Wirtschaftssenator sieht den Standort südlich der Elbe als Motor für nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung.
Der Senat will Hamburg zur Wissenschafts- und Innovationsmetropole entwickeln. Dabei spielt Harburg eine große Rolle. Wirtschaftssenator Michael Westhagemann setzt dabei vor allem auf die wachsende Technische Universität und auf den neuen Themenschwerpunkt Wasserstoff-Technologie.
Herr Westhagemann, Sie bezeichnen Harburg als „Innovation City“ Hamburgs. Was macht sie aus?
Michael Westhagemann Die Harburger Entwicklung lebt von vielen Startups, von jungen Technologieunternehmen. Ein wesentlicher Baustein ist die Technische Universität Hamburg. Sie verfolgt eine Wachstumsstrategie. Und hat ihre Themenfelder klar definiert: Grüne Technologien, Luftfahrt, Maritimes, auch die Medizintechnik, die Materialwirtschaft und über allem die Digitalisierung. Wir haben weitere Themenfelder gefunden: den Klimaschutz und damit verbunden die zukünftige Energielandschaft. Damit ist man automatisch bei dem Thema Wasserstoff, so dass sich die TU jetzt auch schwerpunktmäßig um dieses Thema kümmert.
Bevor der Senat das Wachstumskonzept der TU beschloss, haben wir uns gefragt, ob sie überhaupt den Platz hat, um von damals 7000 auf 10.000 Studenten zu wachsen. Das Ergebnis lautete: Neue Räumlichkeiten sind die Voraussetzung für das Wachstum. Arne Weber bot an, mit HC Hagemann und dem Hamburg Innovation Port in Vorleistung zu gehen. Das Projekt verfolgt die ideale Kombination, neben Studenten auch Technologieunternehmen dort unterzubringen. Da wächst Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Das erste Gebäude steht, das zweite ist in Planung, mit einer Nutzfläche von 20.000 Quadratmetern. Zudem ist die TuTech, die den Transfer von Hamburger Hochschulen in die Wirtschaft realisiert, in Harburg angesiedelt. Das Fraunhofer-Institut aus dem maritimen Bereich und der hit-Technologiepark schaffen ebenfalls gute Voraussetzungen für die Innovation City.
Der Innovationspark Harburg ist einer von vier Hamburger Innovationsparks. Welche Rolle spielt dieses Förderkonzept?
Innovationen fallen nicht vom Himmel. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die es jungen Menschen, junge Firmen erleichtern, ihr Geschäft zu entwickeln. Dazu werden Flächen für Ansiedlungen gebraucht. Hier spielen die Innovationsparks eine große Rolle. Nehmen Sie das ZAL (Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, die Red.) in Finkenwerder: Zunächst gab es große Skepsis. Es hieß, das Gebäude sei überdimensioniert. Heute planen wir zwei weitere Gebäude, weil die Nachfrage so groß ist. Auch Airbus möchte sein Forschungsaktivitäten dort ausweiten. Wenn ich jetzt noch nicht soweit bin, muss ich dem Unternehmen Alternativen anbieten können. Auch bei Arne Webers Innovation Port wuchs die Nachfrage schneller als die Gebäude. Eine wesentliche Funktion der Innovationsparks ist es, neue potenzielle Firmenstandorte zu generieren.
Ein Teil des Plangebiets Innovationspark ist heute Naturschutzgebiet, ein anderer ein Kleingarten-Areal. Hier werden Grünbereiche bebaut, ebenso bei der geplanten Erweiterung des Daimler-Werks in Hausbruch. Wie grün ist die Innovation City Harburg?
Um den Konflikt bei Ansiedlungen zu vermeiden, ist es wichtig, ausgewiesene Industrie- und Gewerbeflächen zu haben, die schon seit Jahren für dieses Nutzung reserviert sind. Bei der Daimler-Erweiterung nehmen wir etwas Grün weg und stellen sicher, dass woanders neues Grün entwickelt wird. Wenn wir eine dynamische Innovationsmetropole werden wollen, brauchen wir dafür entsprechende Flächen. Die haben wir mit den Innovationsparks realisiert. Auf solchen Reserveflächen macht sich nach und nach die Natur breit. Aber sie bleiben dennoch Reserveflächen für die Wirtschaft.
An vielen Orten entstehen im Bezirk Harburg neue Gewerbeflächen und -räumlichkeiten. Gibt es tatsächlich genügend Startups, um die alle füllen können?
Man muss zuerst Standorte schaffen, die für Unternehmen attraktiv sind. Weil wir das Wasserstoffthema so weit oben auf die Agenda gehoben haben, gibt es viele Anfragen von ansiedlungswilligen Firmen. Die wollen gleichzeitig eine Anbindung an die Technische Universität haben. Um Wirtschaft und Wissenschaft noch stärker zu verknüpfen, haben wir Hochschulverbünde entstehen lassen. Das erste war das Cluster erneuerbare Energien. Anstatt sich mit jeder Hochschule einzeln zu unterhalten, entsendet jede Hochschule einen ausgewiesenen Professor in einen Verbund. Da sitzen gemeinsam ein Professor von der TU der Universität Hamburg, der HAW, der Helmut-Schmidt-Universität zusammen und widmen sich dem Themenfeld Energie. Das läuft hervorragend. Jetzt gibt es einen zweiten Verbund mit dem etwas komischen Namen Hamburg Ahoi für den Bereich Digitalisierung; dort haben sich die Informatik-Professoren zusammengetan. Solche Netzwerke bieten eine zentrale Plattform, an denen sich Wirtschaftsthemen andocken können. Das ist für die Unternehmen viel einfacher, als von Hochschule zu Hochschule gehen zu müssen - ein echter Standortvorteil.
