Seppensen. In der Schmiede des Museumsdorfs Seppensen können sich Laien unter professioneller Anleitung selbst als Schmied versuchen.

Die Zeitreise beginnt um 18 Uhr Ortszeit am Rande von Buchholz. Auf dem Gelände des Museumsdorf Seppensen haben sich sieben Personen versammelt. Sechs Männer und eine Frau. Sie haben ihre Arbeitshosen mitgebracht, einige tragen Handschuhe und Lederschürze. Ein ungewohntes Outfit für Verkaufsleiter Jörg, Banker Helmut, Medienexperte Frank, Ticketverkäufer Stephan, Autor Carsten und Künstlerin Julia – doch für die Begegnung, die sie heute Abend suchen, unabdingbar. Sie wollen mit dem Feuer spielen, solange es heiß ist. Dafür sind sie in die historische Schmiede von Arnold Kahnenbley gekommen. Es geht darum, einzutauchen in die Geheimnisse einer über tausend Jahre alten Handwerkstradition.

Kaum einer beherrscht diese Kunst so gut wie Arnold, der Mann mit dem Hammer. Zwar heißt er nicht Schwarzenegger, sondern Kahnenbley, doch zuschlagen kann der Buchholzer mindestens genauso gut wie sein Namensvetter, der Terminator. Schmied Kahnenbley macht das, seit er 14 Jahre alt ist. Also 63 Jahre schon. Damals, 1957 begann der gebürtige Buchholzer seine Lehre. Heute ist er 77 Jahre alt. Und verformt noch immer mit ganzer Leidenschaft Eisen, Stahl und Bronze.

Schmied Arnold Kahnenbley zeigt den Teilnehmern des Kurses die Arbeitsschritte beim Schmieden.
Schmied Arnold Kahnenbley zeigt den Teilnehmern des Kurses die Arbeitsschritte beim Schmieden. © HA | Hanna Kastendieck

Und weil der Schmied das Schmieden liebt, „und auch gar nichts anderes kann“, teilt er sein Wissen am liebsten mit anderen. Jahrzehntelang war er in der überbetrieblichen Ausbildung tätig. Viele seiner Zöglinge formte er zu jungen Meistern, Innungs-, Kammer- und Landessiegern. Jetzt ist er im Ruhestand und kann es nicht lassen, andere mit seiner Leidenschaft anzustecken. Deshalb hat er auf dem Gelände des Museumsdorf vor sechs Jahren seine historische Schmiede eröffnet und gibt mit seinen Schmiedekursen seitdem Besuchern die Chance zu erleben, welch ein Schmied in ihnen steckt.

Die Nachfrage war groß, bis Corona kam und dafür sorgte, dass auch die Schmiede ihre alten Holztüren schließen musste. Jetzt endlich darf das Feuer im Museumsdorf wieder brennen und Arnold Kahnenbley läuft zu Höchstform auf.

Ideale Schmiedetemperatur: mindestens 1300 Grad

Auch an diesem Donnerstagabend. „Ich möchte euch heute die tiefe Befriedigung vermitteln, die sich einstellt, wenn man Feuer und Stahl bezwungen hat“, sagt er in die Runde. Die Teilnehmer nicken. „Jeder von euch wird heute Abend mit einem selbstgeschmiedeten Gegenstand diesen Ort verlassen. Die Mädchen können einen Haken schmieden für den Garten. Die Jungs ein Messer.“

Bevor es ans praktische Arbeiten geht, erklärt er noch schnell, wozu Amboss, Esse und die unterschiedlichen Werkzeuge, die für Laien alle gleich aussehen, nötig sind. Und dass das Feuer heiß sein muss, mindestens 1300 Grad. „Idealtemperatur zum Schmieden.“

Julia Kotenko lernt in der historischen Schmiede von Arnold Kahnenbley, wie sich der Stahl mit dem Hammer verformen lässt.
Julia Kotenko lernt in der historischen Schmiede von Arnold Kahnenbley, wie sich der Stahl mit dem Hammer verformen lässt. © HA | Hanna Kastendieck

