Harburg. In einem Interview bemängelt Dr. Maike Manz den Trend zu Kaiserschnitten, Honorarärzten und die Zusammenlegung von Abteilungen.
Die scheidende Chefärztin der Helios Mariahilf, die gemeinsam mit anderen Ärzten der Abteilung Geburtshilfe gekündigt hatte, übt scharfe Kritik am bundesdeutschen Kliniksystem. In einem die Kündigung begleitenden Brief hatte sie die Klinikleitung wissen lassen, dass Kostendruck und Arbeitsbedingungen es ihr unmöglich machten, in der Klinik den eigenen Ansprüchen – und denen der Patienten – zu genügen. In einem Interview mit „Zeit online“ kritisiert Manz die Zustände in „vielen, wenn nicht in allen geburtshilflichen Abteilungen in Hamburg und ganz Deutschland, unabhängig davon, ob es sich um einen öffentlichen, kirchlichen oder privaten Träger handelt“. Das Ganze habe System.
Die Entscheidung, die Mariahilf Klinik in Harburg zu verlassen, sei nicht abrupt gefallen, so die Ärztin, die erst vor zwei Jahren die Stelle übernommen hatte. Sie richte sich nicht gegen die Kollegen, ärztliche oder pflegerische Mitarbeiter. Doch in vielen Gesprächen mit der Geschäftsführung habe man erkennen müssen, „dass wir unter den derzeitigen Bedingungen unseren Ansprüchen nicht mehr gerecht werden können.“
Manz hatte die Kaiserschnittquote in Harburg gesenkt
Grund: Die derzeitige Vergütungsweise belohne und bezahle überwiegend medizinische Eingriffe. Versucht man diese zu vermeiden, was sich ja gerade bei der Geburt die meisten Frauen wünschen, gibt es weniger Geld. „Präsent und aufmerksam zu sein, was letztlich die hohe Kunst in Geburtshilfe ist, wird finanziell bestraft“, so Manz. Als Beispiel nennt sie das Thema Kaiserschnitte, für die die Kliniken mehr Geld bekämen als für vaginale Geburten. Manz hatte die Quote in ihrer Zeit in Harburg gesenkt.
In vielen Kliniken, so Manz, werde der Personalschlüssel einer Abteilung daraus berechnet, wie viel ein Arzt erwirtschaften muss, um seine Stelle zu rechtfertigen. Etwas stimme nicht, wenn ein Kaiserschnitt, der höchstens eine halbe Stunde dauert, mehr einbringe als eine vielleicht 15 Stunden dauernde Geburt, bei der zwar nicht ununterbrochen ein Arzt neben der Gebärenden sitzen aber verfügbar sein muss, falls Risiken auftreten.
Trennung von Geburtshilfe und Gynäkologie
Manz zur „Zeit“: „Um seriöse Geburtshilfe zu betreiben, muss immer ein Oberarzt im Haus sein. Das sind aber enorme Personalvorhaltekosten, die im Vergütungssystem nicht einkalkuliert sind.“ Im Abendblatt-Gespräch hatte Mariahilf-Geschäftsführer Phillip Fröschle betont, dass nach Bestreben von Manz eine solche Besetzung eingeführt worden sei.
In vielen Krankenhäusern, so Manz, sei es Alltag, dass Ärzte aus verschiedenen Abteilungen – zum Beispiel Gynäkologie und Geburtshilfe, Eingriffe im jeweils anderen Bereich übernähmen. Dies sei personalsparend und damit kostengünstiger. In Harburg habe sie bewusst für eine Trennung der Bereiche gesorgt. Grundsätzlich seien zwei getrennte Bereiche hier eher die Ausnahme als die Regel.
Weiter stellt Manz die These auf, dass es eigentlich genug Ärzte und Hebammen in Deutschland gäbe, wenn diese konzentriert an Zentren arbeiten würden. Das sich keine kleine Klinik mit 600 Geburten im Jahr unter den beschriebenen wirtschaftlichen Umständen Rund-um-die-Uhr-Personal und eine sichere Ausstattung mit Labor und Blutspendedienst in Reichweite leisten könne, sei nachvollziehbar.
Kreißsäle nahmen für mehrere Stunden nur Notfälle auf
Wer sein kann in einer kleinen, überschaubaren Klinik bekommen wolle, müsse verstehen, dass das Gebären in solchen Häusern einfach nicht sicher sei, egal, wie gut Ärzte und Hebammen sind. Eine so kleine Klinik könne sich die nötige medizinische Infrastruktur einfach nicht leisten. Laut Manz gibt ein paar gefährliche Trends wie den zu Kaiserschnitten, weil sie schnell und planbar seien und besser bezahlt würden.
Manz in der „Zeit“: Einmal den ganzen Bauch auf- und wieder zumachen ist aber ein wirklich großer Eingriff für die Frau, der Folgen hat. Die Auswirkungen auf die Kinder werden gerade erst erforscht, aber schon jetzt zeigt sich ein Zusammenhang mit späterem Diabetes oder Asthma.“ Außerdem würden Klinken mangelndes eigenes Personal durch hinzugekaufte Honorarärzte ausgleichen. Ein solcher hatte auch am vergangenen Wochenende in der Harburger Klinik eingesetzt werden sollen.
Doch er erkrankte, weshalb die Kreißsäle für mehrere Stunden nur Notfälle aufnehmen konnten. Ein Honorararzt, so kritisiert Manz, könne sich nie richtig einarbeiten, weil er nach ein bis zwei Diensten wieder weg ist, er kenne jeweilig klinikeigenen Qualitätsstandards nicht und spreche oft nicht einmal Deutsch.