Raus in die Natur – das Abendblatt stellt in der Serie „Wege, um Ruhe zu finden“ Wanderrunden in der Region vor. Heute Luhe und Ilmenau.

Wer heute einen Blick auf die Ilmenau wirft, kann sich kaum vorstellen, dass dieses idyllische Flüsschen noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine Hauptverkehrsader der Region war. Frachtschiffe verbanden im Mittelalter die wichtigen Handelsplätze Lüneburg (die Salzstadt) und Bardowick mit der Elbe. Von Bardowick ist nachgewiesen, dass dort schon im siebten Jahrhundert Waren vom Rhein, aus Skandinavien und dem Baltikum gehandelt wurden. Im 19. Jahrhundert kam der Niedergang der Wasserstraße, Ende des 20. Jahrhunderts blieben auch die letzten Fahrgastschiffe aus. Heute bietet der Mündungsbereich der Ilmenau beste Voraussetzung für einen idyllischen, facettenreichen Spaziergang.

Am Stöckter Deich stehen mehrere sehenswerte Fachwerkhäuser.
Am Stöckter Deich stehen mehrere sehenswerte Fachwerkhäuser. © HA | Angelika Hillmer

Start der nur sieben Kilometer langen Wanderung ist das DLRG-Gebäude am Elbufer neben dem Ilmenau-Sperrwerk. Wie eine kleine Burg thront es im Deichvorland und ist auch für Ortsunkundige nicht zu verfehlen. Gut einen Kilometer lang geht es an der Elbuferstraße flussaufwärts Richtung Laßrönne. Der Gehweg liegt zwar rechts auf der flussabgewandten Seite, bietet aber dennoch schöne Ausblicke auf die Elbe und das gegenüber liegende Naturschutzgebiet Zollenspieker.

Am Ende der Kurve, direkt hinter dem ehemaligen Wasserübungsplatz vom Bundesgrenzschutz, zweigt im Ortsteil Haue der Sommerdeich der Ilmenau ab. Er führt aussichtsreich über gut zwei Kilometer durch die Niederung.

Östlich des Deichs wird Landwirtschaft betrieben, auf der Fluss-Seite herrscht die Natur vor. Nach wenigen hundert Metern stehen auf der linken Deichseite weiße, wollige Tiere auf den Weiden – mit viel zu langen Beinen und Hälsen, um als Schafe durchzugehen. Es sind die Alpakas von AlpaSuri. Barbara Bruns und Wolfgang Stamp züchten seit vielen Jahren Rassehunde; 2016 kamen die Alpakas hinzu. Der Weg führt nach Süden, Richtung Winsen. Rechter Hand bilden Schilfbestände, Wiesen, Büsche und Bracks ein Natur-Mosaik, das für viele Pflanzen und Tiere attraktiv ist. Weißstörche ziehen auf der Nahrungssuche ihre Kreise, Wildgänse weiden die Feuchtwiesen ab. Vogelgezwitscher, Gänsegeschnatter, dazu ein stahlblauer Himmel – mehr Idylle geht nicht.

Die mit Bracks durchsetzen Wiesen lassen die Niederung fast wie eine Parklandschaft aussehen.
Die mit Bracks durchsetzen Wiesen lassen die Niederung fast wie eine Parklandschaft aussehen. © HA | Angelika Hillmer

Der Deichweg mündet in eine Asphaltstraße, den Seebrückenweg. Hier rechts abbiegen, am Angelteich entlang zur Seebrücke laufen. Sie überbrückt keinen See, sondern die Ilmenau. Dennoch stimmt der Name. Denn einstmals gab es hier einen See, der sich bis zum heutigen Industriegebiet Nettelberg am Tönnhäuser Weg erstreckte.

Die Ilmenau fließt gemächlich dahin, gesäumt vom frischen Grün der Weiden und blühenden Obstbäumen auf der linken Flussseite. Hier liegt die (nicht erst seit der Coronakrise geschlossene) Gaststätte Tidenhub, die die Gaststätte Tafel Traum abgelöst hatte, vormals Restaurant „Zur Seebrücke“. Bleibt abzuwarten, ob und wann an diesem schönen Ort wieder Leben einkehrt.

An der Straßenkreuzung am Ende der Brückenrampe biegt unser Weg wieder nach rechts auf die Straße Zur Seebrücke ab. Hier verströmt das Klärwerk Winsen bei südlichen Windrichtungen einen „Duft“, der die Schrittfrequenz fast automatisch erhöht. Nach wenigen Metern wird es olfaktorisch wieder angenehm, und sehr bald kommt die Brücke über die Luhe in Sicht. Etwa 300 Meter flussabwärts der Brücke mündet das Heideflüsschen, das Winsen seinen Beinamen gibt, in die Ilmenau, die ebenfalls in der Heideregion (südlich von Uelzen) entspringt.

