Buchholz. Schlaganfall-Versorgung: Ministerpräsident stellt sich im Streit mit den Krankenkassen auf die Seite der Kliniken. Antrag im Bundesrat
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will die Krankenhäuser im Konflikt um die Versorgung von Schlaganfall-Patienten unterstützen. Die Krankenkassen wollen nach einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts das Geld für komplexe Behandlungen aus den vergangenen vier Jahren einklagen (wir berichteten). Zudem sollen die Kliniken diese Behandlungen künftig nicht mehr abrechnen können. „Wir sorgen dafür, dass das Geld wieder fließt,“ sagte Weil bei einem Besuch im Krankenhaus in Buchholz.
„Uns ist bewusst, dass diese Klagen derzeit alle Sozialgerichte fluten“, sagt Weil. Gesundheitsministerin Carola Reimann habe deshalb einen Antrag im Bundesrat eingebracht, den Klagen die Grundlage zu entziehen. Der Ministerpräsident sagte zudem zu, dass er sich persönlich für die Belange der Kreis-Krankenhäuser in Buchholz und Winsen einsetzen werde. „Wir sind sehr zufrieden, dass der Ministerpräsident unsere Sorgen ernst nimmt und ihm daran gelegen ist, den Austausch darüber zu vertiefen“, zogen Landrat Rainer Rempe und Norbert Böttcher, der Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, nach dem Besuch ein Fazit. Die Klagen der Krankenkassen bringen die Kliniken derzeit in eine ernste Lage.
„Wir haben keine refinanzierte Schlaganfallversorgung“, stellt Klinik Geschäftsführer Böttcher klar. „Dadurch, dass nicht nur geklagt, sondern im selben Zug von einigen Kassen die gesamte Summe sofort gegen andere Forderungen verrechnet wird, stehen wir vor einem erheblichen finanziellen Risiko.“ Derzeit liegen bei der Krankenhausgesellschaft des Kreises 620 Klagen vor. Ihr Volumen betrug zuletzt rund 1,2 Millionen Euro. Täglich aber träfen weitere Klagen ein. Obwohl einigen Kassen momentan gar nicht mehr zahlen, läuft die Behandlung bei Schlaganfällen weiter. „Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat uns auf Antrag der Geschäftsführung angewiesen, die Versorgung fortzusetzen“, sagte Böttcher dem Abendblatt. Der Geschäftsführer hatte die Kassen zuvor scharf kritisiert. „Sie handeln unverantwortlich und vertreten so weder wirtschaftliche Interessen noch die ihrer Versicherten.“ Als Problem gilt in diesem Zusammenhang auch die Anbindung des Medizinischen Dienstes (MDK) an die Krankenkassen, obwohl der Dienst als Gutachter- und Kontrolleur arbeiten soll. Experten im Gesundheitswesen fordern daher, den MDK unabhängiger aufzustellen.
Weil gab in Buchholz eine Zusage für ein anschließendes Grundsatzgespräch. Es soll zeitnah mit Gesundheitsministerin Reimann und Vertretern der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft organisiert werden. Vorsitzender der Gesellschaft ist der Chef der Jesteburger Waldklinik, Hans-Heinrich Aldag.
Der AOK-Bundesverband hatte zuletzt eingeräumt, dass die Situation für alle Beteiligten, Krankenhäuser, Gerichte und Krankenkassen eine Belastung darstelle, die man hätte vermeiden können. Die AOK suche nach Lösungen. „Wir führen in allen Bundesländern Gespräche mit Krankenhäusern und Ministerien. So können wir Fragen hoffentlich auf dem Verhandlungsweg klären“, so Kai Behrens, Sprecher des Bundesverbandes.
Auf Interesse beim Ministerpräsidenten stießen bei dem Besuch die Pläne der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, sich zu einem virtuellen Krankenhaus zu vernetzen. Der Gedanke an einen virtuellen Zusammenschluss klinge spannend, sagte Weil. „Wir wollen dann wie ein Krankenhaus auftreten“, sagte Böttcher. Derzeit werde noch an Konzepten für ein Modellvorhaben gearbeitet.
„Wir unterstützen diese Idee in vollem Maße“, sagt Landrat Rainer Rempe. „Dagegen kommt ein Zentralkrankenhaus, wie es derzeit in einigen Regionen geplant ist, für uns nicht infrage. Es könnte die Menschen im Landkreis Harburg nicht flächendeckend versorgen.“ Zuletzt hatte das Land für 2018 Fördergelder von 14 Millionen Euro aus dem Krankenhausinvestitionsprogramm für die geplanten Um- und Anbaumaßnahmen in Buchholz und Winsen zugesagt.