Bispingen . Experten tüfteln unter dem “Snow Dome“ an dem Projekt, das es ins Guinness-Buch schaffen soll. Konkurrenz für das Miniatur Wunderland?

Die meisten verbinden mit Bispingen vor allem eines: den „Snow Dome“ an der A 7. Das dürfte sich bald ändern. Im September soll unter der künstlichen Skipiste die größte Modelleisenbahn der Welt eröffnen. Auf rund 12.000 Quadratmetern werden dann 500 bis zu 30 Meter lange Züge im Maßstab 1:22,5 durch 35 so genannte Themenwelten rattern.

So lautet das ehrgeizige Ziel von Frank Blin, Betreiber des Snow Dome. Der Unternehmer will in der niedersächsischen Touristen- und Ferienregion eine völlig neue Freizeit-Attraktion für Familien schaffen – mit ferngesteuerten Schiffsmodellen und Baumaschinen, einer gigantischen Carrera-Rennbahn mit Nürburgring, einem Renn-Fahrsimulator, einem Automuseum und virtuellen Welten. Und zusätzlich ein neues Hotel errichten. Mit 104 Zimmern und 208 Betten. Es soll im Oktober eröffnen.

Tischler Vico beim Feinschliff – für ihn ist es das erste Modellbauprojekt.
Tischler Vico beim Feinschliff – für ihn ist es das erste Modellbauprojekt. © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Bis zu 30 Modellbauer sind emsig dabei

Herzstück und Publikumsmagnet des neuen Freizeitparks wird jedoch die gigantische Modelleisenbahn. Seit Anfang des Jahres sind bis zu 30 Modellbauer emsig dabei, in der rund 1000 Quadratmeter großen Werkstatt unterhalb der Piste Kulissen und Landschaften für die in Form und Größe bisher einzigartige Bahn zu schaffen. Es sind Tischler, Zimmerleute, Kulissenbauer, Ingenieure, Designerinnen. Sie kommen aus ganz Deutschland – von den Filmstudios Babelsberg, von der Staatsoper in Berlin, aus dem Schwarzwald und aus Nürnberg. Oder auch schon mal vom Hamburger Flugzeugbauer Airbus. „Es war nicht einfach, all die Leute zu finden, die so ein Projekt realisieren können“, erzählt Franz Jägeler, Sprecher des „Berg & Tal Abenteuer-Resorts“, wie der Park neuerdings werbewirksam heißt. „Aber jetzt sind sie alle mit Begeisterung dabei. Für den Weltrekord und den Eintrag ins Guinness Buch“.

Inspiriert von einem realen Vorbild in Ägypten schraubt Flugzeugbauer Dorian die Trasse für eine Eisenbahnbrücke über den Nil zusammen.
Inspiriert von einem realen Vorbild in Ägypten schraubt Flugzeugbauer Dorian die Trasse für eine Eisenbahnbrücke über den Nil zusammen. © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Für das Hamburger Abendblatt haben Frank Blin und sein Team den Vorhang gelüftet

Wie baut man eigentlich die weltgrößte Modelleisenbahnbahn? Bisher hüllten sich die Schöpfer darüber in Schweigen. Sie ließen sich von niemandem in die Karten schauen. Für das Hamburger Abendblatt haben Frank Blin und sein Team den Vorhang gelüftet.

Im Obergeschoss des Snow Dome wartet Volker Hansen, technischer Leiter der Bahn. Der ehemalige Fernmeldetechniker der Telekom ist ein Alleskönner. Er hat gut 40 Jahre Modellbauerfahrung und bringt eine leuchtend rote amerikanische Santa Fe-Diesellok im Maßstab 1.22,5 in Fahrt. Mit Getöse, Pfeifen und Gebimmel setzt sich der gut acht Meter lange Zug mit beleuchteten Waggons, Panoramawagen und winzigen Passagieren an Bord in Bewegung. Bisher noch auf dem Teppich des Konstruktionsbüros.

„Alles wird digital gesteuert“, verrät Hansen mit leuchtenden Augen

„Alles wird digital gesteuert“, verrät Hansen mit leuchtenden Augen und zeigt ein Chassis mit einem unendlichen, bunten Kabelgewirr. Mit Hilfe des Racks werden Züge, Weichen und Signalanlagen einer der 60 mal fünf Meter großen Themenwelten-Module der Anlage gesteuert. Die gesamte Modelleisenbahnanlage mit einer Fläche von 120 mal 100 Meter wird anderthalb mal so groß sein wie ein Fußballfeld. Allein der Plan für die Gleisführung misst rund zehn Quadratmeter.

„Taigatrommel“, „Alpenschwein“ und das Deutsche Krokodil“ sollen rollen

„Die größte Herausforderung war es, die rund 20 Kilometer Gleise interessant und schön zu verlegen. Planung ist das A und O“, sagt Hansen. Der Raum ist gefüllt mit Modelleisenbahnen namhafter Hersteller wie LGB und Piko – darunter alle gängigen Typen und Spezialitäten wie die „Taigatrommel“, das „Alpenschwein“ oder das „Deutsche Krokodil“. Gern lässt sich Hansen vor „seiner“ amerikanischen „Big Boy“ fotografieren – eine 1,5 Meter lange amerikanische Dampflok aus Metall, die allein gut 50 Kilo auf die Waage bringt. 5500 Euro hat das Schmuckstück gekostet, mit Original-Kohle im Wagen. „Die Letzte aus der Serie“, wie der Fachmann weiß.