Dann geht es los. „Ladys first“, sagt Kahnenbley. „Jetzt dürft ihr euer Glück schmieden.“ Künstlerin Julia tritt nach vorn. Normalerweise verbringt sie ihre Abende an der Leinwand. Ihr Schwerpunkt liegt in der realistischen Malerei mit Öl und Acryl. Sie gibt Kurse für Erwachsene. Jetzt will sie selbst mal was Neues ausprobieren. Also ist sie in die Schmiede gekommen. 2000 Gramm hat der Hammer, den Kahnenbley ihr in die rechte Hand drückt. Mit der linken hält sie das glühende Werkstück. Kahnenbley hat es im 1300 Grad heißen Steinkohlefeuer erhitzt. Dann knallt der Hammer auf das Metall, Funken fliegen. Julia bringt mit ein paar gezielten Schlägen das Eisen in die gewünschte Form. „Das lässt sich bearbeiten wie Butter“, sagt sie.

An Amboss Nummer zwei steht Frank, gelernter Schriftsetzer, einer der alles beherrscht, was mit Drucktechnik zu tun hat. Er hat die Hemdsärmel nach oben gekrempelt. Die Schweißtropfen stehen ihm auf der Stirn. Die Temperaturen in dem alten Backhaus aus dem Jahre 1800, in dem die Schmiede untergebracht ist, liegen bei fast 30 Grad. Durch die Fensterscheiben fällt die Abendsonne tief in den Raum. „Eigentlich ist es zu hell zum Arbeiten“, sagt Schmiedemeister Kahnenbley. „Die Sonne darf nicht auf den Amboss scheinen, denn dann kann man die Glühfarbe nicht genau erkennen.“

Frank Dyndra begutachtet kritisch seinen ersten Schmiedeversuch: ein Messer aus Stahl.
Frank Dyndra begutachtet kritisch seinen ersten Schmiedeversuch: ein Messer aus Stahl. © HA | Hanna Kastendieck

Deshalb wollte er schon damals, bei der Einrichtung der Schmiede, diesen auf der Nordseite des Raumes platzieren. Aber aufgrund der umstehenden Bäume bekam er dafür von offizieller Seite keine Genehmigung. Medienfachmann Frank hämmert unterdessen unermüdlich auf sein Eisen ein, bis der vordere Teil mehr und mehr einer Messerklinge ähnelt. „Es ist ein faszinierendes Gefühl, dass sich das warme Eisen in alle Richtungen bearbeiten lässt, wie man es möchte“, sagt er. „Ich forme das Eisen, wie ich das haben will. Es muss sich meinem Willen fügen.“ Immer wieder wechseln sich die Arbeitsgänge ab. Eisen erhitzen, mit dem Hammer bearbeiten, wieder erhitzen, bearbeiten. Nach 90 Minuten gibt es die erste Pause bei Apfelsaft und Astra. Franks Augen strahlen. „Gebt mir mehr Stahl“, ruft er in die Runde.

Und wieder einmal ist der Funke übergesprungen

Dann wird gefachsimpelt, darüber, was man so alles auf eigene Faust schmieden könnte. „Eine schöne Grillzange“, sagt Frank. „Haken für Haus und Garten. Ein Schmuckstück für meine Frau. Ich hätte da schon ein paar Ideen.“ Wie seine Mitstreiter Jörg, Helmut und Carsten hat er sich vorgenommen, das Handwerk dauerhaft zu vertiefen.

Die vier Männer haben gerade erst vor ein paar Monaten gemeinsam die Prüfung für ein anderes traditionelles Handwerk gemacht. Vor der Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen legten sie nach 160 Stunden Theorieunterricht die Prüfung zum Müller ab. Ihr Wissen werden sie künftig in der historischen Wassermühle Karoxbostel an die Besucher weitergeben. „So soll es auch mit dem Schmieden sein“, sagt Carsten. „Wir bauen derzeit auf dem Mühlenhof eine historische Schmiede auf. Diese wollen wir dann später auch betreiben können.“

Vor Beginn des Kurses erzählt Schmied Arnold Kahnenbley den Teilnehmern von der Tradition des Schmiedens.
Vor Beginn des Kurses erzählt Schmied Arnold Kahnenbley den Teilnehmern von der Tradition des Schmiedens. © HA | Hanna Kastendieck

