lerngruppen bestehen können und in ihrer Personenzusammensetzung möglichst unverändert bleiben.“

Eine Schule – nur vier Kohorten

HPS-Schulleiterin Bettina Fees-McCue teilte auf Abendblatt-Nachfrage mit, dass das Schulgelände in vier Bereiche eingeteilt sei. Somit sind die Jahrgänge fünf bis 13 in nur vier Kohorten aufgeteilt. Eine genaue Vorschrift, wie groß eine Kohorte maximal sein darf, gibt es in Niedersachsen nicht.

Nach Informationen des Abendblatts wird es zum Ende der großen Pausen besonders schwierig, die geltenden Regeln einzuhalten. Dann drängt die mehr als 100 Schülerinnen und Schüler große Kohorte durch eine schmale Seiteneingangstür zurück ins Gebäude. Dabei sei an dieser Eingangstür, die gleichzeitig als Ausgang dient, nur ein Desinfektionsspender angebracht, wodurch es zu weiteren Staus käme. Manche Schülerinnen und Schüler gerieten dadurch in Zeitdruck, rechtzeitig wieder in den Unterricht zu kommen. Diese verzichteten dann notgedrungen auf das vorgesehene Desinfizieren.

Elternrat und Schulleitung sehen keinen Anlass zur Kritik

Dem Abendblatt sind mehrere Schülerinnen und Schüler bekannt, die diese Situationen irritiert und verunsichert. Allerdings wollte sich keine der Personen hierzu öffentlich äußern. HPS-Schulleiterin Bettina Fees-McCue zeigte sich über die Vorwürfe aus Reihen der Schüler verwundert. Viele Abläufe seien in der kurzen Zeit noch nicht eingespielt, so die Schulleiterin.

Der Vorsitzende des HPS-Schulelternrats, Ernst Wenckebach, sieht keinen Anlass zur Kritik. „Wir als Schulelternrat haben an erster Stelle das Wohl unserer Kinder im Sinne, bei allem was wir machen. Dazu ist es erforderlich einen engen Schulterschluss mit der Schülervertretung, den Eltern und der Schulleitung zu pflegen. Gerade in der Corona-Krise zeigt sich eine sehr gute Zusammenarbeit aller Parteien“, sagt Wenckebach.

"Wir arbeiten mit dem, was uns zur Verfügung steht"

Darüber hinaus sieht das Konzept vor, dass die Klassenräume spätestens nach 45 Minuten großzügig gelüftet werden – einige Fenster an der HPS lassen sich jedoch nicht richtig öffnen. „Die Belüftungsmöglichkeiten sind in unserem Hause unterschiedlich. Die genannten Fenster im D-Trakt öffnen sich aus Sicherheitsgründen (Gewicht der Fenster und ihre Aufhängung) mit 45 Grad. Grundsätzlich wird nicht nur eine Lüftungsquelle genutzt, sondern für Durchlüftung gesorgt beziehungsweise gibt es Ausweichmöglichkeiten per Raumtausch“, teilte die Schulleiterin schriftlich mit.

Insgesamt verweist Fees-McCue auf die baulichen Einschränkungen: „Als Trakte dieses Gymnasiums gebaut worden sind, waren Pandemien und ihre Auswirkungen eher weniger im Blick. Wir arbeiten mit dem, was uns zur Verfügung steht und überprüfen laufend die Bedingungen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Gymnasium Neu Wulmstorf: 20 Schüler und vier Lehrer in Quarantäne

Während an der Buxtehuder Halepaghen-Schule nur vier Kohorten gebildet wurden, sind es am Gymnasium Neu Wulmstorf mehr als doppelt so viele. Die Schulleitung hat jeder Kohorte einen eigenen Pausenbereich zugewiesen. Zudem gelten versetzte Pausenzeiten. Trotz der Maßnahmen befinden sich zurzeit sieben Lehrerinnen und Lehrer, sowie etwa 20 Schülerinnen und Schüler bis zum 14. September in häuslicher Quarantäne. Auslöser war ein positiver Corona-Test bei einer Lehrkraft des Neu Wulmstorfer Gymnasiums. Das bestätigte Schulleiter Jörg Berthold.

„Die Lehrkraft hatte glücklicherweise nur zwei Stunden Unterricht in dem Zeitraum, in dem die Gefahr bestand, andere Personen zu infizieren“, erklärt der Schulleiter, sodass in Rücksprache mit dem Gesundheitsamt nicht mehr Personen in Quarantäne mussten. „Aktuell wären natürlich breitere Flure, größere Klassenräume und ein größerer Arbeitsbereich für Lehrkräfte wünschenswert“, erklärt Berthold.

Grundschule Jork: ein Verdachtsfall – Kohorte separiert

Die Grundschule Jork bestätigte auf Abendblatt-Nachfrage einen aktuellen Verdachtsfall. Zurzeit warte die Schule auf Anweisungen des Gesundheitsamts, so Rektor Marcel Twedorf. Die betroffene Klasse werde nun aus ihrer Jahrgangskohorte herausgenommen und bis zu dem Testergebnis von allen anderen Kindern separiert. Grundsätzlich bilden an der Grundschule zwischen 65 und 90 Kindern eine Kohorte. Zudem gebe es eine Einbahnstraßenregelung und getrennte Pausenbereiche.

