Harburg. Die Super-8-Kamera von 1971 ist nur eines von vielen Kultobjekten, die Helmar Zühlsdorff in der Ausstellung „Hot Stuff“ zeigt.
Der Sixtant kommt noch immer zum Einsatz. Und zwar immer dann, wenn der Akku des neuen Modells leer ist. Dann holt Helmar Zühlsdorff den alten Braun-Rasierer, Jahrgang 1963, aus dem Lederetui und setzt zur Rasur an. 56 Jahre hat das Gerät auf dem Buckel. Und es tut noch immer absolut zuverlässig seine Arbeit. Genau so wie das Tonbandgerät Grundig TK42, ein Röhrengerät, Mono mit vier Spuren. Zühlsdorff erwarb es 1964, als auch die ersten Stereo-Geräte auf dem Markt erschienen.
20 Jahre war der Grundig TK42 im Zühlsdorffschen Haushalt im Einsatz
„Die Anlage war damals etwas, das man einfach haben musste, um Musik aufzunehmen“, erinnert er sich. „Also habe ich mein erstes Gesellengehalt in die Hand genommen und in die neueste Technik investiert.“ 20 Jahre war der Grundig TK42 im Zühlsdorffschen Haushalt im Einsatz. Auf den Tonbändern hat Zühlsdorff unzählige Aufnahmen der Hitparade des englischen Soldaten-Senders BFBS gemacht. Und mit dem Mikrofon die ersten „Geräusche“ seiner Kinder verewigt.
Dann kam der erste Kassettenrekorder und das TK42 verschwand im Keller. Dort hat die Anlage bis heute ausgeharrt. Genauso wie die vielen anderen technischen Geräte, die in den vergangenen Jahrzehnten ein absolutes Must-Have waren. Etwas, das man haben musste, sofern man es sich leisten konnte – und die inzwischen zum alten Eisen gehören.
Ausstellung "Hot Stuff" ist noch bis April in Harburg zu sehen
„Hot Stuff“, heiß begehrte Kultobjekte, hat Professor Rainer-Maria Weiß, Direktor des Stadtmuseums Harburg und des Archäologischen Museums Hamburg (AMH) diese Dinge getauft und ihnen eine Ausstellung gewidmet, die noch bis April 2020 im Harburger Museum zu sehen ist. „Wir haben eine Menge Gegenstände aufgespürt“, sagt Weiß. „Aber wir sind sicher, dass die Harburger noch einiges dazu beitragen können.“ Zusammen mit dem Abendblatt forderte er die Leser auf, in ihrem Hausrat zu stöbern und die Favoriten aus dem letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts zu melden.
Helmar Zühlsdorff hatte gleich mehrere „Kultobjekte“ parat. Geräte, die für ihn früher ganz normale Gebrauchs-Gegenstände waren. Und die er nie hat wegwerfen können, trotz neuer technischer Errungenschaften und fehlender Ersatzteile. „Es sind für mich wertvolle Anschaffungen“, sagt der studierte Starkstromelektriker, der sich 30 Berufsjahre lang mit Hochspannungsanlagen beschäftigt hat. „Darüber hinaus funktionieren die meisten noch immer einwandfrei.“
Warum also entsorgen, dachte sich Zühlsdorff und lagerte die Dinge im Keller ein. Jetzt hat er sie wieder hervorgeholt und mit ihnen die Erinnerungen. So wie die Nizo S 56, eine Super-8-Kamera, die der Eißendorfer und seine Frau Rita 1971 erwarben, nachdem ihr erster Sohn auf die Welt gekommen war.
Rechenschieber von Aristo war für Zühlsdorff von unschätzbarem Wert
„Die Kamera war ständig im Einsatz“, erinnert sich Rita Zühlsdorff. „Jeder Dänemarkurlaub, Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien haben wir auf Super-8 festgehalten.“ Auf jede der 15 Meter langen Filmrollen passten etwa drei Minuten. „Sie wurden nach der Entwicklung betrachtet und dann entsprechend mit einer separaten Klebepresse zusammengeklebt“, erzählt Helmar Zühlsdorff. Auch die existiert noch. Genauso wie der Filmbetracher ERNO E700-Dual8 für Schmalfilme, der im gleichen Jahr angeschafft worden ist und sein Nachfolgemodell der Tonfilmprojektor Bolex SM8, Jahrgang 1974.
