Jork. Auf einigen Höfen sind bis zu 80 Prozent der Früchte beschädigt. Wetterextreme bedrohen zunehmend die Existenz der Obstbauern.

Es dauerte nur zehn Minuten. Doch die Auswirkungen des Hagelschauers am Sonnabendvormittag im Alten Land sind enorm. Besonders betroffen war das Gebiet rund um das Städtchen Jork. Auf einigen Höfen sollen bis zu 80 Prozent der Äpfel beschädigt sein.

Die heranreifenden Äpfel haben zum Teil Verletzungen in der Größe einer Ein-Euro-Münze und sind nicht mehr vermarktbar. „Es ist zu erheblichen Schäden gekommen“, sagt Dr. Karsten Klopp, Leiter des Obstbauzentrums Esteburg in Jork. Mehr als 100 Betriebe seien betroffen.

Hagelkörner so groß wie Würfelzuckerstücke

„Wir sind mit dem Wetter mittlerweile einiges gewöhnt“, sagt Gerd Lefers, Obstbauer in der siebten Generation und Seniorchef auf dem Obsthof Lefers in Jork. „Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Hagelkörner so groß wie Würfelzuckerstücke seien vom Himmel gekommen und auf die Bäume getroffen.

Er greift in die Zweige eines Apfelbaums, biegt sie etwas auseinander und greift nach einer kleinen grünen Frucht. Kleine Dellen und größere Platzwunden in der Schale färben sich bereits braun. Noch sind die Äpfel nicht reif, doch schon jetzt ist abzusehen, dass die Ernte im September äußerst mager ausfallen wird. Egal ob Elstar, Jonagold, Boskop oder Braeburn – auf einem Großteil der Früchte sind Schäden zu erkennen.

Obst für die Mosterei rechnet sich nicht

Das beschädigte Obst sei nur noch für die Mosterei zu gebrauchen, sagt er. Mostobst allerdings bringe nur fünf bis sechs Cent pro Kilogramm – bei Produktionskosten von 40 Cent. „Verhagelte Äpfel sind nie kostendeckend. Es wäre günstiger, sie wegzuschmeißen.“

Erst bei der Ernte wird sich zeigen, wie stark der Hagel den Äpfeln wirklich zugesetzt hat. Bis dahin müssen sie an den Bäumen bleiben. Zum einen, damit die Versicherung eine korrekte Zählung vornehmen kann. Zum anderen, um die intakten Früchte zu retten. „Sonst werden sie viel zu groß, dann nimmt die mir keiner mehr ab“, sagt Lefers.

Anders als im süddeutschen Raum werden im Alten Land nur wenige Plantagen mit Netzen gegen Hagel geschützt. „Die Netze sind sehr teuer, so dass sie höchstens bei besonderen Sorten, die einen hohen Marktwert haben, eingesetzt werden“, sagt Karsten Klopp. Der Obstbauexperte schätzt, dass von der gut 10.000 Hektar großen Anbaufläche an der Unterelbe vielleicht auf 150 Hektar Äpfel unter Netzen heranwachsen.

Schadenshöhe ist noch nicht zu ermitteln

Die Gesamthöhe des entstandenen Schadens kann er noch nicht nennen: „Wir sind derzeit dabei, die Schäden abzuschätzen. Genauere Werte werden Gutachter der Hagelversicherung der Landwirtschaft erheben.“ Je nach Höhe der gezahlten Prämie werden die Schäden zumindest anteilig ersetzt.

Die kleinen Äpfel zeigen deutliche Hagelspuren und taugen nur noch für den Most.
Die kleinen Äpfel zeigen deutliche Hagelspuren und taugen nur noch für den Most. © Lena Thiele | Lena Thiele

Auch der Hof Lefers, der eine Fläche von 23 Hektar bewirtschaftet und zurzeit auf Bio-Anbau umstellt, hat eine entsprechende Versicherung. Ersetzt werde aber nur ein Teilwert, sagt Gerd Lefers. „Man kann nicht alles versichern.“ Stattdessen setzen der 69-Jährige und sein Sohn auf ihre weiteren Standbeine: den Hofladen, die Erlebnisgastronomie, die Veranstaltungen und den Verkauf von Weihnachtsbäumen. Und neue Trecker würden erstmal nicht gekauft, sagt er mit einem schiefen Lächeln.

Für einige Bauern ist der Hagel existenzbedrohend

Der Obstbauer geht allerdings davon aus, dass nicht jeder Hof im Alten Land die Schäden kompensieren kann. „Dieser Hagel wird einige Betriebe in den Ruin treiben“, befürchtet er. Auch auf nachgeordnete Firmen, wie Landmaschinenhersteller oder Kühlanlagenbauer, werde sich der Schauer auswirken.

Gerd Lefers hofft auf ein Umdenken in der Politik. Er hat konkrete Vorstellungen, wie zumindest die Auswirkungen solcher Wetterextreme geringer gehalten werden könnten. Da wären zum einen die Zuschüsse zur Unwetterversicherung, die in 19 EU-Staaten bereits an Obstbauern gezahlt würden. „Wir kriegen nichts, das ist ein Wettbewerbsnachteil.“ Zum anderen setzt er sich für das Recht ein, selbst eine steuerfreie Rücklage für solche Fälle bilden zu dürfen.

Ansprüche an die Qualität steigen stetig

Denn das Risiko, dass die Obstbauern auf sich nehmen, werde größer. Das hänge mit steigenden Erwartungen an die Qualität und damit höheren Investitionssummen zusammen, sagt Gerd Lefers. Und außerdem werde das Wetter immer extremer. „2017 war alles nass und verregnet, 2018 war der Sommer total trocken. Und in diesem Jahr haben wir nun diesen Klöterkram.“