Jetzt führt die Wanderung von der Natur zur (Bau-)Kultur. Der Stöckter Deich ist erreicht, wieder geht es nach rechts weiter. Der Deich selbst steht unter Denkmalschutz und ist zum Ausflugsziel geworden. Denn er führt an wunderschönen reetgedeckten Fachwerkhäusern vorbei. Die großen Bauernhöfe lagen früher in der Ortsmitte, meist mit fruchtbarstem Land. Ihre Haupthäuser waren manchmal bis 38 Meter lang. Aber auch Kleinbauernhöfe und Armenhäuser, Gründerzeitvillen und Landarbeiterhäuser sind Zeitzeugen der wirtschaftlichen Entwicklung in Stöckte und spiegeln die soziale Struktur eines reichen Bauerndorfs wider.

Die Informationstafel an der Brücke über die Luhe beschreibt vor allem Radrouten in der Region.
Die Informationstafel an der Brücke über die Luhe beschreibt vor allem Radrouten in der Region. © HA | Angelika Hillmer

Zwischen den Gebäuden, vor allem aber am Ortsrand, zeugen zahlreiche Gewächshäuser davon, dass nicht nur auf der anderen Elbseite, in den Vier- und Marschlanden, intensiv Gartenbau betrieben wird. Auf diesem Abschnitt findet sich übrigens die erste Sitzbank auf dem Rundweg. Kurz vor dem Ziel erreicht er nun den Stöckter Hafen.

Etwa 100 Jahre lang hat dieser das Wirtschaftsleben in der Winsener Marsch geprägt. Offiziell „Hafen Stöckte“ genannt, liegt er zum Teil auf dem Gebiet von Hoopte. Entstanden ist er nach Deichbrüchen im 16. Jahrhundert. Die Fluten spülten ein Brack aus, das die Strombauverwaltung 1887/88 zu einem Hafen mit Lösch- und Ladeeinrichtungen ausbauen ließ. Außerdem diente das nunmehr eingedeichte Becken als Schutzhafen für Elbschiffer.

Die Autorin Angelika Hillmer am Hang des Ilmenau-Deichs. Im Hintergrund ist ein breiter Schilfgürtel zu sehen.
Die Autorin Angelika Hillmer am Hang des Ilmenau-Deichs. Im Hintergrund ist ein breiter Schilfgürtel zu sehen. © HA | Angelika Hillmer

Rohstoffe für die Fabriken in Winsen wurden hier umgeschlagen. So bezog die Papier- und Zellulosefabrik J.H. Eppen Holz über den Hafen, die Winsenia-Marmeladenfabrik Rohrzucker aus Kuba und die Benthack-Mühle kanadischen Backweizen. Die Bauern der Marsch verschifften hier ihr Gemüse, bezogen Bau- und Brennstoffe sowie Dünger. Im Jahre 1889 siedelte sich der Schiffbauer August Eckhoff im Stöckter Hafen an. Inzwischen führt Christian Eckhoff die Werft in vierter Generation. In den 1990er Jahren wurde der Hafenumschlag eingestellt. Als einer der ersten Häfen in Deutschland wurde er privatisiert. Heute prägen Freizeitboote den Hafen.

Der Deichweg endet an der Hoopter Straße. Wieder geht es rechts ab, dann quer über die Straße auf den Fußweg der linken Straßenseite. An der Rampe zum Ilmenau-Sperrwerk führt links ein Weg zu einer Fußgänger-Unterführung unter der Straßenkreuzung hindurch und anschließend auf die Elbuferstraße. Nun noch das Sperrwerk überqueren, und der Ausgangspunkt der Wanderung ist erreicht.

Deichroute

Länge: Sieben Kilometer, zwei Stunden reine Gehzeit.

Charakter: Die Route verläuft die meiste Zeit auf Deichkronen und bietet sehr schöne und abwechslungsreiche Ausblicke, aber kaum Sonnen- und Windschutz. Am Sommerdeich der Ilmenau gibt es eine Alternative: In Höhe der Alpakafarm biegt ein Weg rechts ab, der – etwas windstiller, aber mit weniger Weitblick – am Ufer der Ilmenau entlang führt. Alle Wege sind gut begehbar.

Verlauf: Die Route führt von der DLRG-Station zunächst auf dem Elbdeich (Elbuferstraße) entlang und biegt dann auf den Sommerdeich der Ilmenau ab. Anschließend wird jeweils ein guter halber Kilometer auf zwei wenig befahrenen Asphaltstraßen zurückgelegt. Zum Schluss geht es auf der dritten Deichkrone, dem Stöckter Deich, durch den gleichnamigen Ort mit sehenswerten Fachwerkhäusern und weiter zum Stöckter Hafen an der Mündung der Ilmenau in die Elbe.