Over . Raus in die Natur – ohne dabei anderen zu nahe zu kommen! Das Abendblatt stellt Wanderrunden vor. Heute: Angelika Hillmer an der Seeve

Seeve, Luhe, Ilmenau – die Heideflüsse bilden zwischen Over (Seevetal) und Stöckte (Stadt Winsen) zwei schöne Niederungen, bevor sie in die Elbe fließen. Diese Wanderung führt in das Naturschutzgebiet Untere Seeveniederung, rund um das Junkernfeld, ein etwa 160 Hektar großes Wiesenareal, das an seinem östlichen Rand von der Seeve begrenzt wird.

Früher war das Land nahezu wertlos, weil es regelmäßig von der Elbe überflutet wurde. Seit 1965/66 schiebt das Seeve-Siel dem einen Riegel vor. Das Naturschutzgebiet gehört fast vollständig dem Land Niedersachsen und beherbergt einen botanischen Schatz von bundesweiter Bedeutung: die stark bedrohte Schachbrettblume. Der Rundweg startet am Parkplatz/an der Bushaltestelle „Am Junkernfeld“ am östlichen Ortsrand von Over. Eine Treppe führt auf den Elbdeich hinauf – es bietet sich ein schöner Blick auf den Fluss.

An der Hundeschule beginnt der Spazierweg

Schon nach wenigen hundert Metern versperrt das Seeve-Siel den Weg. Hier die Straße überqueren. Auf der rechten Seite der Seeve, an der Hundeschule, beginnt der Spazierweg und führt zunächst am Seeve-Ufer entlang. Sehr bald informiert die erste Schautafel über das Naturschutzgebiet, gefolgt von einer zweiten Tafel. Diese steht dort, wo sich Ende April ein Naturschauspiel ereignet: Die Schachbrettblume ist zierlich, wenige Zentimeter groß, aber sie macht durch ihre Anzahl Eindruck.

Bis zu 1,3 Millionen Blüten ziehen Naturliebhaber dann in ihren Bann; hier hat das bundesweit größte Vorkommen sein Refugium. Die Blume mit ihren rot-violetten bis weißen Blüten, die an kleine Lampenschirme erinnern, ist vom Wanderweg gut zu erkennen.

Das charakteristische Schachbrettmuster sieht man allerdings deutlicher auf den Informationstafeln. In normalen Jahren führt eine Aussichtsplattform in die Feuchtwiese hinein, damit die Besucher der Blume nahe sein können ohne sie zu zertreten. Doch die Naturschutzbehörde fürchtet angesichts der Coronapandemie, dass sich die Schaulustigen auf dem Laufsteg zu sehr drängen und verzichtet in diesem Jahr darauf, die Plattform aufzubauen.

Kopfweiden säumen das Ufer

Der Weg führt weiter am Fluss entlang. Kopfweiden säumen das Ufer. Früher wurden Weiden als Jungbäume in der Höhe von ein, zwei Metern abgesägt, damit sich dort junge, biegsame Triebe bilden. Als Rohstoff für die Korbflechterei. Heute erinnert die gestutzte Wuchsform an die alte Handwerkskunst. Alle paar hundert Meter stehen Eichenbänke – ihr frisches Holz zeugt davon, dass sie gerade erst aufgestellt wurden. Wer mag, kann hier Verweilen und dem Plätschern der Seeve oder dem Gezwitscher der artenreichen Vogelwelt lauschen.

Nach insgesamt drei Kilometern zweigt der Weg nach links zum Steller See ab. Eine Brücke führt über die Seeve und von der Gemeinde Seevetal in die Gemeinde Stelle. Hier mündet der Ashausener Mühlenbach in die Seeve. Wer nach wenigen Metern nach links abbiegt, gelangt zu einer kleinen Vogelbeobachtungsstation am See. Einige hundert Meter weiter auf dem Hauptweg folgt der Eingang zur „Seevengeti“. Der Begriff lehnt sich an die berühmte Serengeti in Tansania an, auf der tausende Büffel, Zebras und Antilopen weiden und so das Landschaftsbild der ostafrikanischen Steppe erhalten.