Gymnasium Hittfeld in Seevetal: Nach Jahrgängen getrennt

Auch am Gymnasium Hittfeld bildet ein Jahrgang eine Kohorte. „Wir versuchen, den Vorgaben des Ministeriums möglichst nahe zu kommen“, sagt Schulleiter Frank Patyna. „Zu 100 Prozent erreichen wir dies nicht, obwohl unsere Schule von den Räumlichkeiten sehr gut ausgestattet ist.“ Derzeit besuchen fast 1200 Schüler das Gymnasium in der Gemeinde Seevetal.

Doch die Herausforderungen sind vielfältig. Angefangen bei den Toiletten. „Wir haben nicht für jede Kohorte eigene Toiletten- und Waschräume“, sagt Patyna. Problematisch sei die Situation auch bei schlechtem Wetter. „Wir weisen den Kohorten eigene Pausenbereiche zu. Aber bei Regen, sind über 1000 Schüler im Gebäude.“

"Handhygiene ist bei Vollbesetzung schwierig"

Sorgen bereitet dem Schulleiter zudem der Übergang von den Pausen in den Unterricht. Denn trotz versetztem Pausenende stauen sich die Schüler regelmäßig vor den Handhygienespendern an den Schuleingängen. „Die Handhygiene ist bei Schulvollbesetzung schwierig“, sagt Frank Patyna. „Die Spender haben bei so vielen Schülern den Geist aufgegeben, sind neu bestellt, aber es dauert, bis sie geliefert werden.“ In den Klassenräumen seien Abstände kaum einzuhalten, so Patyna. „Alle anderen Darstellungen sind Augenwischerei.“

Sorge bereiten dem Schulleiter aber auch der nahende Herbst und Winter und die damit verbundenen Temperaturen. „Noch stehen die Fenster offen. Aber was passiert, wenn es draußen kälter wird?“ Um das Problem zu lösen, hat die Schule jetzt die Anschaffung zuverlässiger CO2-Messgeräte angeschoben.

Darüber hinaus arbeiten die Kollegen an einer Lösung für den unüberschaubaren Nord-West-Trakt der Schule. Dort befinden sich fünf Unterrichtsräume, vor denen die Schüler gemischt auf der Schulstraße warten. Künftig sollen farbig markierte Wände und Pfeiler Wartebereiche markiert werden.

Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg: Farblich gekennzeichnete Kohorten

Am Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg tragen die Schüler farbige Cappis, die ihre Zugehörigkeit zu einer Kohorte deutlich machen.
Am Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg tragen die Schüler farbige Cappis, die ihre Zugehörigkeit zu einer Kohorte deutlich machen. © HA | NSG

Mit Farben hat auch das katholische Niels-Stensen-Gymnasium (NSG) für eine übersichtlichere Trennung der Schülergruppen gesorgt. „Die Kohorten werden in unterschiedlichen Gebäuden und mit Hilfe zugeordneter Etagen im Neubau voneinander getrennt“, sagt Lehrer Tomasz Lucas. „Darüber hinaus hat jeder Schüler ein farbiges Cappi, das ihn einer entsprechenden Kohorte zuordnet. Und auch der Pausenhof ist nach Kohortenbereichen farbig gekennzeichnet.“ Das Harburger Gymnasium zählt nur noch 340 Schüler in vier Jahrgängen, sodass die Unterrichtszeiten gestaffelt werden konnten.

Gymnasium am Kattenberge in Buchholz: Rechtsgehgebot auf den Gängen

Bei einer Zahl von fast 1500 Schülern ist das am Gymnasium am Kattenberge in Buchholz schon schwieriger. Trotz einer Unterteilung der Schulhöfe, müssten die höheren Jahrgänge die Pausen im Klassenraum verbringen. Schwieriger wird eine Trennung dann, wenn die Schüler ihre zugeordneten Bereiche verlassen müssen. „Die Schule hat sehr enge Gänge, auf denen die Schüler einer Kohorte auch mit denen anderer gehen müssen“, sagt Reise. Um die Situation zu entschärfen, hat die Schule ein „Rechtsgehgebot“ ausgesprochen und mit Markierungen kenntlich gemacht.

Das größte Problem allerdings liegt außerhalb ihres Aufgabenbereichs – und zwar an den Bushaltestellen und in den Schulbussen. Dort stehen die bis dato voneinander getrennten Jahrgänge bunt gemischt und ohne Abstand eng beieinander. Auch in den Bussen kann die Abstandsregel nicht eingehalten werden. Für die Schüler ist das, was im Unterricht und auf dem Schulhof galt, damit kaum noch nachvollziehbar. „Den ganzen Vormittag halten wir Abstand“, sagt ein Schüler. „Wozu eigentlich, wenn wir am Ende des Tages doch alle wieder zusammensitzen.“