Harburg. Im Bezirk liegt das Mietniveau unter dem Hamburger Durchschnitt, aber auch hier ist der bezahlbare Wohnraum knapp.
Rund 5000 Hamburger gingen am Sonnabend auf die Straße, um beim „MietenMove“ für bezahlbaren Wohnraum zu protestieren. Auch im Bezirk Harburg wird das Wohnen immer teurer, wenn auch auf niedrigerem Niveau als nördlich der Elbe. Zudem weist der Bezirk ein vergleichsweise hohes Flächenpotenzial für den Wohnungsbau auf und liegt seit Jahren bei der Anzahl der Baugenehmigungen über dem Soll. Dennoch ist und bleibt auch in Harburg die Lage angespannt.
Ein Grund für die hohe Nachfrage an Wohnraum ist die anhaltende Zuwanderung in den Bezirk. Von 2010 bis 2017 stieg die Einwohnerzahl um 8,7 Prozent auf 165.889 Menschen. Der Zuwachs liegt höher als in der gesamten Hansestadt, die im selben Zeitraum 7,7 Prozent mehr Einwohner zählte. Gleichzeitig erteilt die Harburger Verwaltung seit Jahren mehr Baugenehmigungen als vom Senat gefordert. Nach dem im Jahr 2016 geschlossenen „Vertrag für Hamburg“, der vorsieht, dass alle sieben Bezirke insgesamt jährlich den Bau von 10.000 Wohnungen genehmigen sollten, liegt der Harburger Anteil bei 800 Wohnungen. Seit 2016 wurde aber jedes Jahr der Bau von mehr als 1100 Wohnungen genehmigt; im vergangenen Jahr waren es 1149 Wohneinheiten.
Einfamilienhäuser passen nicht zur Flächenknappheit
Die meisten Wohnungen – insgesamt rund 4300 Einheiten – entstehen derzeit in drei Baugebieten in Neugraben-Fischbek. Im Vogelkamp Neugraben wird bereits gewohnt, und auch die ersten Häuser im Fischbeker Heidbrook sind bezogen. Das Gebiet Fischbeker Reethen befindet sich in der Entwicklung. Das Motto aller drei Quartiere lautet „Naturverbunden wohnen“ und wendet sich schwerpunktmäßig an Familien, die Eigentum erwerben möchten. Die Fischbeker Grünfläche sollte möglichst effizient genutzt werden, betont Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner: „Wir können es uns nicht mehr leisten, die knappen Flächen mit Einzelhäusern zu bebauen“, sagte er mehrfach auf Städtebauveranstaltungen.
Wirtschaftlich schwächere Einwohner werden verdrängt
Im stark verdichteten Zentrum Harburgs geht es dagegen um den Erhalt von bezahlbaren Wohnräumen für Studenten und Senioren, für Singles und große Familien. Ein Bündnis der Fraktionen SPD, Linke und Grüne der Harburger Bezirksversammlung sieht schon heute die Tendenz, dass „wirtschaftlich schwächere Einwohner in die Außenbezirke oder über die Stadtgrenzen hinaus verdrängt werden“. Im Herbst 2018 forderten die Lokalpolitiker die Verwaltung auf, dort, wo es rechtlich möglich ist, bei Bauprojekten einen deutlich höheren Anteil als die allgemein angesetzten 30 Prozent geförderter Wohnraum durchzusetzen.
Hintergrund: Die Anzahl von Sozialwohnungen sinkt rapide, auch in Harburg. Zwischen 2009 und 2012 gab es noch rund 10.000 Sozialwohnungen im Bezirk, inzwischen sind es noch gut 6000. Im Jahr 2021 werden es nach einer Kalkulation des Baudezernats wahrscheinlich gut 5700 sein. Der Grund ist simpel: Es fallen mehr bestehende Wohnungen aus der Mietpreisbindung (sie ist meist auf 15, zum Teil auch auf 20 oder 30 Jahre begrenzt) heraus als geförderte Wohnungen neu gebaut werden.
Bau von Sozialwohnungen bleibt oft auf der Strecke
Zwar sind private Investoren gehalten, sich am Drittelmix (ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen, ein Drittel Sozialwohnungen) zu orientieren, um im Quartier eine gute soziale Mischung zu erreichen. Doch der Bezirk kann dies nur beeinflussen, wenn für ein Projekt ein Bebauungsplan erstellt oder überarbeitet werden muss, wenn der Investor Abweichungen zum festgelegten Plan beantragt oder wenn städtische Grundstücke verkauft werden.
Selbst dann bleibt der geförderte Wohnraum oft auf der Strecke. So will die CG Gruppe in ihrem Projekt Neuländer Quarree im östlichen Binnenhafen 415 Wohnungen errichten, etwa zur Hälfte Miet- und Eigentumswohnungen. Von gefördertem Wohnraum ist nicht die Rede. Und an der Winsener Straße 32-50 werden rund 300 Wohnungen gebaut, von denen acht Prozent öffentlich gefördert sein werden.
„Wohnungsbau in Harburg“ war Ende April das Thema der letzten „aktuellen Stunde“ der Harburger Bezirksversammlung vor den Bezirkswahlen am 26. Mai. Der designierte Fraktionsvorsitzende der SPD Frank Richter kündigte an, seine Partei werde die Wohnungsbau-Offensive fortsetzen. Doch zunächst werden die Wähler darüber entscheiden, auf wieviel Stimmen die einzelnen Parteien in den kommenden fünf Jahren bauen können.