Kreis Harburg. Von der Bertelsmann Stiftung angeregte Krankenhaus-Schließungen kommen im Landkreis Harburg nicht gut an.
Die von der Bertelsmann Stiftung vorgeschlagene Schließung von 800 der knapp 1400 deutschen Krankenhäuser ist im Landkreis Harburg nicht gut angekommen. Sowohl die Kreis-Krankenhäuser in Buchholz und Winsen als auch die Jesteburger Waldklinik, die eng zusammenarbeiten, sehen in dieser Strategie den falschen Weg. „Dass allein Konzerne eine gute Versorgung bieten könnten, ist hanebüchen. Welche Größe für ein Krankenhaus optimal ist, lässt sich nicht festlegen“, sagte der Chef der Waldklinik Jesteburg, Hans-Heinrich Aldag, bei einem Treffen mit dem Geschäftsführer der Kreis-Krankenhäuser Norbert Böttcher und Christian Pott, dem Ärztlichen Direktor der Klinik in Buchholz.
Alle drei Kliniken sind auf dem Weg zu einem Verbund als „ein virtuelles Krankenhaus“, für das künftig immer stärker Tele-Medizin genutzt werden soll. Die Gespräche mit der Landesregierung sind weit fortgeschritten. „Wir bewerben uns um ein Modellvorhaben“, sagte Böttcher. Das würde weitere finanzielle Mittel für das Projekt bringen.
Der Abbau von Krankenhausstandorten dagegen wäre ein völlig entgegengesetztes Vorgehen. „Pflegepersonal lässt sich durch die Verlagerung in große Zentren ohnehin nicht einsparen, da für die Aufgaben ein Pflegeschlüssel existiert. Das wäre nur möglich, wenn Betten abgebaut würden“, sagte Aldag, der auch Vorsitzender der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft ist.
Zahl der Behandlungen macht die Routine aus
Mehr Routine in größeren Krankenhäusern, auf die die Bertelsmann-Studie verwiesen hat, sei zwar ein Argument. „Werden aber in mittleren Häusern ausreichend gleiche Behandlungen absolviert, kann ein Patient von einer vergleichbaren Kompetenz bei Ärzten und Pflegern ausgehen.“
Die Grundversorgung bei Geburten oder auch von älteren Menschen mit chronischen Krankheiten sollte in jedem Fall nahe der Wohnorte liegen, damit regelmäßige Besuche von Familienangehörigen möglich sind. Zudem dürfte die Konzentration der Krankenhäuser auf wenige Zentren für das Anwerben von Personal kritisch sein. „Zentrale Häuser ohne eine gewachsene Wohnstruktur in ihrer Umgebung sind schwer umzusetzen“, sagte Buchholz Ärztlicher Direktor Pott. Schließlich müssten künftig neue und oftmals längere Arbeitswege in Kauf genommen werden. „Wir haben es aber nicht überall mit hochmobilen Personal zu tun,“ argumentiert der Chefarzt.
Ohnehin sind alle drei Krankenhäuser schon jetzt auf mehreren Gebieten spezialisiert. Das gilt für Buchholz für Herz-Infarkte, Schlaganfälle und Tumor-Krankheiten. In Jesteburg wird bei der neurologischen Frührehabilitation mit Erfolg versucht, Schlaganfall- oder Koma-Patienten so zu behandeln, dass sie möglichst wieder in ihre Familie oder ihre häusliche Umgebung zurückkehren können. Zertifikate belegen dabei für alle Häuser die aktuellen Standards.
Die Patienten honorieren dies offensichtlich. „Unsere Zahlen steigen seit Jahren“, sagt Kreis-Krankenhaus-Chef Böttcher. Innerhalb von zehn Jahren gab es ein Plus von 25.000 auf zuletzt 32.000 behandelte Fälle.
Tele-Medizin ist wichtig für die Patienten
Schon jetzt profitieren die Patienten dabei vom Einsatz der Tele-Medizin, die es bei Konferenzen möglich macht, alle Ärzte und Spezialisten für Operationen zusammen zu bringen. Dafür werden die Teilnehmer aus Buchholz und Winsen zusammengeschaltet, ohne ihren Standort verlassen zu müssen und können dabei auf die komplette Dokumentation zurückgreifen. „Wir ziehen mit dieser Technologie mit Großkliniken gleich und werden sie weiter fortschreiben“, versichert Böttcher. Um bei einer Verlegung in die Reha keine Unsicherheit aufkommen zu lassen, behandeln Therapeuten aus der Waldklinik Patienten schon zuvor in den Kreis-Kliniken.
Waldklinik sucht bis zu 80 neue Mitarbeiter
Anfang August wird der promovierte Kaufmann Aldag eine Kampagne starten, mit der er um bis zu 80 neue Mitarbeiter für seine Klinik werben will. Sie werden für die Arbeit im geplanten Ausbau in Jesteburg gebraucht, in den mehr als 16 Millionen Euro fließen sollen. Hintergrund ist der steigenden Bedarf in der Frührehabilitation in der Region. Gerade die Zusammenarbeit mit Krankenhäusern wie in Buchholz und Winsen führt dabei zu einer zügigeren Übernahme in die Spezialklinik. Zudem gelte auch für Rehas, dass Patienten sie gern in die Nähe ihrer Wohnorte verbringen.
Aldag weiß, wie schwer es ist, gutes Personal zu bekommen. Er rechnet sich Chancen bei Fachleuten aus, die gern längerfristig mit Patienten arbeiten wollen. In Buchholz nennt auch Direktor Christian Pott das Anwerben von Mitarbeitern ein „nicht triviales Problem.“ Doch dass Großkliniken es lösen würden, sieht er nicht. Das Problem hat die gesamte Branche, unabhängig von der Größe der Häuser.
Kliniken in Buchholz, Winsen und Jesteburg
Das Krankenhaus Buchholz und das Krankenhaus Winsen befinden sich in gemeinsamer Trägerschaft des Landkreises. Beide Krankenhäuser sind Teil des Elbe-Heide-Krankenhausverbundes, der Kliniken südlich von Hamburg umfasst. An beiden Standorten arbeiten zusammen 2000 Beschäftigte. Bis 2015 gab es das Krankenhaus Salzhausen, das nach der Insolvenz umgestaltet wurde.
Die Waldklinik Jesteburg ist ein integriertes Zentrum für Rehabilitation für Patienten mit neurologischen und orthopädischen Erkrankungen und Verletzungen. Dort sind rund 400 Mitarbeiter beschäftigt.