Schmied Kahnenbley, der das Schmiedehandwerk in den 1950er-Jahren in der Jesteburger Dorfschmiede von Wilhelm Frommann senior von der Pike auf gelernt hat, hat bereits seine Unterstützung zugesagt. „Vieles, was wir damals noch gelernt haben, weiß heute kein Mensch mehr“, sagt er. „Ich kann ja nicht ins Grab steigen, bevor ich nicht mein Wissen an zwei, drei Leute weitergegeben habe, die es bewahren.“

Inzwischen ist die Abendsonne hinter den Bäumen verschwunden. In der Schmiede geben die Kursteilnehmer ihren Stücken den letzten Schliff. Nach dem Schmieden der Haken wird dieser noch gedreht, der Messerrohling geschliffen und gehärtet. Zufriedenheit macht sich in den Gesichtern der Hobby-Schmiede breit. Frank hält sein Messer in die Höhe. „Damit streiche ich mir künftig die Butter aufs Brot“, sagt er grinsend und noch ganz benommen von der besonderen Atmosphäre der alten Schmiede.

Es ist spät geworden. Höchste Zeit, sich auf den Heimweg zu machen und zurückzukehren in die Gegenwart. Das Feuer ist inzwischen fast erloschen. Doch Schmied Arnold Kahnenbley weiß, dass der Funke auch diesmal übergesprungen ist.

Schmieden – ein altes Handwerk

Das manuelle Schmieden gehört zu den ältesten Handwerken. Funde in Ägypten und Indien haben gezeigt, dass dort vermutlich schon vor mehr als 5000 Jahren in warmem Zustand geschmiedet wurde. In Mitteleuropa ist die berühmte Himmelsscheibe von Nebra, vor zirka 4000 Jahren geschaffen, ein bedeutendes Zeugnis der Schmiedekunst.

Beim Schmieden wird Eisen, Stahl, Edelstahl oder Bronze im warmen Zustand unter Veränderung des Querschnittes auf dem Amboss mit dem Hammer oder dem Lufthammer bei 500 bis 1000 Grad Celsius verformt.

Werkzeuge des Schmieds sind vor allem Hammer und Amboss. Der Amboss ist ein Block aus Stahl zur Unterlage beim Umformen, dem Bearbeiten von meist glühenden Eisenmetallen mit dem Schmiedehammer.

Die Esse wird beim traditionellen Schmieden mit Steinkohle beheizt. Für die Herstellung eines Messers werden etwa ein Kilogramm benötigt. Häufig wird auch Koks hinzugegeben, da es keinen Schwefel enthält, der in den Stahl eindringen könnte.

Das Museumsdorf

Das Museumsdorf Seppensen ist im historischen Ortskern um die alte Dorfschule entstanden und liegt in der Straße Zum Mühlenteich 3.

Seine Entstehung verdankt das Freilichtmuseum dem ehrenamtlichen Engagement von Aktiven des Geschichts- und Museumsvereins Buchholz und Umgebung e.V. in Zusammenarbeit mit der Stadt Buchholz.

Am Anfang der Entwicklung stand die Eröffnung eines kleinen Heimatmuseums 1980 in der alten Seppensener Dorfschule. Mit der Zeit entstand schrittweise ein kleines, für die Nordheide charakteristisches Bauerndorf.

Dazu gehören das über 300 Jahre alte Sniers Hus aus Regesbostel mit seinen Nebengebäuden, einem Backhaus aus Kampen und einer Durchfahrtsscheune aus Otter, die historische Schmiede aus Lüdingen, Kreis Rotenburg (Wümme) und die alte Seppensener Dorfschule.

Die Seppensener Schmiede ist (fast immer) dienstags und donnerstags von zehn bis 14 Uhr geöffnet. Bei öffentlichen Veranstaltungen wie den Backtagen, dem Dorf- und Museumsfest oder dem Kunst- und Landmarkt gibt es ein Schauschmieden. Derzeit sind diese Veranstaltungen aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie abgesagt.

Die Schmiedekurse für Anfänger und Fortgeschrittene finden finden ganzjährig in der Reihenfolge der Anmeldungen statt. Eine schnelle Anmeldung ist zu empfehlen, da die Kurse erfahrungsgemäß sehr schnell ausgebucht sind. Weitere Informationen unter Tel.: 04181 / 7579 oder mobil: 0171 / 9568649 oder im Internet: www.arnold-der-schmied.de