Dieser „Big Boy“ hat es in sich: Stolz präsentiert der technische Leiter Volker Hansen das 1,5 Meter lange Schmuckstück. Die Lok wiegt 50 Kilo und kostet allein 5500 Euro. Jörg Riefenstahl (8)
Dieser „Big Boy“ hat es in sich: Stolz präsentiert der technische Leiter Volker Hansen das 1,5 Meter lange Schmuckstück. Die Lok wiegt 50 Kilo und kostet allein 5500 Euro. Jörg Riefenstahl (8) © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

„Ich sehe die Welt heute mit ganz anderen Augen.“

Unterdessen wird in der Halle gehämmert, gebohrt, gesägt, geschraubt, gefeilt und geklebt. Es riecht nach Leim und frischem Holz. „Das wird eine Brücke. Sie überspannt den Nil und wird Teil der ägyptischen Themenwelt“, erklärt Dorian, ehemals Flugzeugbauer bei Airbus, und zeigt auf dem Smartphone ein Foto der Originalbrücke – Inspiration für sein handgefertigtes Modell, das ähnlich aussehen wird: „Es geht im Modellbau um strukturelle Funktionalität und Stimmigkeit. Ich sehe die Welt heute mit ganz anderen Augen.“

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Maßstabs- und Detailtreue gehören zu den größten Herausforderungen im Modellbau. Während sie bei wertvollen Zügen in der Regel von Haus aus gewährleistetet sind, wird es bei einer handgefertigten Landschaft schon schwieriger. Und davon gibt es bei der weltgrößten Bahnanlage zur Genüge. Zunächst werden die Unterbauten der 60 mal fünf Meter langen Themenmodule in der Halle vorgefertigt. Dann werden die Module zersägt, nach draußen befördert und unter der Skipiste zusammengefügt.

Zurzeit wird an Ägypten und Kanada gearbeitet

Auf der mit 40 großen Containern geschützten, riesigen Außenfläche sind bereits erste Geländeformationen für die Arktis, Großbritannien, Italien und Island zu erkennen. Zurzeit wird an Ägypten und Kanada gearbeitet. China, die USA, die Schweiz werden ebenso vertreten sein, heißt es. Ebenso der Harz – nur eben kleiner. Die 240 Waggons für die Schmalspurbahn baut ein Wernigeröder Familienbetrieb.

Auf bis zu 1,80 Meter Höhe und auf bis zu sechs Gleisen nebeneinander sollen die Züge in Bispingen eines Tages fahren. „Die Alpen werden acht bis neun Meter hoch, die Rocky Mountains in den USA noch etwas höher“, schwärmt Frank Blin. Der Aufbau wird ständig mit fest installierten Go-Pro-Kameras dokumentiert. Ein TV-Team vom Sender Kabel Eins begleitet die Arbeiten für eine Reportage der Serie „Abenteuer Leben“.

Die Graffiti an den Wänden sind schon da

Yogi Meiners ist der Chef für den Geländebau. Er führt die Mitarbeiter auf der Großbaustelle mit ruhiger Hand. Und legt selbst mit Hand an. „Da muss noch ein Indianer hin“, sagt Yogi und platziert eine handbemalte Figur mit Federschmuck vor einem Zelt kanadischer Ureinwohner. Ein paar Meter weiter wird gerade ein typischer Regionalbahnhof aufgebaut. Die Graffiti an den Wänden sind schon da – wie im richtigen Leben. Yogi hat alles fest im Blick.

Unterdessen arbeitet Tischler Vico am Feinschliff eines Sägewerks. „Es ist mein erstes Modellbauprojekt“, sagt der junge Mann aus Berlin. Zwei Mitarbeiterinnen interessieren sich für die Figuren eines Fantasy-Films, der auf einem Monitor läuft. „Wir bauen auch fiktive Themenwelten – angelehnt an Star Wars und Mad Max“, verrät Blin.

Die Schienen („G“) kommen aus einer Behindertenwerkstatt in Winsen.
Die Schienen („G“) kommen aus einer Behindertenwerkstatt in Winsen. © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Ein besonderer Clou wird der Snow Dome als Modell – mit der weltgrößten Modelleisenbahn im Minitrix-Format, Maßstab 1:160. Als Konkurrenz zum Miniaturwunderland sieht sich Blin keineswegs: „Wir sind hier in einer ganz anderen, stark touristisch geprägten Region, mit Serengeti Park, Heidepark und Vogelpark unterwegs. Unsere Publikum im Abenteuer-Resort sind vor allem Tagesausflügler und Familien mit Kindern.“

Zahlen und Fakten zum Projekt:

Die Investitionen in den Freizeitpark samt Hotelneubau beziffert „Abenteuer-Resort“ -Geschäftsführer Frank Blin mit „mehr als 10 Millionen Euro“.

Die Modelleisenbahn hat die Spurweite G, was dem Maßstab 1:22,5 entspricht. Zum Vergleich: Die gängige H0 im Maßstab 1:87 ist deutlich kleiner. Die Anlage wird mit 24 Volt betrieben, die Steuerung ist digital. Der Stromverbrauch liegt bei 120 Ampere.

Der „Snow Dome“ wird als Teil der Modelleisenbahnanlage auf einer Fläche von elf mal vier Metern von einer Hamburger Firma nachgebaut.

Besucher der Modelleisenbahn werden die Möglichkeit erhalten, mit einer VR-Brille (Virtual Realitiy) durch die Modellwelten „mitzufahren“. Die Loks werden mit speziellen Kameras ausgestattet.

Die Besucherzahl des Freizeitparks soll sich nach der Erweiterung von 300.000 auf bis zu 600.000 Gäste im Jahr erhöhen. Das Kombiticket (mit Ski, Automuseum und Modelleisenbahn) soll etwa 15 Euro für Erwachsene kosten, Kinder zahlen 8 Euro. Die Modelleisenbahn wird voraussichtlich im September dieses Jahres eröffnen. Während der kalten Jahrezeit (Ende Oktobr bis Mitte April) bleibt die Modellbahn geschlossen. JR