Harburg. Auf Verkehrsinsel an der A1-Anschlussstelle Harburg blüht massenhaft Jakobskreuzkraut – Naturschützer fürchten Ausbreitung.
Wer in Harburg auf die Autobahn 1 fährt, freut sich womöglich über das gelbe Blütenmeer auf der Verkehrsinsel und den umliegenden Randstreifen. Doch das leuchtende Gelb hat eine dunkle Seite: Ein Großteil der dort blühenden Pflanzen ist das Jakobs-Greiskraut, bekannter unter dem Namen Jakobskreuzkraut, kurz JKK. Es bildet ein Gift, mit dem es sich gegen Fressfeinde wehrt. Aber es vergiftet auch Pferde und Rinder, wenn diese Heu von Wiesen fressen, auf denen das Kraut wächst. Naturschützer warnen nun vor der Ausbreitung der Art in die ökologisch wertvolle Umgebung.
„Als die Verkehrsinsel vor einigen Jahren gebaut wurde, ist offenbar Boden aufgebracht worden, der große Samenmengen des Jakobskreuzkrautes enthält“, sagt Harald Köpke, der sich für den BUND auf der Wilhelmsburger Insel und südlich der Elbe im Naturschutz engagiert. „An der Anschlussstelle haben sich große Bestände gebildet. Bislang ist die Region noch weitgehend frei von der Problempflanze. Das könnte sich ändern, da wir hier eine große Samenquelle haben. Die Samen verbreiten sich mit dem Wind.“
Gefahr für Pferde und Rinder
Angesichts der vorherrschenden Westwinde sorgt sich Köpke vor allem um die Neuländer Moorwiesen jenseits der Autobahn. Die artenreichen Feuchtwiesen mit dem größten Feldlerchenbestand der Stadt sollen noch in diesem Jahr zu einem 255 Hektar großen Naturschutzgebiet werden. Köpke: „Die Wiesen werden zum Teil beweidet. Aber es wird auch Heu gewonnen. Deshalb würde das Jakobskreuzkraut zur Gefahr für Pferde und Rinder werden, wenn es auf den Wiesen wächst. Wiederkäuer, die auf einer Wiese weiden, machen einen Bogen um die Pflanze, denn sie schmeckt bitter. Sie sind deshalb durch das Kraut weniger gefährdet. Gelangt es jedoch in die Mahd und wird zu Heu oder Silage verarbeitet, verliert es seinen bitteren Geschmack, und die Tiere fressen es mit. Vor allem Pferde können tödliche Dosen des Gifts aus der Gruppe der Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) aufnehmen oder schwere Leberschäden davontragen. Aber auch Rinder sowie Schafe und Ziegen sind betroffen.
Gift reichert sich im Körper der Tiere an
Einige Flächen der Neuländer Wiesen sind Teil des Extensivierungsprogramms der Umweltbehörde, das Landwirte für ihren geringeren Ertrag entschädigt. Auch die Behörde hält das JKK auf der viel umfahrenen Verkehrsinsel für problematisch: „Die Flugsamen breiten sich etwa 50 Meter weit aus. Durch Luftverwirbelungen, etwa von Lkw auf der Autobahn, können sie noch weiter fliegen. Das Auftauchen des JKK an der Stelle ist, schon wegen der unmittelbaren Nähe zu den Neuländer Wiesen, unbedingt mit der zuständigen Autobahnmeisterei zu besprechen“, sagt Behördensprecher Björn Marzahn und verweist ansonsten auf einen Handzettel für Landwirte, den seine Behörde zum JKK herausgegeben hat. Darin steht unter anderem, dass eine für Pferde und Rinder tödliche Giftmenge bereits erreicht wird, wenn die Tiere drei Monate lang mit Heu gefüttert werden, das zu einem Prozent mit JKK verunreinigt ist. Das Gift reichere sich im Körper der Tiere an. Entstandene Leberschäden seien nicht heilbar.
Eine späte Mahd begünstige die Ansiedlung des Krautes, heißt es in einem Merkblatt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Hier kommt der Naturschutz in die Zwickmühle, denn späte Mähtermine schützen den Nachwuchs von in Wiesen brütenden Vogelarten wie den Kiebitz und fördern Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten. Deshalb sollte sich JKK besser gar nicht erst großflächig ansiedeln. Auf der anderen Seite bietet auch das JKK Insekten Nahrung. Die gefährdete Schmetterlingsart Jakobskrautbär ist auf die einheimische Pflanze sogar angewiesen.
Also macht es keinen Sinn, sie ausrotten zu wollen. Vielmehr ist Achtsamkeit gefragt, auch im Landkreis Harburg. „Bei uns ist das Jakobskreuzkraut kein gravierendes Problem“, sagt Johannes Freudewald, Sprecher der Kreisverwaltung. „Wir führen regelmäßige Mäheinsätze durch.“ Diese ließen dem Kraut keine Chance, sich zu vermehren. Sehr vereinzelt gebe es Meldungen aus Gemeinden, so Freudewald. Dann werde das JKK gezielt bekämpft.
Eine einzige Pflanze kann bis zu 100.000 Samen abgeben, schreibt die Hamburger Umweltbehörde. Harald Köpke fordert von der Stadtverwaltung, dass sie bei Baumaßnahmen zukünftig sicherstellen soll, dass angelieferte Böden keine Samen des JKK oder anderer Problempflanzen enthält.
„Wenn das nicht möglich ist, muss zumindest in den Folgejahren beobachtet werden, ob solche Pflanzen dort wachsen – notfalls müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden.“ Das Kreuzkraut könne abgemäht werden, bevor es blüht, so Köpke.
Dafür ist es an der Anschlussstelle Neuländer Straße zu spät. Doch Christian Füldner, Sprecher der Behörde für Wirtschaft und Verkehr, versichert: „Wir haben die Situation mit dem Jakobskreuzkraut an der A1 im Blick. Eine Bekämpfung ist bereits beauftragt. Allerdings braucht man hierzu einige trockene Tage am Stück, damit das Bekämpfungsmittel an der Pflanze haften bleibt und nicht vom Regen abgewaschen wird. Diese trockenen Tage müssen wir nun abwarten.“