Hamburg. Das Institut für Lufttransportsysteme (ILT) der TU nimmt im Binnenhafen ein selbst konstruiertes Cockpit in Betrieb.
Landeanflüge sind immer brenzlig – dieser geht daneben: Der A320 setzt links neben der Rollbahn auf, holpert über die Flughafenwiese, nimmt schließlich zwei Jungbäume mit (was wollen die dort?) und kommt zum Stehen. Zum Glück spielt diese Szene nicht in Fuhlsbüttel, sondern in den Räumen des Instituts für Lufttransportsysteme (ILT) der Technischen Universität Hamburg (TUHH). Das Institut im „Goldfisch“ genannten Bürogebäude an der Blohmstraße im Binnenhafen weihte am Montag einen Cockpitsimulator ein, der zukünftig sowohl der Forschung als auch der Lehre dienen soll.
Der Simulator spiegelt die Funktionsweise des Cockpits eines Airbus 320 wider. „Wir wollen unseren Studierenden das Gefühl des praktischen Fliegens geben, sie sollen die Cockpitinstrumente und die Flugeigenschaften der Maschinen nicht nur in der Theorie kennenlernen, sondern direkt erfahren“, sagt Prof. Volker Gollnick, Leiter des ILT.
Flugsimulator soll Studierenden die Praxis zeigen
„Viele Studierende beschäftigen sich mit der Theorie der Aerodynamik und mit Flugzeugentwürfen. In unserem und weiteren Instituten der TU geht es um den Flugbetrieb. An unserem Simulator können die Master-Studenten direkt erleben, was bei einem Flug abläuft“, ergänzt Institutsmitarbeiter Dr. Florian Linke. Die Studenten müssen virtuelle Routen abfliegen, zum Beispiel: in Hamburg starten, bis Lübeck fliegen, dort mit einer lang gezogenen Rechtskurve wieder Kurs auf Hamburg nehmen und in Fuhlsbüttel landen.
Ohne Übung ist der virtuelle Absturz programmiert. Auf gerader Strecke kann sich die Testpilotin vielleicht noch um die Flughöhe kümmern, feststellen, dass sie nicht stimmt und sie korrigieren. Aber schon die Rechtskurve über Lübeck ist ein Unterfangen, das schnell aus dem Ruder läuft.
Der simulierte A320 droht abzustürzen
Auf der rund 14 Quadratmeter großen, durchgehenden Projektionsfläche vor dem Simulator gleitet die schleswig-holsteinische Landschaft in der Vogelperspektive vorbei. Sie kippt zur Seite, als die Flugzeugführerin den Steuerhebel erst leicht, dann kräftiger nach rechts gedrückt hat – ihr Stuhl vor dem Simulator bleibt immerhin standfest. Doch der virtuelle A320 legt sich immer stärker in die Kurve, ohne dass das Gegensteuern Wirkung zeigt – die 70 Tonnen schwere Maschine reagiert sehr träge. Bereits nach wenigen Minuten befindet sich das Flugzeug am Rande eines Absturzes, eine rote Warnleuchte blinkt hektisch, Alarmtöne sind zu vernehmen. Florian Linke rettet die Situation und schaltet den Autopiloten ein.
Linke erklärt die Instrumententafel, die im Simulator nur virtuell auf Bildschirmen dargestellt ist. Das schafft die Möglichkeit, auch andere Cockpits zu simulieren. So können Forscher und Studenten testen, wie sich verschiedene Flugzeugtypen fliegen lassen, auch an der TU entwickelte Prototypen. Zudem kann der Simulator mit wenigen Handgriffen zu einem Ein-Mann-Cockpit geschrumpft werden. Gollnick: „Es gibt Ansätze, bei denen der Copilot durch Instrumente ersetzt wird, also nur noch der Pilot fliegt. Ein Ein-Mann-Cockpit muss anders gestaltet werden. So müssen die Status-Anzeigen vor dem Abflug völlig anders aufgebaut sein, weil die Informationen nicht mehr von zwei, sondern nur noch von einem Menschen verarbeitet werden.“
Geforscht wird auch zum Formationsflug von Passagierjets
Ein weiterer Forschungsansatz sei das Formationsfliegen, sagt der Institutsleiter: Es wird erforscht, ob mehrere Passagierflugzeuge zukünftig, ähnlich wie Kraniche, in V-Formationen fliegen könnten. Das würde sehr viel Treibstoff sparen. Allerdings ist unklar, wie große Verkehrsmaschinen die Formation bilden können. Auch so etwas ließe sich mit dem TU-Gerät nachstellen, wenn es mit anderen Simulatoren vernetzt wird.
Jetzt ist der Airbus allerdings allein unterwegs, und das ist gut so. Obwohl der Flughafen Hamburg dank eines weißen Lichtsignals gut sichtbar ist, kommt die Maschine vom Weg ab. Schließlich kann sich die überforderte Pilotin nicht nur auf die Streckenführung konzentrieren, sondern muss auch die Flughöhe und Neigung des Fliegers im Auge behalten. Der Landeanflug gerät zum gesteuerten Sturzflug, der neben der Rollbahn endet. Der Simulator erspart den Augenzeugen herumfliegende Trümmerteile auf der Projektionsfläche.
Auch das virtuelle Cockpit bleibt natürlich heil. Es ist größtenteils hausgemacht. TU-Studierende haben es in praxisnahen Projekten im institutseigenen Integrierten Design Labor entwickelt. Die Cockpitstruktur ist eine Metallkonstruktion, die in der Forschungswerkstatt gebaut wurde. Dadurch kostete der hochwertige Simulator nur einige Tausend Euro.