Buxtehude. In den 60er-Jahren waren Aufnahmegeräte mit Magnetband Medien der Information. Rainer Brassat hat sich noch nicht davon getrennt.

Sie können sich durchaus als Pioniere der Voicemail bezeichnen. Schließlich haben Rainer Brassat und Werner Ott bereits vor über 50 Jahren Kontakt via Sprachnachricht gehalten. Und zwar ganz ohne Smartphone und Internet. Als Ott, damals, in den 1960er-Jahren, nach Australien auswanderte, schickte ihm sein Hamburger Schulfreund Rainer Brassat in regelmäßigen Abständen eine Tonbandaufnahme aus der Heimat. Und Ott tat es ihm gleich. Auf diese Weise tauschten die beiden per Post kleine Bänder mit Informationen aus und frönten gleichzeitig ihrer großen gemeinsamen Leidenschaft: dem Tonband.

Der Audiorecorder zur analogen Tonaufzeichnung auf Tonbandmaterial begann damals, in den 1960er, seinen Siegeszug in den Haushalten weltweit und verdient damit zu Recht einen Platz in der Sonderausstellung „Hot Stuff“ des Archäologischen Museums, die begehrte Alltagsgegenstände aus den vergangenen Jahrzehnten zeigt. Rainer Brassat aus Buxtehude hat gleich zwei Geräte aufbewahrt, die damals der „letzte Schrei“ waren und heute zum „alten Eisen“ gehören.

Auf ein solches Magnetband nahm Tonbandfreund Rainer Brassat in den 1960er und 1970er Jahren Musik, Hörspiele und die Stimmen seiner Kinder auf.
Auf ein solches Magnetband nahm Tonbandfreund Rainer Brassat in den 1960er und 1970er Jahren Musik, Hörspiele und die Stimmen seiner Kinder auf. © HA | Hanna Kastendieck

Fasziniert von der Technik und den Möglichkeiten der Magnetbandgeräte, Sprache, Musik und alle akustischen Äußerungen der Umwelt selbst aufnehmen und für beliebig häufiges Wiedergeben aufbewahren zu können, investierte der gebürtige Altwiedenthaler seine ersten Ersparnisse in ein Monogerät von Philips, das EL 3522, bekannt unter dem Begriff RK40. Das war bereits 1958.

Die Stimmen seiner Söhne hat er auf Tonband

Das Gerät verwahrt der gelernte Schilderhersteller, der unter anderem für den Konzern Coca Cola gearbeitet hat und viele Jahrzehnte im Vertrieb eines Hamburger Kaffeeherstellers tätig gewesen ist, noch heute wie einen Schatz. Gespräche und Lieblingssongs, die Stimmen seiner drei Söhne und eigene Hörspielfassungen hat er damit aufgenommen. Vertonte Erinnerungen, die sich die Familie samt Enkelkindern noch heute, höchst amüsiert, gemeinsam anhört.

Das Tonbandgerät war und ist Brassats große Leidenschaft. Und wie ihm so ging es vielen in den 1960er-Jahren. „Der Bohrmaschine dicht auf den Fersen, strebt die Verbreitung des Tonbands in den 1960er-Jahren ihrem Höhepunkt zu“, vermeldete der Deutschlandfunk. Ende 1962 hatte jeder vierte Haushalt ein solches Gerät.

Ein gutes Tonbandgerät kostete bis zu 2000 Mark

Das Tonband war „eines der wichtigsten Medien der Information und Dokumentation, kulturpolitischer Faktor ersten Ranges“, hieß es in einer Stellungnahme des Bundesrates. Abschätzungen zufolge betrug der Bestand an Tonbandgeräten in der Bundesrepublik Deutschland Ende 1962 zirka fünf bis sechs Millionen Geräte. Über 50 Modelle wurden von fast einem Dutzend Hersteller in der Bundesrepublik Deutschland zu Preisen von 250 bis 2000 Mark angeboten. Hersteller Grundig, Philips und Telefunken bezeichneten 1965 den Tonbandgeräte-Sektor als expansivsten Zweig ihrer Fertigung.

