Harburg. Nach 160 Jahren verlässt die Harburg Freudenberger Maschinenbau den Binnenhafen. Der Neubau entsteht auf der Bahnhofslinse.

Die Fabrik an den Bahngleisen ist ein Urgestein der Harburger Industriegeschichte: Als sich Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Ölmühlen in Harburg niederließen, bauten Koeber’s Eisen- und Bronzewerke die Pressen dafür. Und auch der gerade entstehenden Gummiindustrie baute Koeber die Apparate, mit denen sich das neue Wundermaterial bearbeiten und formen ließ.

Heute, unter dem Namen „Harburg Freudenberger“ ist man an der Seeve­straße immer noch Pionier und Weltmarktführer, was Reifenherstellungs-maschinen angeht. Und auch die Ölpressen verkaufen sich weiter weltweit. Aber jetzt muss Harburg Freudenberger den angestammten Standort verlassen. Harburg bleibt die Fabrik jedoch treu. An der Schlachthofstraße bereitet das Unternehmen seinen Neubau vor.

„Wir heißen ja Harburg Freudenberger Maschinenbau und nicht Winsen Freudenberger oder Lüneburg Freudenberger“, sagt Geschäftsführer Jens Beutelspacher in Anspielung auf Harburger Traditionsbetriebe, die auf grüne Wiesen ausgewandert sind, „deshalb sind wir auch froh und dankbar darüber, wie uns die Harburger Behörden bei der Standortsuche unterstützt haben.“

2020 muss das Unternehmen das Gelände räumen

Die Zeit drängte, denn – Traditionsbetrieb hin, 160 Jahre Standortgeschichte her – Harburg Freudenberger muss im Jahr 2020 das Gelände räumen. So lange läuft der Pachtvertrag noch. „Den könnte man vielleicht noch um fünf Jahre verlängern, aber mit dem gegenwärtigen Eigentümer wollen wir das auf keinen Fall.“

Dass die Maschinenfabrik bei aller Geschichte nicht Eigentümerin der „eigenen“ Hallen ist, ist historisch begründet: 1959 hatte der Krupp-Konzern sich die Harburger Fabrik einverleibt und 2005 das Unternehmen wieder verkauft, allerdings die Immobilien in einer eigenen Firma behalten und an den neuen Fabrikeigentümer, die Possehl-Gruppe, weitervermietet.

2007 verkaufte ThyssenKrupp das Gelände an eine Investment-Tochter der Deutschen Bank. Die war nicht lange glücklich damit: Teile der Hallen stehen unter Denkmalschutz, andere sind mit chemischen Bausünden der 70er-Jahre dermaßen verseucht, dass Menschen sich darin nicht mehr aufhalten dürfen, und wie der Boden unter einer uralten Fabrik beschaffen ist, weiß niemand. Eine Immobilie, die sich profitabel weiterentwickeln lässt, sieht anders aus. 2013 ging das Gelände deshalb an die „Aroundtown“, eine international tätige Firma, die darauf spezialisiert ist, Schrottimmobilien zu versilbern. „Gebäudesanierungen waren mit diesem Vermieter nicht mehr möglich“, sagt Jens Beutelspacher, „Umbauten erst recht nicht und irgendwann sahen wir unser Firmengelände als Mietobjekt im Internet, ohne, dass man uns vorher informiert hätte.“

Kleine Büros wird es in dem Neubau nicht mehr geben

Die Harburg Freudenberger fasste den Entschluss zu gehen, aber möglichst in Harburg zu bleiben. „Die Alternative wäre gewesen, die gesamte Produktion in unser Werk in Kroatien zu verlagern und mit der Verwaltung hier irgendwo Büros zu mieten“, sagt Beutels­pacher. „Das wollten wir nicht.“

Die Trennung zwischen Adminis­tration, Konstruktion und Produktion möchte man bei der Harburg Freudenberger so weit wie möglich aufgeben. „Nur durch Kommunikation auf allen Firmenebenen erhalten wir das, was uns der Billigkonkurrenz aus Asien gegenüber den Marktvorteil verschafft: Die Kreativität, die man braucht, um Technologieführer zu bleiben“, sagt Beutels­pacher.

Die 100 Mitarbeiter aus Verwaltung und Entwicklung und die 200 Facharbeiter werden am neuen Standort nicht mehr in getrennten Gebäuden arbeiten, sondern in einem. Getrennte Sozialräume für Arbeiter und Angestellte sind passé. Im neuen Gebäude setzt man auf Begegnungszonen. Kleine Büros an engen Fluren soll es in dem 5500-Quadratmeter-Bau auch nicht mehr geben, sondern flexible Gemeinschafts-Arbeitslandschaften für die jeweiligen Abteilungen. „Wir sind bereits dabei, uns bei Firmen umzusehen, die das schon praktizieren“, sagt Beutelspacher.

Noch wird das Gelände, auf dem vor Kurzem noch Flüchtlinge wohnten, auf Kampfmittel und Schadstoffe untersucht. Parallel müssen die Baugenehmigungen erteilt werden. Der Umzug soll bei laufender Produktion erfolgen. „Das schaffen wir“, ist Beutelspacher überzeugt.