Wilhelmsburg. Wilhelmsburgerinnen beleben die Gastro-Szene im Hamburger Süden. Anwohner gestalteten die Karte mit.

Aufgetürmt zu Hamburgs größtem Holzhaus, bilden die 371 Appartements des Studentenwohnheims Woodie zwar Wohnraum, aber längst noch keine Heimat. Deshalb soll es im Erdgeschoss bald wie zu Hause bei Mutter zugehen. Frauen von den Elbinseln eröffnen am Sonnabend, 24. Februar, ein Bistro, dessen Name kaum mehr Heimeligkeit versprechen kann: Das „Mama’s“ (in englischer Schreibweise mit Apostroph) will nicht weniger sein als die Küche, Bar und Tanzschuppen der Neuen Wilhelmsburger Mitte. Jeden Tag, zunächst von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends.

Wie im Hotel Mama sollen sich Studierende und übrige Gäste wähnen. „Die Tasche fallen lassen, in den Kühlschrank gucken und Mama fragen, was es zu essen gibt. Das ist das Gefühl, das ich vermitteln möchte“, sagt Inhaberin Anita Habisch (38). Dafür hat sie ihren Job als Tanzpädagogin aufgegeben.

Vegane und vegetarische Gerichte bilden die Basis

Seit dem Jahr 2016 arbeitet Anita Habisch an dem Konzept, hat auf der „Woodie“-Baustelle mit einen mobilen Fischimbiss das Terrain erkundet. Sie entstammt einer Gastro-Familie, deren Mitglieder auf der Nordsee-Insel Norderney die Lokal „Nordstrandperle“, „Amici“ und „Giftbude“ betreiben.

Im Erdgeschoss des Studentenwohnheims Woodie eröffnet das Mama's Bistro und Bar
Im Erdgeschoss des Studentenwohnheims Woodie eröffnet das Mama's Bistro und Bar © Thomas Sulzyc | Thomas Sulzyc

Zwei in Wilhelmsburg gut Bekannte hat Anita Habisch ins Boot geholt: Die Geschäftsführung übernimmt Lena Fandree (39), Erfinderin und Organisatorin des Designmarktes „Mit Liebe gemacht“. Ihre Beteiligung an der Ladengemeinschaft „Quiddje“ hat sie abgegeben. Im „Mama’s“ kocht ein Mann: Mahmoud Aoina ist aus dem Stadtteilzentrum Honigfabrik bekannt. „Er kann orientalische Küche, aber auch Grünkohl“, sagt Anita Habisch. Seine Oma aus Tunesien schicke ihrem Enkel stets neue Rezepte.

Vegane und vegetarische Gerichte bilden die Basis der Speisekarte, die Fleisch als Zutat nicht ausschließt, wenn es vom Metzger des Vertrauens stammt. Anita Habisch und Lena Fandree haben Woodie-Bewohner nach ihren Essenwünschen befragt. Vegetarisches lautete meist die Antwort der Studenten. Currywurst hat niemand verlangt. Wie bei lieben Muttis darf auch unartig genascht werden.

Urban moderner Lifestyle kombiniert mit dem, was Kinder eben mögen. „Es gibt bei uns auch geile Sauereien“, verspricht Anita Habisch. Zucker ist erlaubt. Denn ohne ihn würde der Kuchen nicht so lecker schmecken, den die Konditorin Gabriele Schulz nach den bis zu 80 Jahre alten Traditionsrezepten backt. Ihre Familie hat die frühere Bäckerei Ernst Meyer betrieben, die bis vor etwa 20 Jahren in Georgswerder ansässig war.

Fast Food kommt nicht auf den Teller

Nur eines kommt nicht auf den Teller. „Wir sind umgeben von Fast Food. Das macht keinen Sinn“, sagt Anita Habisch. Der Bulettenbräter McDonald’s und ein Döner-Restaurant sowie die Kantine in dem Gebäude der Stadtentwicklungsbehörde bilden zurzeit das magere gastronomische Angebot in der Nachbarschaft, die so viele Zielgruppen vereint: Studenten, Senioren, Behördenmitarbeiter und die Bewohner der prestigeträchtigen Wohnhäuser am Inselpark, die zur Internationalen Bauausstellung 2018 entstanden sind.

„Die arbeiten bis spät und möchten abends ein Glas Wein trinken. Auch das möchten wir bieten“, sagt Lena Fandree.

Das „Mama’s“ bietet Chance und Herausforderung zugleich, dem innerhalb kürzester Zeit aus dem Boden gestampften Quartier Neue Wilhelmsburger Mitte Aufenthaltsqualität zu verleihen. Gastronomie gilt heute als Werkzeug von Stadtplanung.

Die Einrichtung im 150 Quadratmeter großen „Mama’s“ kommt im Industrial-Stil daher und greift den Nachhaltigkeitsgedanken des Gebäudes aus Holz auf. Die Tische sind aus Hafenpaletten gezimmert, Lampen aus metallenen Wäschetrommeln und Schilder aus rostigem Schiffsstahl geschaffen. Upcycling nennt sich das, wenn aus Ausrangiertem Neues entsteht.

Konzerte, Lesungen und DJ-Sets geplant

Mit dem Woodie Lab betreibt das Mama’s einen 80 Quadratmeter großen Raum, den Gesellschaften mieten können. „Studenten können hier ihre Abschlussarbeiten festlich inszenieren, Menschen aus dem Stadtteil Geburtstage oder Hochzeiten feiern“, sagt Lena Fandree.

Ähnlich wie Gastronomie gelten kulturelle Angebote als Motor der Stadtentwicklung. Das „Mama’s“ gibt richtig Gas, denn an den Wochenenden will es unter einer Discokugel an der Decke Schauplatz von Konzerten, Lesungen und DJ-Sets sein. „Ich habe viele absurde Ideen“, sagt Anita Habisch. Die Wiedergeburt des Tanztees, eine Disco-Fox-Tanzstunde am Sonntagmittag zum Beispiel.

Zur Eröffnungsfeier am Sonnabend, 24. Februar, drehen DJs ab 20 Uhr Wilhelmsburgs fetteste Beschallungsanlage auf. Erster Bistro-Öffnungstag ist Dienstag, 27. Februar.