Das Monogerät von Philips, das EL 3522, bekannt unter dem Begriff RK40 erwarb Rainer Brassat 1958.
Das Monogerät von Philips, das EL 3522, bekannt unter dem Begriff RK40 erwarb Rainer Brassat 1958. © HA | Hanna Kastendieck

„Die Technik hat uns alle fasziniert“, sagt Rainer Brassat, der sich 1968 sein zweites Gerät, das Stereo-Tonbandgerät 4407 von Philips anschafft. „600 Mark habe ich damals ausgegeben“, sagt er. „Aber ich musste das Gerät einfach haben. Vier-Spur-Stereo, eingebaute Lautsprecher, Balanceregelung bei Wiedergabe, getrennte Höhen- und Bassregler, Mischpult, Parallelschaltung zweier Spuren, Duoplay und Multiplay – das war richtig gut.“

Sogar Diaserien wurden von Hand vertont

Stundenlang sitzt er mit dem Gerät am Radio, schneidet die Lieblingssongs für sich und seine Frau mit. Aufnahmen, die die zahlreiche Schallplattensammlung ergänzen: Elvis Presley, Bill Haley, Buddy Holly, Little Richard. Mit seinen Kollegen vom Ring der Tonbandfreunde produziert er Hörspielfassungen und vertont eine Diaserie über den Hamburger Fischmarkt. „Das Tonband war damals immer dabei“, sagt Rainer Brassat, der weit über 100 Bänder bespielt und fein säuberlich nummeriert hat. „Eine Party ohne Tonband – das gab es nicht.“

Als die Kassette auf den Markt kam, nahm Rainer Brassat Musik und Hörspiele auf Kassette auf.
Als die Kassette auf den Markt kam, nahm Rainer Brassat Musik und Hörspiele auf Kassette auf. © HA | Hanna Kastendieck

Mit der Geburt seiner drei Söhne in den 1970er-Jahren nutzt er das Gerät auch, um Aufnahmen der Familie zu machen. „,Papa ist der Tonmeister’ hieß es bei uns immer“, erinnert er sich. Die Bänder mit den Kinderstimmen hat er inzwischen mit dem PC auf CD gebrannt. Sie gehören für ihn zu den wertvollsten Erinnerungen und bringen ihn immer wieder zum Schmunzeln, wenn er sie anhört.

Auch wenn das Aufnahmegerät 4407 im Alltag längst dem Kassettenrekorder und schließlich der Digitaltechnik Platz gemacht hat, durfte es seinen prominenten Platz im Hobbykeller behalten und wird regelmäßig neben dem Notebook in Betrieb genommen.

Vorbei sind allerdings die Zeiten, in denen er seinen alten Schulfreund Werner Ott mit Tonbandaufnahmen versorgt. Wenn sie sich austauschen wollen, greifen sie zum Smartphone. Sprachnachrichten können sie da auch senden. Ganz einfach via Tastendruck.

Leser-Aktion

Die Sonderausstellung „Hot Stuff“ im Archäologischen Museum Hamburg (AMH) zeigt begehrte Alltagsgegenstände vergangener Jahrzehnte, die inzwischen zum „alten Eisen“ gehören.

Haben Sie auch einen solchen Gegenstand? Dann schicken Sie uns bitte Ihren Vorschlag mit kurzer Begründung per E-Mail (Adresse unten). Schicken Sie gern ein Foto ihres Kultobjekts.

Die interessantesten Gegenstände und Geschichten wollen wir im Hamburger Abendblatt präsentieren.

Das Museum hat angekündigt, allen Lesern, die mit der Abendblattseite (oder einem Online-Ausdruck) ihrer veröffentlichten Geschichte zur Museumskasse kommen, freien Eintritt zu gewähren.

Eine Jury aus Abendblatt- und Museumsmitarbeitern wird das beste Leser-Schätzchen küren. Es wird dann in die Ausstellung integriert.

Geöffnet ist die Ausstellung im AMH (Museumsplatz 2) noch bis zum 26. April, Dienstag bis Sonntag von zehn bis 17 Uhr.