Ein erhöhter Blick auf den Steller See.
Ein erhöhter Blick auf den Steller See. © Angelika Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Die Elbmarsch-Version ist – wie auch der Steller See – in den 1970er Jahren im Rahmen der Bauarbeiten des Rangierbahnhofs Maschen entstanden. Gestein und unbrauchbare Böden wurden auf der etwa zehn Hektar großen Fläche der heutigen Seevengeti aufgeschüttet und sich selbst überlassen. Es entstand ein Lebensraum, der für die Gegend untypisch und deshalb umso wertvoller war. Doch Jungbäume machten sich breit. Um die „Steppe“ zu erhalten, musste sie – wie in Ostafrika – beweidet werden. Das übernehmen nun Robustrinder. In dem Projekt arbeiten die Naturschutzbehörde des Landkreises, die NABU-Gruppe Winsen und ein engagierter Landwirt zusammen.

„Erdölförderbetrieb Stelle“ mit

Nach dem Abstecher zur Seevengeti wieder auf dem Hauptweg angelangt, folgt linker Hand ein Industriedenkmal: Die alte Pferdekopfpumpe förderte von 1957 bis 1993 gut zwei Millionen Tonnen Öl aus den Sandsteinschichten unterhalb der Marsch. Im „Erdölförderbetrieb Stelle“ wurden 40 Bohrungen in Tiefen von 1800 bis knapp 2000 Metern abgeteuft. Bis zu 20 Arbeiter und neun Angestellte waren hier aktiv. Der Weg mündet an einem Parkplatz auf die Straße Hinter der Bahn.

Hier befindet sich die Auffahrt zur gesperrten Decaturbrücke, die den Rangierbahnhof Maschen überspannt. Unser Weg führt rechts auf die Hörstener Straße, an der Zufahrt zum Bahnhof Maschen vorbei und ein zweites Mal über die Seeve. Rechts auf dem Seevedeich entlang gehen. Nach einigen hundert Metern kommt der Vogelbeobachtungsturm am Junkernfeldsee in Sicht – der Rundweg um Wiesen und See ist wieder erreicht

Auch der Junkernfeldsee entstand durch die Sandentnahme zum Bau des Rangierbahnhofs und ist heute ein Eldorado für Wasservögel. Sie lassen sich vom hölzernen Turm sitzend, windgeschützt und überdacht beobachten. Zurück auf dem Deich, alternativ auf der Straße Herrendeich, geht es auf geradem Wege nordwärts. Der Ausblick vom Deich auf das Junkernfeld zeigt, weshalb dieser Naturraum so wertvoll ist: Wiesen, Gebüsche, Hecken wechseln sich ab, bilden eine strukturreiche Landschaft, die vielen Tier- und Pflanzenarten passende Lebensräume bietet. Leider hat der Brutbestand von Kiebitz, Uferschnepfe, Großer Brachvogel und Rotschenkel stark abgenommen.

Ein Blick von der Brücke auf die Seeve (r.), in die der Ashausener Mühlenbach einmündet.
Ein Blick von der Brücke auf die Seeve (r.), in die der Ashausener Mühlenbach einmündet. © Angelika Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Besser sieht es für die kleineren Wiesenvögel aus, für Feldlerche, Wiesenpieper, Schafstelze und Braunkehlchen. Nach rund drei Deichkilometern wird das Ortsschild von Over sichtbar und direkt daneben ein Brack. Der Begriff bezeichnet Teiche, die nach Deichbrüchen übrig geblieben sind. Solche Gewässer finden sich vom Alten Land im Westen bis Obermarschacht im Osten – rund 40 sollen es im gesamten Landkreis sein. Am nördlichen Ufer des Bracks schließt sich der Rundweg, die Bushaltestelle und der Parkplatz am Alten Elbdeich sind erreicht.

Länge: Knapp elf Kilometer, knapp 2,5 Stunden reine Gehzeit.

Charakter: Die Route führt durch eine Wiesenlandschaft und bietet kaum Sonnen- und Windschutz. Die Wege sind gut begehbar und werden zum Großteil auch von Radfahrern genutzt. Zur Blütezeit der Schachbrettblume Ende April ist deutlich mehr Betrieb als zu anderen Zeiten, aber man kann sich auf den breiten Wegen gut ausweichen.

Start und Ziel ist die Haltestelle „Am Junkernfeld“ der Buslinie 149 am östlichen Ortsrand vom Elb-Ort Over. An der Einmündung der Straße Herrendeich auf die Straße Alter Elbdeich gibt es rund 20 öffentliche Parkplätze.

Verlauf: Der Weg führt zunächst auf den Elbdeich. Am Seeve-Siel geht es Richtung Süden am Seeve-Ufer entlang. Am südlichsten Punkt der Wanderung führt eine Extra-Schleife zum Steller See und Hörsten. Dort treffen geht’s am Vogelbeobachtungsturm wieder auf den Rundweg um das Junkernfeld. Der Herrendeich führt zurück nach Over.