Karoxbostel. Mühlenverein Karoxbostel und die Berufsvorbereitenden Schulen errichten zusammen eine historische Werkstatt.
Theoretisch weiß Tobias Rechlin genau, wie ein Fundament vorbereitet wird. Schließlich hat er gut zugehört, als es im Unterricht um Untergrundaushebung, Verschalung und Betonmischen ging. Wie sich der Bau eines Hauses allerdings in der Praxis gestaltet, welche Aufgaben und Herausforderungen zu meistern sind, wird der Schüler der Berufsbildenden Schulen Buchholz (BBS) in den kommenden Monaten erleben.
Gemeinsam mit seinen 26 Mitschülern, die sich auf ihre Berufsausbildung als Maurer, Zimmerleute und Stahlbetonbauer vorbereiten, wird der 19-Jährige auf dem Gelände der Wassermühle Karoxbostel ein Fachwerkhaus errichten. In dem Gebäude soll eine historische Schmiede untergebracht werden, in der Besucher das Schmiedehandwerk vermittelt bekommen.
Die Ausstattung mit Esse, Ambossen, Hämmern und Zangen hat die früher in Altenwerder ansässige Schmiedfamilie Bersuch gespendet. Doch bislang fehlte ein passendes Gebäude für die Hofschmiede. Also wandte sich Emily Weede, Vorsitzende des größten Mühlenvereins in Deutschland, an die Berufsbildenden Schulen in der Nordheide. Ihre Idee: „Der Verein übernimmt die Kosten in Höhe von 10.000 Euro, stellt Material und Fläche, die Schule liefert die Arbeitskräfte.
Alle Seiten profitieren von dem Projekt
Auf diese Weise profitieren alle Seiten von dem Projekt.“ Die Schüler bekommen die Möglichkeit zu bauen und etwas Bleibendes zu schaffen, der Verein ein Gebäude für die Schmiede und die Mühlenfreunde und Besucher der Kulturstätte eine weitere Möglichkeit, eine traditionelle Handwerkstechnik zu erlernen.
Berufsschullehrer Christian Lühmann ist von der Möglichkeit, ein reales, dauerhaftes Gebäude mit seinen Schülern zu erreichten, begeistert. „Das ist viel besser als in der Schule zu arbeiten“, sagt der Maurermeister. „Die Schüler können durch die praktische Arbeit vieles umsetzen. Gleichzeitig unterstützen wir mit unserem Engagement den Mühlenverein.“
Unterstützt wird das Team von Schmiedemeister Arnold Kahnenbley aus Buchholz. Kahnenbley, langjähriges Mitglied in der Prüfungskommission der Handwerkskammer Lüneburg, weiß genau, worauf beim Bau einer Schmiede zu achten ist. „Das geht schon bei den Fenstern los, die nicht zu groß sein dürfen“, sagt er. „In einer Schmiede muss es dunkel sein, damit der Schmied die Farbe des glühenden Eisens genau erkennen kann. Esse und Amboss müssen dicht beieinander stehen, sonst kühlt das Werkstück zu schnell ab, um es mit gezielten Hammerschlägen in Form zu bringen.“
Mühlenverein setzt auf Nachhaltigkeit
Die Schüler der BBS sehen der Herausforderung gelassen entgegen. „Wir gehen jeden Schritt zunächst in der Theorie durch und starten dann erst in der Praxis“, sagt Schüler Tobias Rechlin. „Im Unterricht erstellen wir sonst immer nur Werkstücke, die wieder zurückgebaut werden. Ein Gebäude, das stehen bleibt und dauerhaft genutzt wird, ist schon etwas anderes. Das motiviert.“ Genau das möchte der Mühlenverein mit seinem Engagement für Jugendliche und Kinder erreichen.
Seit 2017 ist er als außerschulischer Lernstandort für ein praxisorientiertes Lernen anerkannt, bei dem es vor allem um Bildung für nachhaltige Entwicklung geht. Aktuell kooperiert der Verein mit der IGS Seevetal und arbeitet projektbezogen mit den Grundschulen der Region zusammen.
Darüber hinaus werden in regelmäßigen Abständen für Mitglieder Kurse in alten Handwerkstechniken angeboten, zum Beispiel der Müllerkurs, bei dem in der Mühle ökologisch angebautes Getreide zu Vollkornschrot gemahlen wird oder der Bierbraukurs, für den der Verein eine kleine Brauanlage installiert hat. In einer mit Wasserkraft betriebenen Sägerei veredeln Mitglieder des Vereins außerdem Holz von Bäumen aus dem benachbarten Mühlenwald.
Schmiedemeister veranstaltet Kurse
Mit dem Bau der historische Schmiede kommt Ende 2020 ein weiteres traditionelles Handwerk hinzu. Schmiedemeister Arnold Kahnenbley, der sich seit 2013 auch als Schmied im Buchholzer Geschichts- und Museumsverein engagiert und im Museumsdorf Seppensen Vorführungen und Seminare für Schulklassen und alle anderen Interessierten anbietet, will auch in Karoxbostel Kurse anbieten. „Ich möchte den Menschen zunächst einmal klarmachen, was das Schmieden überhaupt bedeutet“, sagt er, „und dazu beitragen, dass die Techniken dieses Handwerks weitergegeben werden.“
Für die Vereinsvorsitzende Emily Weede geht es bei diesem Projekt auch um den Erhalt von Werten. „Wir möchten mit der Schmiede bei den Besuchern das Bewusstsein für die alte Technik schärfen“, sagt sie. „Denn die Wertigkeit eines Nagels erkennt man erst, wenn man selbst einmal einen geschmiedet hat.“
Schmieden
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Beim Schmieden werden durch das Behandeln von heißem Metall, zum Beispiel durch Hämmern, Verdrehen oder Pressen Kupfer, Bronze, Eisen und Edelmetalle geformt.
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Die Geschichte der Schmiedekunst reicht bis in das achte Jahrtausend vor Christus zurück. Zu dieser Zeit war der Schmied vor allem für die Herstellung von Werkzeugen, Schmuck und Waffen zuständig. Er war unverzichtbarer Teil einer jeden Gesellschaft.
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In der Eisenzeit erreichte die Schmiedekunst einen Höhepunkt. Funde zeigen die kunstvolle Arbeit bei Gefäßen aber auch schmückenden Accessoires wie Gewandspangen.
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Vasen und Waffen wie Schwerter waren die vorrangigen Objekte der Schmiedekunst in der Antike. Hufeisen kamen im 9. Jahrhundert ins Repertoire der Schmiede, dann folgten Gitter, dekorative Leuchter, Halter für Facken und Laternen.
- Der Eisenguss im 19. Jahrhundert sorgte dafür, dass die Kunst des Schmiedens langsam verdrängt wurde.
- Im 20. Jahrhundert erlebte allerdings das Kunstschmieden wieder einen Aufschwung.