Over. Die Deiche an der Elbe sowie an den Flüssen im Kreis Harburg müssen um bis zu 1,30 Meter erhöht werden. 100 Millionen Euro sind vorgesehen

Die Deiche an der Elbe sowie an den Flüssen im Kreis Harburg müssen um bis zu 1,30 Meter erhöht werden. Hintergrund sind Messungen der Bundesanstalt für Wasserbau in Hamburg aus dem vergangenen Jahr, die auch die Windverhältnisse neu einordnen.

Die Experten gehen davon aus, dass sich der Meeresspiegel in den kommenden 100 Jahren durch den Klimawandel um 0,5 Meter erhöhen wird. Darauf soll nun reagiert werden. Allein für 20 Kilometer der Hauptdeiche an der Elbe sind 100 Millionen Euro vorgesehen.

Arbeit für 25 Jahre

„Wir rechnen für die Arbeiten mit insgesamt 25 Jahren“, sagte Heiko Warnecke, zuständiger Dezernent beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), am Sonnabend bei einem Treffen mit den Deichverbänden in Over. Erste Maßnahmen laufen bereits.

Betroffen sind mit dem Harburger Deichverband, dem Verband Vogtei Neuland und dem Artlenburger Verband alle drei Verbände im Landkreis Harburg. Neben den Elbdeichen muss auch an 63 Kilometern Nebendeichen an Flüssen gearbeitet werden.

Material ist zum Teil zu locker

Auch diese sind nicht immer auf dem neuesten Stand der Technik. „Das Material ist zum Teil zu locker oder der Querschnitt zu steil“, sagt Thilmann-Robert Heinrich, der beim NLWKN für die Landkreise Harburg und Lüneburg zuständig ist.

Um sich einen Überblick zu verschaffen war am Sonnabend Bernd Althusmann, lokaler CDU-Landtagsabgeordneter und Wirtschaftsminister in Hannover, auf die Minute pünktlich und zünftig in Gummistiefeln gekommen.

Von ersten Berührungen mit dem Hochwasserschutz berichtete der Hauptmann der Reserve schon von Ende der 80er Jahre. Damals hatte er als Fahnenjunker mit seiner Gruppe von Soldaten in Artlenburg Sandsäcke zur Verteidigung der Ortschaft hinter dem Deich gefüllt.

Auch Schutzwände wie hier in Hoopte müssen erhöht werden
Auch Schutzwände wie hier in Hoopte müssen erhöht werden © Rolf Zamponi | Rolf Zamponi

Drei Milliarden Euro für 1000 Kilometer Deiche

Deichschutz hat für Althusmann einen hohen Stellenwert: „Wir wollen hier bei den Beratungen für den Haushalt 2020 einen Schwerpunkt setzen“, sagt er. Seit 1955 habe Niedersachsen immerhin drei Milliarden Euro für 1000 Kilometer Deiche investiert.

„Baumaßnahmen in der Größenordnung von Millionen Euro sind dabei immer auch ein Wirtschaftsfaktor für die Regionen,“ so der Minister.

Dennoch muss der Landesbetrieb für den Deichbau- und Ausbau immer wieder Konflikte bewältigen. Denn ein Standarddeich, der um einen Meter erhöht werden soll, muss insgesamt sechs Meter breiter werden. Dieser Raum steht aber oftmals kaum zur Verfügung.

Schutz durch Hochwasser-Schutzwände

„Wollen wir das Gebiet zum Wasser hin nutzen, müssen wir uns mit dem Naturschutz abstimmen. Zur Landseite hin geraten wir rasch auf die Grundstücke oder an die Häuser von Anwohnern“, sagt NLWKN-Experte Heinrich zu den Erfahrungen.

Konstruktion, die Wellen zurückwirft

Die andere Möglichkeit ist der Schutz durch Hochwasser-Schutzwände wie sie in Fliegenberg, Over, Hoopte und Bullenhausen bereits stehen. Sie lassen sich erhöhen, weil die Spundwände von vorn herein für einen Ausbau ausgelegt sind.

In Bullenhausen müsste die Mauer nach den neuesten Berechnungen für den künftigen Wasserstand um 1,30 Meter aufgestockt werden.

„Wir wollen aber sehen, ob wir durch eine Konstruktion, die Wellen zurückwirft, mit 80 Zentimetern bis einem Meter auskommen“, sagte Heinrich. So würde der Blick auf den Fluss für Touristen und Ortsansässige weniger verstellt werden. Das Projekt soll 2020 untersucht, der Bau ein Jahr später begonnen werden.

Mittel kommen zu 70 Prozent vom Bund

Weitere Projekte werden bereits umgesetzt oder sind fest geplant. So wird zwischen Schwinde und Rönne der Deich auf 400 Meter um 30 Zentimeter angepasst. Für den Bereich von der Stover Rennbahn bis Schwinde läuft ein Planfeststellungsverfahren, das 2022 zum Ausbau um 75 Zentimeter führen soll.

Das Schöpfwerk Hoopte soll bis zum kommenden Frühjahr eine neue Pumpentechnik erhalten und für das Ilmenau-Sperrwerk sind von 2020 an neue Tore und ein neues Betriebsgebäude vorgesehen. Das alte Gebäude datiert immerhin schon aus den 70er Jahren.

Für den weiteren Ausbau arbeitet der Landesbetrieb an einem Rahmenentwurf, der ebenfalls Anfang 2020 fertig sein soll. Alle dort festgelegten Maßnahmen sind nach einer Prüfung finanziell abgesichert. Denn der Rahmenplan gilt als Grundlage für die mittelfristige Finanzplanung des Landes.

Die zeitlichen Prioritäten für den Ausbau der Deiche leben die Verbände zusammen mit dem NLWKN fest. Die Mittel stellen zu 70 Prozent der Bund und zu 30 Prozent das Land bereit.

Neue Fragen aus der Elbvertiefung

Aktuell ergeben sich für Althusmann neue Fragen aus der Elbvertiefung, die nun angelaufen ist. „Ihre Auswirkungen sind in den Berechnungen der Bundesanstalt für Wasserbau noch nicht berücksichtigt. In den Gutachten wird jedoch nicht auf einen Einfluss verwiesen“, sagt NLKWN-Dezernent Warnecke.

Doch die Vorsitzenden der drei Deichverbände im Landkreis sind da eher skeptisch. Sie rechnen künftig für die Elbe mit einer höheren Fließgeschwindigkeit, niedrigerem Niedrig- und höherem Hochwasser. Ob und wie darauf reagiert werden muss, wird die Zukunft zeigen.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gehört zum Geschäftsbereich des Umwelt-Ministeriums in Hannover. Der Betrieb hat die Funktion einer Behörde.

Die Direktion des NLWKN sitzt in Norden. In den elf Betriebsstellen in Niedersachsen arbeiten 1400 Mitarbeiter. In Lüneburg sind die Aufgaben Deichbau im Hochwasser- und Tidebereich, Fließgewässerentwicklung und die Instandsetzung von Anlagen angesiedelt.

Im Schutz der Deiche im Kreis Harburg leben 47.000 Menschen. Deiche gibt es an der Elbe, der Seeve, der Luhe, an der Ilmenau und am Neetzekanal.