Harburg. Im Rahmen des Projekts Walls Can Dance gestalteten Künstler zwei Fassaden im Bereich Lüneburger Straße. Das Ziel: Eine Harburger Freiluft-Galerie
Immer wieder bleiben Passanten stehen und schauen sich die junge Frau in ihrem gestreiften Kleid an. Mehrere Meter ist sie hoch und damit nicht zu übersehen. Das Bild des Mädchens mit einem Eukalyptuszweig in der Hand ziert eine Hauswand an der Amalienstraße 3 im Herzen Harburgs. Nur einige Meter entfernt, an der Lüneburger Straße 12, ist ein weiteres Kunstwerk entstanden: Es zeigt Wasserballspielerinnen und Sumoringer.
Beide Wandgemälde sind Teil des Kunstprojekts Walls Can Dance, das den Stadtteil Harburg zur Freiluft-Galerie machen will. Organisiert wird es vom gemeinnützigen Urban Art Institute, das die Künstler, die finanziellen Mittel und die Hauswände besorgt. Insgesamt zehn Riesengemälde sollen an Gebäuden im Binnenhafen und in der Innenstadt bis Ende 2020 entstehen. Vier sind bereits vorhanden: Den Anfang machte im Frühjahr 2017 ein technisch inspiriertes Großbild an der Harburger Schloßstraße. Es folgte im August 2017 ein Bildnis einer Frau mit drei Tauben an der Neuen Straße. Vergangene Woche kamen nun zwei weitere Kunstwerke hinzu.
Am Dienstag beginnt das österreichisch-französische Künstlerpaar Jana & JS – Jana und Jean-Sébastien Philippe – sein Werk, die kleine Tochter ist mit dabei. Das Paar hat mit kühlen Temperaturen und Regenschauern zu kämpfen, lässt sich aber nicht entmutigen. Die Vorlage für das Motiv lieferte eine Fotografie der Nichte. Mit der „stencil-technik“, der Schablonenkunst, zeichnen Jana & JS zunächst die Umrisse der jungen Frau an die Wand. Dabei verwenden sie Fassadenfarben und Dosen, ähnlich wie beim Graffiti, in dem Urban Art ihren Ursprung nahm.
Mit einer Arbeitsbühne geht es rauf und runter, um die schmale, hohe Hauswand zu bemalen. Nach und nach wird die Hauswand zu einem Kunstwerk und bis Donnerstag mit Farbe vervollständigt – das Mädchen wird zum Hingucker in der Harburger City. Wie treffend die Motivwahl ist, stellt sich erst bei der Arbeit heraus: „Die Hausbesitzerin erzählte uns gerade, dass in dem Gebäude nur alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern wohnen“, sagt Jana Fux vom Urban Art Institute.
Motiv mit Wasseranbindung passt zu Hamburg
Am Donnerstag Abend laden die Organisatoren zu einer kleinen Vernissage ein, auch für die Anwohner der Amalienstraße. „Es ist eine gute Sache und macht hier alles bunter und schöner“, sagt Makram Mansouri, zu der bemalten Hausfassade, die sich direkt neben seinem Café „The Coffee Box“ befindet.
Dort, wo die Amalienstraße in die Lüneburger Straße mündet, entsteht Ende der Woche das zweite Kunstwerk, geschaffen vom Frankfurter Künstler Guido Zimmermann. Am Sonnabendvormittag steht er zufrieden vor dem Drogeriemarkt zu Füßen seines Werks: „Es macht Spaß, in verschiedenen Städten seine Spuren zu hinterlassen.“ In Harburg sei er zum ersten Mal gewesen, erzählt Zimmermann, der im Sommer oft Fassaden bemalt und im Winter im Atelier arbeitet. Hamburg kennt und mag er. Allerdings macht er sich am Sonnabend gleich wieder auf den Heimweg. Denn am Montag steht schon der nächste Auftrag an, dann bemalt Zimmermann eine Heidelberger Hauswand. In Harburg hat der Künstler ein buntes Motiv an die Wand gemalt, das neun Wasserball-Spielerinnen und zwei Sumoringer zeigt – wer sich die Mühe macht und nachzählt, muss zumindest bei den Schwimmerinnen sehr genau hinschauen.
Das Motiv mit Wasseranbindung passe gut zu Hamburg, urteilen Zimmermann und Rudolf Klöckner vom Urban Art Institute. Zimmermann bezeichnet seine Kunst als sehr dynamisch und gegensätzlich. Oft zeigen seine Werke eine Auseinandersetzung oder das Zusammentreffen zweier Kräfte, in diesem Fall von Schwimmerinnen und Sumoringern. Klöckner sieht Parallelen zur Lüneburger Straße: „Hier gibt es ein Kräftemessen zwischen dem Einzelhandel in der wichtigen Einkaufsstraße und dem Phoenix Center.“
Hausbesitzer sind bei der Motivauswahl beteiligt
Das sechsköpfige Team des Urban Art Institute schaut zunächst, welche Künstler zu welchen Objekten passen. Gemeinsam wird die Umgebung erkundet und zusammen mit den Hausbesitzern das Motiv ausgewählt. Zimmermann bemalte ein Gebäude, das der Mara und Holger Cassens Stiftung gehört. Sie unterstützt Walls Can Dance seit den Anfängen des Projekts und übernahm jetzt die entstandenen Kosten, etwa für Farben, Hubsteiger, Künstlerhonorar, An- und Abreise, Hotel. Bei jedem Wandgemälde seien die Hausbesitzer aufgefordert, zumindest einen Teil der Kosten zu übernehmen, betont Klöckner.
Das Mädchen mit dem Efeuzweig wurde vorwiegend aus einem bezirklichen Sonderfonds und dem Etat zur Stadtteilentwicklung finanziert. Aber auch hier beteiligte sich der Hausbesitzer an den Kosten. Und er ist so begeistert vom Ergebnis, dass er in Eigenregie die Fassade mit Klarlack versiegeln ließ, damit die Farben lange frisch bleiben.