Im Binnenhafen werden gerade fünf Hotels geplant, drei davon mit mehreren hundert Zimmern – ist das realistisch?
Wir haben zusammen mit der TU hohe Bedarfe an Übernachtungskapazitäten ermittelt. Wir wollen einen stärkeren Austausch mit internationalen Universitäten. Wissenschaftliche Mitarbeiter dieser Universitäten brauchen Unterkünfte. Es gibt Kooperationen, aber der physische Austausch, also das Arbeiten auf dem Harburger Campus, könnte intensiver sein. Wir müssen in der Stadt auch noch mehr Tagungen stattfinden lassen – warum nicht in Harburg? Das heißt: Wir brauchen ein Angebot an Hotels und Boarding-Häusern. Perspektivisch ist der Bedarf da.
Eine attraktive Gewerbefläche ist gerade frei geworden, weil sich der Paketdienst DHL vom Logistikpark Neuland verabschiedet hat. Freut Sie das?
DHL hat das, was wir ausgeschrieben haben, nicht erfüllt. Wir haben mal 1400 Mitarbeiter definiert. In der Planungsphase ist der Paketdienst mehrfach zu uns zu kommen und hat uns gesagt, dass er aufgrund sinkender Auslastung so viele Stellen nicht schaffen könne. Zuletzt waren wir bei 700 Arbeitsplätzen, mit einem hohen Fremdarbeiter-Anteil. Da haben wir die Reißleine gezogen. Darüber bin ich gar nicht so unglücklich. Denn wir haben Anfragen von Unternehmen, die eine stärkere Wertschöpfung haben. Ich träume davon, dass sich dort sogar ein Produktionsbetrieb ansiedelt. Die Fläche wird noch einmal ausgeschrieben. So können wir nachjustieren, was wir von den Bewerbern erwarten. Man könnte dort zum Beispiel ein Unternehmen mit einem zukunftsfähigen Themenfeld bevorzugen. Ich kann mir hier durchaus eine Brennstoffzellen-Fertigung vorstellen, um die Wasserstoff-Wirtschaft voranzubringen.
Im Landkreis Harburg wurde die Forderung gestellt, dass die geplante Rastanlage, die auf der grünen Wiese, zwischen Klein Moor und Meckelfeld, geopfert werden soll, nach Neuland verlagert wird...
Der Rastplatz kommt da im Leben nicht hin! Auf diese Fläche auf keinen Fall.
Aber es ist doch unfair, dass weitere Flächen für den Güterverkehr, von dem vor allem Hamburg profitiert, in der ohnehin schon mit Autobahnkreuzen belasteten Gemeinde Seevetal geschaffen werden sollen.
Ich bin darüber mit dem niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann im Gespräch. Ich verstehe das Problem, aber ich kann dazu jetzt noch nichts Näheres sagen. Die Gespräche laufen noch.
Thema Wasserstoff-Technologie. Auch die wollen Sie im großen Maßstab nach Harburg holen.
Die größten Anwendungsbereiche für Wasserstoff finden wir generell eher in Häfen. In Hamburg sitzen dort die große Grundstoffindustrie und die Mineralölwirtschaft, die Wasserstoff abnehmen möchten. Letztere hat großes Interesse daran, synthetisches Kerosin herzustellen. Das Stahlwerk ArcelorMittal will in einem größeren Umfang Wasserstoff im Produktionsprozess einsetzen. Wir haben Unternehmen im Hafen nach ihrem Bedarf von grünem Wasserstoff befragt. Dabei stellte sich heraus, dass dort heute schon 60.000 Tonnen Wasserstoff eingesetzt werden. Das ist aber sogenannter grauer Wasserstoff, der nicht nachhaltig, also nicht aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Wenn allein dieser Wasserstoff durch grünen Wasserstoff ersetzen würde, hätte das einen großen Klimaschutzeffekt. Darüber hinaus würden 18 Unternehmen insgesamt weitere 63.000 Tonnen grünen Wasserstoff abnehmen. Dazu bräuchten wir einen Mega-Elektrolyseur, der mit Hilfe von grünem Strom aus Wasser Wasserstoff herstellt. Um wirklich viel für die Energieversorgung und das Klima zu erreichen, müssen wir grünen Wasserstoff in solchen Großanwendungen einsetzen. Und in der Mobilität.
Woher soll so viel überschüssiger Windstrom kommen?
Die heutigen Ausbauziele für Windstromerzeugung an Land, auf dem Meer und die Stromproduktion aus Solarenergie sind nicht ehrgeizig genug. Wir sind im Gespräch mit der Bundesregierung mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen. Für Großanwendungen müssen wir unsere Stromnetze massiv ausbauen. Idealerweise haben wir am Kraftwerk Moorburg eine 380-KV-Leitung, die direkt mit Brunsbüttel verbunden ist. Von dort kann ich mir den grünen Strom in ausreichender Kapazität nach Hamburg holen. Ich habe mit dem Kraftwerksbetreiber Vattenfall gesprochen, um den Zugang zu der 380-KV-Leitung zu sichern. Das Kraftwerk ist mit seiner Leistung von 1,6 Gigawatt überdimensioniert. Hier gibt es die Chance, frühzeitiger aus der Kohle auszusteigen – Moorburg ist nach dem Ausstiegsplan der Bundesregierung 2038 das letzte Kohlekraftwerk, das abgeschaltet wird. Ich habe dem Bundesumweltministerium die Idee vorgestellt, Moorburg zu einem Wasserstoff-Zentrum zu machen, und erhielt Zustimmung. Ein Block könnte zu einem hocheffizienten, mit Erdgas betriebenen Gas- und Dampf-Kraftwerk, der andere später zu einem Wasserstoff-Elektrolyseur umgebaut werden.