Die Aufnahmen hat der 76-Jährige inzwischen alle von der Leinwand abgefilmt und digitalisiert. Wenn die Enkelkinder zu Besuch sind, werden die alten, technisch neu aufbereiteten Streifen wieder rausgeholt und sorgen für Begeisterung. Mit den meisten Kultobjekten, die ihre Großeltern aufbewahrt haben, können die Kids allerdings wenig anfangen.
„Die Wählscheibe eines Telefons wird gedrückt statt gedreht, die Rechenschieber von Aristo, die für Helmar Zühlsdorff während seines Studiums Mitte der 1960er-Jahre von unschätzbarem Wert waren, werden mit fragendem Blick beiseite gelegt. „Der Aristo war mein wichtigstes Arbeitsgerät“, sagt er. „Taschenrechner gab es noch nicht. Die tauchten Anfang der 1970er-Jahre auf. Da bei den Rechenschiebern die Komma-stelle nicht angezeigt wird, musste man das Ergebnis schon selber überschlagen.“
Der erste Computer zog Mitte der 1990er-Jahre bei den Zühlsdorffs ein
Auch Rita Zühlsdorff hat ihr wichtigstes „Arbeitsgerät“ bis heute aufbewahrt: ein sogenanntes Episkop, mit dem sie als Grafikerin in den 1970er- und 80er-Jahren gearbeitet hat. „Mit dem optischen Gerät werden undurchsichtige flache Gegenstände, Bilder oder Abbildungen aus Büchern auf eine Bildwand projiziert“, sagt sie. „Wir haben damit ganze Logos an Hauswände geworfen und nachgezeichnet.“ Auch später, als die Technik durch Computer ersetzt wurde, hat die 74-Jährige weiter mit diesem Gerät gearbeitet, weil sie nicht darauf verzichten wollte, mit der Hand zu zeichnen.
Der erste Computer zog Mitte der 1990er-Jahre bei den Zühlsdorffs ein. Und längst gehören auch Smartphone und Tablet in den Haushalt. Sie haben die Spiegelreflex-Kamera Edixa-mat Reflex von 1967 ersetzt, die nun im Werkzeugkeller der Familie ein trauriges Dasein führt, weil trotz mehrfacher Verkaufsversuche niemand das Gerät haben wollte. Hier lagert übrigens noch eine weiteres technisches Highlight, dessen Glanzzeit 62 Jahre zurück liegt: ein Radio Grundig 3025 mit hölzernem Korpus in Ahorn, Hell-Rüster, passend zur damaligen Wohnungseinrichtung gekauft.
Es war das erste Radio, dass sich Helmar Zühlsdorff nach seiner Flucht aus der DDR gemeinsam mit seiner Mutter angeschafft hat. Und er erinnert sich noch gut an das warme Licht der Radioskala mit dem Grün des „Magischen Auges“ im Halbdunkel des abendlichen Zimmers. Auch wenn das „magische Auge“ inzwischen seinen Geist aufgegeben hat, kann sich die Familie nicht davon trennen. „Das Radio ist ansonsten top in Ordnung“, sagt Helmar Zühlsdorff. „Das darf auf keinen Fall weg.“
Leser-Aktion
Die Sonderausstellung „Hot Stuff“ im Archäologischen Museum Hamburg (AMH) zeigt begehrte Alltagsgegenstände aus den vergangenen Jahrzehnten, die inzwischen zum „alten Eisen“ gehören.
Haben Sie auch einen solchen Gegenstand? Dann schicken Sie uns bitte Ihren Vorschlag mit kurzer Begründung per E-Mail (Adresse unten). Fügen Sie gern ein Foto ihres alten Kultobjekts hinzu. Die interessantesten Gegenstände und Geschichten wollen wir im Hamburger Abendblatt präsentieren.
Das Museum hat angekündigt, allen Lesern, die mit der Abendblattseite (oder einem Online-Ausdruck) ihrer veröffentlichten Geschichte zur Museumskasse kommen, freien Eintritt zu gewähren.
Eine Jury aus Abendblatt- und Museumsmitarbeitern wird das beste Leser-Schätzchen küren. Es wird dann in die Ausstellung integriert.
Geöffnet ist die Ausstellung im AMH (Museumsplatz 2) noch bis zum 26. April, Dienstag bis Sonntag von zehn bis 17 Uhr.