Ehestorf. Dauerausstellung im neuen Siedlungsdoppelhaus zeigt die Flüchtlingssituation nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Freilichtmuseum am Kiekeberg beginnen die Vorführungen der Gelebten Geschichte wieder. Zum ersten Mal seit Einsetzen der Corona-Krise werden am Wochenende 25./26. Juli wieder Darsteller den Alltag aus den Jahren 1804, 1904 und nach 1945 zeigen. „Es dürfen jetzt zehn Personen aus unterschiedlichen Haushalten zusammen sein. Damit können Besucher mit den jeweils zwei oder drei Darstellern ins Gespräch kommen“, sagt Kiekeberg-Sprecherin Marion Junker.
Seit dem 25. Juni ist auch das rekonstruierte Siedlungsdoppelhaus aus den 1950er-Jahren geöffnet. Dort stellt eine Dauerausstellung sowohl die Flüchtlingssituation und als auch den Aufbau des Landes Niedersachsen und die wirtschaftliche Entwicklung dar. Das Ausstellungsgebäude gehört zum Projekt „Königsberger Straße“. Das Museum stellt darin in einer Gebäudegruppe die Nachkriegszeit von 1945 bis 1979 nach.
Neu ist eine Gelebte-Geschichte-Gruppe, die das spärliche Leben um 1945 zeigt. An der Nissenhütte können die Besucher in eine Zeit der Improvisation und Unsicherheit nach dem Krieg eintauchen: Die Darsteller kochen einfache Mahlzeiten im Freien auf der Not-Kochhexe und leben dürftig in ihrer Unterkunft. Not und Improvisation, der Neuanfang von Flüchtlingen und Vertriebenen werden gezeigt. Themen sind Kaffee aus gerösteten Eicheln, falsche Leberwurst als Fleischersatz, Selbstversorgung aus dem Notgarten und der Tauschhandel.
Schließlich bessert sich die Lage, das Wirtschaftswunder setzt ein. „Jung und Alt sprechen über tägliche Aufgaben, Werkzeuge, Wohnräume und die Rollen in der Familie von früher. Unsere Darsteller, Häuser und Tiere vermitteln Wissenswertes, das nicht in den Geschichtsbüchern steht“, erläutert Stefan Zimmermann, der Direktor des Freilichtmuseums. Erster Termin der Gelebten Geschichte ist das Wochenende 25./26. Juli, 10 bis 18 Uhr.
Wie sich das Leben der Menschen über 140 Jahre veränderte
Drei Haushalte zeigen dann, wie sich das Leben der Menschen über 140 Jahre verändert hat. Lebten die Heidebauern 1804 ohne Strom und mit offenem Feuer auf ihrem kargen Hof, besitzt 100 Jahre später die Fischerfamilie in der Winsener Marsch schon einen Sparherd und elektrisches Licht. Nur 40 Jahre später haben zwei Weltkriege das Leben verändert: Insbesondere die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten haben es schwer. Die Unterschiede in der Lebensweise erkennen Besucher beim Vergleich der Fischerfamilie 1904 und der Vertriebenen 1945: Während es im Fischerhaus vor 100 Jahren relativen Wohlstand gibt, kämpfen die Bewohner der Nissenhütte vor 75 Jahren ums Überleben. Die Termine sind am 22./23. August von zehn bis 18 Uhr.
Am 5./6. September wieder von zehn bis 18 Uhr gibt es einen Vergleich zwischen dem Hofleben 1804 und der Nachkriegszeit. Er wird deutlich am Essenkochen oder an Kleidungsstücke aus Leinen, die Mode-Überbleibsel aus den 1940er-Jahren gegenüberstehen.
Beim Kartoffeltag am 11. Oktober und der Gelebten Geschichte 1804/1904/1945 am 10. und 11. Oktober (zehn bis 18 Uhr) drehen sich die Vorführungen um die Erdäpfel: Die Besucher sehen den Bewohnern von Nissenhütte, Fischerhaus und Pringenshof bei der Zubereitung authentischer Gerichte über die Schulter.
Die Idee der „Living History“ stammt aus den angelsächsischen Ländern, Skandinavien und den Niederlanden. Schon seit 2004 gehört das Projekt Gelebte Geschichte mit den Gruppen 1804 und 1904 als fester Bestandteil zum Programm des Freilichtmuseums. Jetzt kommt die Geschichte nach 1945 dazu. Das neue Siedlungsdoppelhaus wurde als „Haus der Geschichte“ vom Landkreis und durch den Förderfonds Hamburg/Niedersachsen der Metropolregion Hamburg realisiert.
Wie Einheimische und Neubürger die Aufbauzeit erlebten
Die Metropolregion gab 350.000 Euro und damit die Hälfte der Kosten. Die andere Hälfte kommt vom Kreis. „Wir stellen in der Ausstellung dar, wie Einheimische, aber auch Neubürger die Aufbauzeit erlebten“, erläutert Museumsdirektor Zimmermann. In den Dörfern zeigten sich die Veränderungen der Nachkriegszeit im Kleinen. So nahm der Landkreis überproportional viele Flüchtlinge, Vertriebene und Evakuierte auf. Wohnten hier 1939 noch 62.602 Menschen, waren es zehn Jahre später mit 124.397 fast doppelt so viele.
Die Ausstellung zeigt die Entwicklungen und Veränderungen in den wirtschaftlichen Beziehungen mit der Großstadt Hamburg, im Verkehr, in der Politik oder im Freizeitbereich. „Hier wird die jüngere Geschichte der Region wieder lebendig“, sagt Landrat Rainer Rempe. „Das Haus der Geschichte bildet dabei so etwas wie das Herzstück.