Hamburg. Nach den Plänen des Bezirks sollen viele weitere Wohngebäude entstehen. Das stößt zunehmend auf Unmut.
Wieviele Freiräume, Freizeit- und Grünbereiche will sich der Bezirk Harburg bei der Entwicklung seines Binnenhafens leisten? Diese Frage bewegt Politik und Stadtplaner, Investoren, Vereine und Bewohner der rund 1000 bereits gebauten Wohnungen des Harburger Vorzeigequartiers. Das gilt vor allem für den Kernbereich rund um den Kanalplatz und entlang des Lotsekanals. Auch dort sollen viele weitere Wohngebäude entstehen.
„Wir sollten uns bemühen, den Charakter des Binnenhafens zu erhalten“, sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung. „Dazu gehören unbedingt Frei-, Grün- und Sportflächen. Es müssen nicht überall Wohn- und Parkhäuser errichtet werden.“ Derzeit wird der Bebauungsplan (B-Plan) Harburg 72, der den hafennahen Bereich von der Blohmstraße bis zum Östlichen Bahnhofskanal umfasst, überarbeitet. Heimath: „Wir sollten dies nutzen, um dort Freiräume zu schaffen.“
"Totes Quartier, in dem kein Leben herrscht"
In dieselbe Kerbe schlägt Ralf-Dieter Fischer, Chef der mitregierenden CDU-Fraktion: „Freizeit, Soziales, Kultur und Sport müssen berücksichtigt werden. Sie bringen kein Geld ein, sondern verursachen eher Kosten. Aber sie sind wichtig, denn sonst entwickelt man ein totes Quartier, in dem kein Leben herrscht.“ Schon vor Jahren habe die Harburger CDU den Antrag gestellt, am Veritaskai, also auf der südlichen Seite des Lotsekanals, mehr Freizeitangebote einzubauen.
„Aber dort ist die zukünftige Bausubstanz fest eingeplant – und damit auch entsprechend hohe Grundstückserlöse. Die Fehler sind schon vor zehn, 15 Jahren gemacht worden, als die dichte Bebauung im Binnenhafen festgelegt und auf jedem Fleckchen Erde ein Baufeld ausgewiesen wurde. Jetzt haben wir eine relativ starre Situation“, so Fischer.
Die ergibt sich aus dem Baurecht: Die städtischen Grundstücke gehören dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen, kurz LIG. Im Binnenhafen sind sie deshalb sehr hochwertig, weil sie als Bauland (bislang überwiegend für Gewerbeimmobilien) ausgewiesen sind. Beschließt jetzt der Bezirk, ein Baugrundstück als Grün- oder Sportfläche zu nutzen, so verliert das Grundstück an Wert, und dem LIG entsteht buchhalterisch ein Verlust.
Diesen muss der Bezirk dem LIG entschädigen. Umgekehrt bekommt der Bezirk aber keine „Gutschrift“, wenn er Flächen aufwertet, etwa aus einem Parkplatz eine Baufläche macht. „Man arbeitet derzeit an einer Regel, um hier einen fairen Interessensausgleich zu finden“, sagt Baudezernent Jörg Heinrich Penner.
Idee eines schwimmenden Bolzplatzes
Penner hatte vor wenigen Tagen im Stadtplanungsausschuss die Idee eines schwimmenden Bolzplatzes zur Diskussion gestellt – und erntete ein geteiltes Echo. „So eine Schnapsidee wie den schwimmenden Bolzplatz muss man nicht verfolgen“, sagt zum Beispiel Jürgen Heimath und will solche Freizeiteinrichtungen lieber auf einer (teuren) Landfläche sehen.
Jörg Penner verweist auf die Grünzüge, die in den Bebauungsplänen ausgewiesen sind. „Dort ist es durchaus denkbar, eine solche Multifunktionsfläche für Spiel und Sport anzulegen.“ Ansonsten seien die noch vorhandenen Grün- und Brachflächen im erweiterten Umfeld des Kanalplatzes alle als Bauflächen ausgewiesen.
Penner nennt ein Beispiel: „Nehmen Sie das kleine Wäldchen vor dem Wohnschiff „Transit“. Dort ist eine 33 Meter hohe Bebauung vorgesehen. Deshalb lässt sich dort ein recht hoher Grundstückspreis erzielen. Eine Grünfläche würde das Grundstück stark entwerten.“
Binnenhafen soll ein Urbanes Gebiet werden
An der geplanten dichten Bebauung des Quartiers lasse sich nicht viel drehen, so Penner. Wohl aber an der Art der Nutzung. Bislang ist dort eine sogenannte Kernbebauung vorgesehen, bei der die gewerbliche Nutzung überwiegt (Wohnanteil um die 30 Prozent). Dies soll sich ändern: 2017 schuf der Bund die Kategorie „Urbanes Gebiet“. In diesen neuen Mischgebieten kann der Wohnanteil auf bis zu 90 Prozent wachsen. Außerdem darf tagsüber das Lärmniveau höher liegen. Der Binnenhafen soll ein Urbanes Gebiet werden.
Ein eleganter Hebel, im Rahmen der vorgesehenen Bebauung Freiräume zu schaffen, ist die Konzeptausschreibung. Investoren müssen sich mit ihren Konzepten für ein Baufeld, das sie kaufen wollen, bewerben. In der Ausschreibungen können Anforderungen an die Gestaltung der Fläche gestellt werden. „So etwas muss dann im B-Plan festgeschrieben werden“, sagt Fischer. Für den südlichen Kanalplatz wünscht sich der CDU-Politiker ein paar Geschäfte, vielleicht auch Gastronomie – „und der Segelmacher Raap muss bleiben dürfen“.
Der Kanalplatz
Über den Kanalplatz lief die ursprüngliche Verbindungsachse zwischen der Stadt Harburg und der Schlossinsel. Hier befand sich lange Zeit das Zentrum des Reise- und Handelsverkehrs.
Das Hauptzollamt, eine Post und mehrere Hotels säumten im Süden den Platz – der Umstieg der Reisenden nach Hamburg von der Kutsche auf den Ewer (flaches Segelschiff) war oft mit Wartezeiten verbunden, die Übernachtungen erforderlich machten.
Die Kontorhäuser am Westrand des Kanalplatzes sind die letzten historischen Gebäude.