Cranz. „Geleakter“ Fahrplanentwurf der HADAG sieht neue Fähre nach Finkenwerder vor. Linie Cranz-Blankenese fehlt in dem Papier. Nur „ein Gedankenspiel“?
Die Nachricht alarmierte Gudrun Schittek, Grünen-Bezirksabgeordnete aus Cranz: In einem Fahrplanentwurf, der ihr zugespielt wurde, war eine neue Fährlinie der HADAG von Blankenese nach Finkenwerder geplant, die viermal am Tag auch die Anleger Cranz und Neuenfelde bedienen soll. So weit, so gut – eigentlich. Nur soll diese Linie 65 laut den Unterlagen mit ihren vier Abfahrten in Cranz dann die jetzige Fährlinie Cranz – Blankenese mit sieben Abfahrten im Winter und 14 im Sommer ersetzen. Und zwar – nach Gudrun Schitteks Informationen – bereits ab Juli.
„Das können die Cranzer nicht hinnehmen!“
„Das können die Cranzer nicht hinnehmen, aber eigentlich nicht nur die Cranzer nicht“, sagt Schittek. „Denn diese Fähre ist auch für Menschen aus Jork, Buxtehude und Neu Wulmstorf die ideale Verbindung, wenn sie ohne Auto in den Hamburger Westen wollen. Wir sprechen davon, dass wir den Fahrradverkehr fördern wollen, aber solche Aktionen zwingen die Pendler ja förmlich ins Auto!“
HADAG-Chef versucht, die Wogen zu glätten
Tobias Haack, seit knapp einem Jahr „Der Neue“ auf dem Chefsessel der HADAG, versucht, die Wogen zu glätten: „Diese Linie 65 ist nur ein Gedankenspiel“, sagt er. „Und dazu gehört eben auch ein Fahrplanentwurf, damit wir simulieren können, wie sich so eine Linie ins Gesamtangebot einfügen könnte“, sagt er. Ein konkreter Plan sei das nicht.
Ganz anlasslos schickt der promovierte Ingenieur Haack seine Gedanken jedoch nicht zum Spielen: Die Fährverbindung von Cranz nach Blankenese ist in vielerlei Hinsicht ein Sorgenkind der HADAG.
Zurück ist der Weg noch komplizierter
Da ist zum Einen das Fahrwasser: Von Blankenese muss die Fähre zunächst durch das dauerverschlickte Mühlenberger Loch in die Este-Mündung manövrieren – auf einer natürlichen Fahrrinne, die oft Lage und Breite ändert – dann die Estesperrwerke passieren und zuletzt auf der flachen Este bis zum Anleger Cranz schippern. Zurück ist der Weg noch komplizierter, denn das Schiff muss im engen Este-Fahrwasser wenden. Nur zwei Schiffe der HADAG können hier überhaupt eingesetzt werden, die „Finkenwerder“ und die „Altona“. Und die „Finkenwerder“ ist nach einer Kollision mit einem Frachtschiff seit Februar außer Betrieb.
bei Hochwasser kann Cranz oft nicht angelaufen werden
Da sind zudem die Gezeiten und die Wasserstände: Bei Niedrigwasser kommt das Schiff oft nicht in die Este und fährt nur bis zum Anleger Neuenfelde. Bei starkem Niedrigwasser geht nicht einmal das. Das Schiff muss dann nach Finkenwerder ausweichen. Auch bei Hochwasser kann Cranz oft nicht angelaufen werden, weil dann das Sperrwerk schließt. Auch Wartungsarbeiten an den Sperrwerken lassen die Fahrten oft in Neuenfelde enden.
Bei der HADAG gibt es zu wenig Schiffsführer
Da ist außerdem der Fachkräftemangel: Bei der HADAG gibt es zu wenig Schiffsführer. Immer wieder fallen Fährfahrten wegen „Betriebsstörungen“ aus und oft bedeutet das, dass die Fähre nicht besetzt werden konnte. Die HADAG steuert gegen und hat eine Ausbildungs- und Einstellungsoffensive gestartet, aber Hafenschipper gibt es nicht gerade, wie Sand am Meer. Auf der Cranzer Linie kommt erschwerend hinzu, dass die Anleger in Neuenfelde und Cranz nicht schwimmend, sondern starr gebaut sind. Hier muss eine Gangway ausgebracht werden. Dafür muss ein zweiter Mann mitfahren. Die meisten Fahrten auf der Gedankenspiel-Linie 65 könnten mit einem einzelnen Schiffer absolviert werden.
Im Jahresschnitt fahren pro Törn sechs Passagiere mit
Da sind die Fahrgastzahlen: Im Jahresschnitt fahren pro Törn sechs Passagiere mit, von zehn in den Sommermonaten zu zwei im Winter. „0,05 Prozent meiner Fahrgäste sorgen für 10 Prozent meines Defizits“, rechnet Tobias Haack vor.
Schon Haacks Vorgängerin Gabriele Müller-Remer hatte mit den Fahrgastzahlen gehadert und dann und wann dezent verlauten lassen, dass die Nahverkehrsanbindung von Cranz und Neuenfelde im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge mit der Buslinie 150 – Cranz-Altona – ziemlich gut gegeben sei.
Fähre ist immer unzuverlässiger geworden
Gudrun Schittek, selbst tägliche Pendlerin zwischen ihrem Wohnsitz in Cranz und ihrer Arztpraxis in Blankenese, will das Argument der Fahrgastzahlen nicht gelten lassen: „Die HADAG hat selbst dafür gesorgt, dass das Fahrgastaufkommen in den vergangenen Jahren stetig gesunken ist“, sagt sie. „Denn die Fähre ist immer unzuverlässiger geworden und die Informationspolitik ist mangelhaft. Oft erfahren Fahrgäste erst am Anleger, dass die Fähre hier jetzt gerade nicht fährt.“ Zwar kommuniziert die HADAG spontane Änderungen und Ausfälle über ein – sehr aktives – „Twitter“- konto, aber das muss man wissen. „Touristen wissen oft das nicht und sind dann irritiert. Die nutzen diese Fähre dann nicht noch einmal“, so Schittek. Sie und ihre Mitstreiter im Arbeitskreis Cranz fordern, dass die HADAG die havarierte „Finkenwerder“ ersetzt – durch ein Schiff mit maximal 8o Zentimeter Tiefgang, um die Tide-Abhängigkeit zu überwinden. „Aus dem Schadenersatz, den die HADAG bekommen muss, könnte man das finanzieren. Es muss ja kein Neubau sein. In den Niederlanden, Dänemark und Schweden gibt es einen riesigen Gebrauchtmarkt mit geeigneten Schiffen“, sagt die Abgeordnete.